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Chillen in anderen Welten

Ein Bruder im Geiste! Zumindest ein Bisschen.

Ich hab mit Freuden den Artikel „Ich will doch nur chillen!“ von Markus Böhm bei spiegel.de gelesen. Er schildert darin, wie er gerne die Spielwelt aktueller Games erkundet und das eigentlich mehr mag, als immer sofort alle Missionen zu absolvieren und ein Computerspiel schnell zu Ende zu zocken.

Ich bin da nicht ganz auf seinem Level, aber ich verstehe den Ansatz total. Ich hab gerade binnen zweier Monate GTA V zweimal „komplett“ (also im Sinne von „alle Missionen erledigt“) durchgespielt, aber eigentlich ging es mir dabei nur teilweise um die Story. Ich mag diese andere Welt einfach, ich sehe mich dort ebenso wie in der Wirklichkeit gerne um.

Dabei geht es mir nicht unbedingt wie Böhm um gemütliches Chillen in Los Santos, aber ich habe dabei auch festgestellt, wie sehr ich mich von der Mehrheit der Gamer unterscheide. Natürlich möchte ich das Spiel durchspielen und ich finde auch die Story gut aufgemacht und so weiter. Für mich wesentlich faszinierender ist aber, sich die Welt anzuschauen. Und GTA ist da ein gutes Beispiel. Denn abgesehen von der großen Spielwelt ist GTA selbst in der fünften Auflage nur ein eher mittelmäßiger Shooter mit vergleichsweise durchschnittlicher Grafik. Wenn es nur um gutes Gameplay und Grafik ginge, würde ich schon FarCry 3 höher bewerten – und das ist nur der drittaktuellste Titel der Serie.

Ich merke schon bei einer kurzen Google-Recherche, dass ich nicht der typische Gamer bin. Wenn man versucht, tiefer in GTA V einzusteigen, muss man sich auf der Suche nach interessanten Details durch Massen von Anleitungen und YouTube-Videos durchklicken, die Cheats erläutern, massenhaft InGame-Money versprechen oder die lustigsten Kills abfeiern. Dass das GTA-Universum eine unglaublich große Welt anbietet, die auf so vielen Ebenen eine nahezu allumfassende Gesellschaftskritik in Form von Satire mit unendlich vielen Anspielungen auf die Popkultur anbietet, ist leider leider eine Randnotiz unter vielen geworden. Und ja, daran sind nicht nur die bösen Medien, sondern vielfach auch die Spieler selbst schuld.

GTA Online ist der perfekte Beweis dafür. Obwohl es im selben Universum wie das Singleplayer-Spiel angesiedelt ist, dominiert hier das Mit- und Gegeneinander der Player. Und obwohl das natürlich selbstverständlich ein Multiplyer-Game ausmacht und in vielen Genres das Erlebnis zweifelsohne bereichert, ist es für mich persönlich in diesem Fall vergleichsweise langweilig.

Ich fand die KI bei GTA IV und GTA V auch nur so mittel, bin also eigentlich nicht die schlechteste Zielgruppe für Multiplayer-Modes, aber andererseits merke ich eben auch, wie sehr die Storyschreiber Einfluss aufs Spielerlebnis genommen haben und wie viel es ausmacht, die beabsichtigte Satire in Szene zu setzen, damit sie nicht übersehen wird von all denen, die eigentlich nur auf Explosionen, Headshots und Profilierung aus sind.

Ich will das nicht verdammen, ich hatte auch schon viel Spaß bei UT und TO (Tactical Ops, sowas wie Counter Strike). Aber das ist halt eher was technisches, strategisches. Bei Spielen wie GTA kommt bei mir noch sowas wie Entdeckergeist dazu.

Ja, man kann das Spiel deswegen trotzdem nicht unpassend unter „Männerkitsch“ einsortieren, das unterschreibe ich gern. Es ist eine lustige Alternativwelt, das ist wahr. Ja, Waffen und schnelle Autos sind ein wichtiger Bestandteil davon. Und das wiederum befriedigt zweifelsohne mehr als nur ein paar schlichte Gemüter mehr als die unfassbar großartige Spielwelt. Das kann ich nicht verleugnen und ich finde das persönlich auch schade.

Aber mal ganz für mich alleine gesprochen möchte ich festhalten, dass ich nach Abschluss aller Missionen bei GTA IV und V beim Abspann traurig war, weil mir klar war, dass ich mir niemals die Namen merken können würde, die das Design zu verantworten haben. Obwohl das Leute sind, die mir mehr fröhliche, interessante und nachdenkliche Stunden beschert haben, als es jeder Spielfilmregisseur bisher geschafft hat. Was kein Wunder ist, hab ich mich in ihrer Welt doch eher 50, 100 oder 200 Stunden rumgetrieben.

Und das am Ende eben auch oft wie Markus Böhm, einfach chillend und genießend.

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Erwin Hapkes Welt

Wenn Ihr nicht auch gestern die Nachrichten verfolgt habt, dann wird der Name Erwin Hapke Euch wohl nix sagen. Wie auch? Falls er keine Namensvetter hatte, war Erwin Hapke wohl ein SEHR öffentlichkeitsscheuer Mensch, die Medien berichteten, er habe in den letzten 40 Jahren nur einmal anlässlich eines familiären Sterbefalls das Haus verlassen. Er ließ sich sein Essen von der Schwester liefern und niemand  hatte eine Ahnung, was Hapke in seinen vier Wänden trieb.

Bis er vor einiger Zeit tot aufgefunden wurde.

Wo man eine normale Rentner-Wohnung erwartet hatte, wurde eine Art Museum gefunden. Und das nicht etwa gurlittlike mit Raubkunst oder dergleichen, sondern mit selbstgeschaffenen Werken von Erwin Hapke. Ein paar eindrucksvolle Metallkunstwerke, viel mehr aber Papier-Faltfiguren. Nicht dutzend- oder hundertfach, sondern – wie der WDR schreibt – hunderttausendfach!

Im ganzen Haus geradezu ausgestellt, gruppiert, teilweise sogar mit Anleitungen und biografischen Informationen versehen. Ja, es scheint, als hätte  der zurückgezogene Erwin eigentlich durchaus die Öffentlichkeit im Sinn gehabt, als er die Blätter faltete, verklebte, zusammensteckte und verzierte.

Bei allen Meldungen, die einen Tag für Tag überfluten, war das eine der wenigen, die mich gerührt hat. Ich weiß nicht einmal, ob ich es jetzt schön finde, dass die Schätze geborgen werden, oder ob ich eher traurig sein sollte, weil Erwin Hapke zu Lebzeiten offenbar nie dazu kam, sich anderen zu erklären. Ich hoffe, es ist wirklich in seinem Sinne, dass all das jetzt publik wird.

Hier der Link zum WDR mit der beeindruckenden Bildergalerie, die man sich wirklich wirklich anschauen sollte:

Die gefaltete Welt des Erwin Hapke

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Der eintausendste Senf zu Böhmermann

Die Berichterstattung über die „Causa Böhmermann“ gehört irgendwie zu den ernüchterndsten Dingen der letzten Wochen. Also mal abgesehen davon, dass die Existenz des ausgegrabenen Paragraphen 103 StGB auf mich als Laien etwas verstörend wirkt – was da landauf und landab betont wird, wie schlimm doch diese oder jene Passage von Böhmermanns Gedicht sei … ich kann nur hoffen, er hat da eine gehörige Freude dran. Ob nun wirklich ein Verfahren ins Haus steht und ob eine Strafe verhängt wird, sei mal dahingestellt. Was ich so verstörend finde, ist dieses Aufzählen von Schimpfwörtern mit dem Hinweis, dass das ja so nun wirklich ein bisschen zu weit geht.

Ähm.

Ich habe bei ganz ganz vielen Artikeln und Anmerkungen zu dem Thema das Gefühl, die entsprechenden Oberempörer haben bis auf eine ausgedruckte Version des Gedichtes keine Ahnung, worüber sie da berichten. Dass das Gedicht in dieser Form nicht zulässig ist, hat nämlich zuallererst einer festgestellt: Jan Böhmermann. Während man vielfach liest, er habe einfach der Extra3-Satire der Vorwoche nochmal in eklig gemacht und billig mit Obszönitäten übertrumpfen wollen,  verkennt das den Kern der Sache doch ziemlich.

Denn was Böhmermann in erster Linie gemacht hat, war den Kollegen von Extra3 den Rücken zu stärken. Er hat sich hingestellt und Erdogan erklärt, dass er sowas auszuhalten habe und dass der Eingriff in Kunst- und Meinungsfreiheit erst wesentlich weiter weg denkbar wird. Und beispielhaft hat er seine Schmähkritik vorgetragen. Schon alleine der Name Schmähkritik ist doch Programm: Das ist vereinfacht gesagt genau der Ausnahmefall, in dem Satire nicht mehr als Satire durchgeht, sondern als Beleidigung strafbar wird.

Das Witzige ist: Genau damit hat Böhmermann erschreckend gute Satire gemacht. Also nicht mit ein paar Worten über sexuelle Vorlieben von Erdogan – sondern damit, dass er den Fall von Extra3 genommen hat, dessen Harmlosigkeit durch seine eigene Schmähkritik ins Absurde geführt hat – und auf der anderen Seite auch durch die völlig zweckentleerten Beleidigungen sehr ironisch damit gespielt, dass Erdogan ihn mal am Arsch lecken kann.

Der jetztige Prozess kommt sicher nicht komplett unerwartet. Es war ja schon Teil der Sendung, dass er sich die Problematik seiner Aussagen hat bestätigen lassen.

Darüber, ob es jetzt wirklich nötig war, derart viele Register zu ziehen, und eine so offensichtlich dumme Nicht-Satire wie jene „Schmähkritik“ aufzuführen, lässt sich natürlich streiten. Aber zunächst gilt es mal festzustellen, dass Jan Böhmermann nicht einfach hingegangen ist und gesagt hat:

„Ey hört mal zu, der Erdogan fickt Ziegen!“,

sondern eher:

„Natürlich darf man Erdogan seinen protzigen Palast vorwerfen, strafbar wird’s erst, wenn man folgendes sagt: Erdogan fickt Ziegen!“

Und auch wenn er den letzten Teil in Form eines längeren Gedichts getan hat: Ich finde, diese beiden Aussagen sind grundverschieden. Dass Böhmermann auch durch die extrem drastischen Worte provozieren wollte, ist sicher Teil des ganzen Spiels, schon klar. Anstatt aber jetzt wie Grundschüler über blöde Witzchen zu lachen oder wie deren Eltern besorgt zu sein, könnte man auch mal bewundernd zur Kenntnis nehmen, dass Böhmermann mit der Aktion EXAKT gehalten hat, was er so ziemlich von Anfang an versprochen hat: Er hat uns die Grenzen der Satire aufgezeigt.

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Schlimme Flüchtlinge!!1!!einself!

Ja, ich würde das ewige Vergleichen in der Debatte über Asylsuchende auch gerne meiden. Ich würde auch gerne einfach ganz vernünftig sagen:

„Hey, die Welt ist offenbar scheiße. Zu den einen mehr, zu den anderen weniger. Und von ersteren suchen derzeit viele Hilfe in Deutschland – und lasst uns doch mal drüber nachdenken, wie wir als eher vom Glück Begünstigte da sinnvoll mit umgehen können.“

Und ich würde gerne das ganze Begleitprogramm fahren und auf regenbogenpupsende Einhörner auf grünen Wiesen setzen und hoffen, dass das auch die letzten Schreihälse friedlich stimmt. Stattdessen kommt als Antwort außerhalb der eigenen Filterbubble natürlich immer nur Hass. Und untermauert wird der mit (ohnehin meist erfundenen) Geschichten darüber, wie schlecht all die Flüchtlinge für Deutschland sind, wie schlimm die Menschen sind, weil sie nicht von hier kommen, wie schlimm das ist, weil es doch ach so schlimm ist. Diese Geschichten halt. Jede Schlägerei in einer Flüchtlingsunterkunft wird als Beweis hergezogen, dass (zum Beispiel) Muslime einfach unzivilisiert sind. Und, seien wir ehrlich: Egal, wie linksversifft oder rechtsaußen wir sind: Das ist doch plausibel! Man selbst würde sich ja niemals grundlos prügeln. Prügeln vielleicht ja, aber grundlos? Das liegt natürlich an der „südländischen Mentalität“ und sowas.

Klar, mit etwas mehr Interesse am Lesen der Buchstaben neben den Bildern von verwüsteten Zelten könnten wir alle auf die Idee kommen, dass Menschen vielleicht ähnlich wie Hühnchen nicht sonderlich gemacht sind für perspektivlose Massenunterbringung. Aber wer hat jemals schon irgendwas gelesen, was einem nicht in den Kram passt?

Liebe „Besorgte“: Ich hab als Gutmensch in letzter Zeit eine Menge gelesen, was mir nicht in den Kram passt. Jede Menge rechte Seiten, auf denen o.g. gepostet wurde. MIR wäre das nicht eingefallen, glaubt mir bitte!

Und da der Holzhammer gerade angesagtes Kommunikationsmittel der Wahl ist, hab ich mich ernstlich über einen Tweet von Jan Böhmermann gefreut, der gestern wie folgt aussah:

Und er hat Recht: Das sollte man sich mal durchlesen!

Der dort verlinkte Artikel aus dem Spiegel von 1990 liest sich wie eine Blaupause der derzeitigen Probleme: Deutschland kann das alles nicht verkraften, sollte die Grenzen schließen, bricht zusammen. All die Flüchtlinge bedrohen den Wohlstand, finden keine Bleibe, nutzen das Sozialsystem aus. Noch schlimmer: Sie sind undankbar, prügeln sich in den Unterkünften, belästigen Frauen, werden sonstwie gewalttätig.

Nur, Kenner der Geschichte werden es anhand des Datums erahnt haben: Es ging hier beileibe nicht um Muslime oder „Nordafrikaner“. Es ging hier um Ostdeutsche. Teilweise also sogar um Sachsen. So wie heute Teile der Sachsen den selben Scheiß verbreiten. Ironie der Geschichte, was?

Ebenso wie Syrern unterstelle ich selbstverständlich auch den Sachsen nicht aufgrund ihrer Abstammung irgendwas schlimmes. Dieses Messen mit zweierlei Maß überlasse ich immer noch den Rechten. Der Punkt ist: Dieser Bericht von 1990 zeigt recht eindrucksvoll, dass man immer, wenn man Menschen in Extremsituationen verblendet unter die Lupe nimmt, die wundersamsten und abscheulichsten Dinge beobachten kann. Analog zu Flüchtlingsgeschichten könnte man auch psychologische Experimente anschauen: Das Stanford-Prison-Experiment z.B., um nur das bekannteste zu nennen.

Und wenn wir das dann alles durchgelesen haben: Liegt es jetzt wirklich in der (ost-?)deutschen Natur, sich gegenseitig zu verprügeln oder besoffen auf die Bettlaken anderer Leute zu pinkeln?

Ich habe die Vermutung, selbst der ein oder andere überzeugte Nazi hätte plötzlich ein Problem mit dieser Theorie. Was schwierig für ihn werden dürfte, denn wie ich bereits oben umrissen habe: Der Spiegel-Artikel (Und ja, liebe Nazis: 1990 hatte der Spiegel noch eine deutschlandweit anerkannte Qualität!) ist für diese Theorie der selbe „Beweis“ wie die derzeit diskutierten Postings über syrische Geflüchtete auf Facebook.

Und damit zu einem gleichermaßen erwartbaren wie dennoch eindeutigen Fazit: Nazis sind mitnichten Scheiße, weil sie eine andere Meinung als ich haben. Das dürfen sie gerne weiterhin. Nazis sind Scheiße, weil ihr Ziel darin liegt, bar jeder Faktenlage andere Menschen für minderwertig zu erklären, nur weil sie nicht wahrhaben wollen, dass sie nicht besser sind als wir anderen auch. Und weil sie wider besserem Wissen darauf beharren. Und das ist nun mal die weltweit anerkannte Defintion von Arschlöchern, was soll man da machen?

PS: Dagegenhalten! Immer wieder!
Ich will nicht nur über diese Scheiße bloggen, die so offensichtlich ist. Aber in Zeiten, in denen rechte Gewalt alltäglich ist, in der am Ende dann doch auch die Regierung das Asylrecht erkennbar unnötig verschärft: Wir dürfen diesen Arschlöchern nicht die Diskurshoheit überlassen, nur weil Facebook sich noch zu fein ist, alle Nazikommentare zu löschen! Diese peinlichen Jammerlappen und unzufriedenen Rechercheunfähigen sind NICHT „das Volk“!

NAZIS FUCK OFF!

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Gesehen: #OperationNaked

Sie ist schon ein paar Tage durchs Netz gegeistert: Die Schein-Dokumentation (Mockumentary) „Operation Naked“ von Mario Sixtus. Ich hab ein bisschen mit mir gerungen, ob ich mir wirklich ansehen will, was passieren würde, würden plötzlich Datenbrillen im deutschen Alltag auftauchen. Ich fand Sixtus bisher immer spannend, aber am Ende stand da dann doch immer der Vorbehalt: Ein deutscher Film über Zukunftstechnik – nee, ist klar!

Aber das war unbegründet. Dabei ist Operation Naked vermutlich der deutscheste Film, den ich in den letzten 10 Jahren gesehen hab. Er besteht im Wesentlichen aus einem Zusammenschnitt deutscher Talk- und Nachrichtensendungen, anhand derer man die fiktive Einführung dieser Technik mitverfolgen kann. Alleine die geballte Fernsehprominenz ist selbst für Nichtgucker wie mich überwältigend gewesen, und das nicht grundlos oder zum Selbstzweck: Das verleiht dem Ganzen neben einigen, teils skurrilen, neuen, Ideen eine unfassbare Glaubwürdigkeit.

Noch wichtiger allerdings: Der Film schwingt keine Pro- oder Contra-Keule, sondern zeigt (in extremer Form) sowohl Potenzial als auch Gefahr des total gläsernen Bürgers und ist zeitgleich auch eine ironietriefende Satire auf den gesellschaftlichen Umgang mit dem eigentlich wichtigen Thema. Alleine die Rolle der Politik in Operation Naked bringt einen abwechselnd zum lachen und heulen, je nach Standpunkt. Und trotzdem wirkt es bis auf ein paar wenige Punkte kein bisschen weit hergeholt.

Ich fand’s jedenfalls gleichermaßen spannend wie unterhaltsam. Der Film ist in der ZDF-Mediathek zu finden.

Und Datenbrillen? Ja oder nein? No oder go? Ich kann’s immer noch nicht sagen, ganz ehrlich. Aber vielleicht sollte man diese Entscheidung auch keiner fiktiven Doku überlassen. 😉

 

 

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Und dann noch #Rigaer94

Ich muss es gleich vorneweg sagen: Ich hab als langsam erwachsener Linker manchmal ein seltsames Problem mit der Gesellschaft.

Nämlich einfach nicht so, wie ich es vorhergesehen hatte, als ich noch wirklich aktiv in „der Szene“ war. Als ich in den 90ern in der Antifa war, da hätte ich schwören können, dass bis zu meinem Ableben im Fernsehen niemals das Wort „Sexismus“ fällt. Waren wir wohlstandsveröhnten Freizeitrevolutionäre schon stolz darauf, einfach bei einem Streit nicht „Fotze“ zu sagen und Frauen genauso ernst zu nehmen wie Männer, war das weit entfernt von jeder Relevanz. Von Mainstream ganz zu schweigen.

Und heute? Überlege ich manches Mal, wie spießig ich geworden bin, weil die ein oder andere Meinung, die selbst vom zum reaktionären Schundblatt verkommenen Spiegel wiedergegeben wird, teile. Und dann – aber immer erst im zweiten Anlauf – frage ich mich schüchtern: „Hmm, haben wir am Ende vielleicht wirklich sogar irgendwas erreicht?“

Ich will ehrlich sein: Vermutlich nur bedingt – und ich gleich dreimal nicht. Wahrscheinlich war ich einfach nur nie so underground, wie ich gerne gewesen wäre. Aber Tatsache ist, dass ich verwundert feststelle, dass sich ein Teil meiner Jugendrebellion in der Realpolitik manifestiert hat und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, weil ich doch eigentlich damit aufgewachsen bin, immer nur „dagegen“ zu sein – und all meine Einwürfe abgekanzelt wurden mit Verweisen darauf, wie unmöglich oder gar kriminell das alles sei.

Und aus meinem linken Selbstverständis heraus war für mich ebenso wie der gesellschaftliche Rassismus und Sexismus auch die ständig unverhältnismäßig bei den Linken zugreifende Staatsgewalt ein Fakt.

Ich will hier mal – so sehr ich manchem Genossen von damals auf die Füße treten werde – zugeben, dass ich an diesem Punkt in den letzten Jahren am meisten gezweifelt habe. Sicher auch, weil ich selbst als meist eher wenig Beteiligter nie wirklich die ganze „Härte des Gesetzes“ spüren musste. Aber ja, da driftete die Gesellschaft ein kleines Bisschen nach links, ich hab im Rahmen meines Jobs öfter mal konstruktiv mit den Cops zusammengearbeitet und dann kam die ein oder andere persönliche Auseinandersetzung mit intelligenten Vertretern dieses Berufsstandes im Rahmen meiner Schreibtätigkeit – und das hat dann doch dazu geführt, dass ich offener geworden bin. Und in der deutschen Polizei nicht einfach simplifiziert Büttel eines faschistischen Staates gesehen hab, die mich und meine Freunde mit Gewalt daran hindern wollten, ein paar Gramm Gras zu rauchen.

Das war wahrscheinlich nicht gänzlich falsch. Ja, selbst bei den Cops gibt es solche und solche und ich erkenne im Nachhinein auch an, dass sie bei mancher Aktion meiner Peergroup nur wenige Optionen bezüglich der Antwort hatten.

Aber …

wenn ich nochmal detailliert nachdenke, dann war einiges davon nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, auch wenn es noch nicht so groß thematisiert wird wie die Tatsache, dass das N-Wort kein Bestandteil aktueller Leitartikel sein sollte.

Zum einen kann ich als Milchbubi-Antifa auch im Nachhinein nur feststellen, dass mein Verhalten niemals die Schläge, Tritte und Wasserwerfertreffer wert war, die ich erhalten habe. Ich war allerhöchstens frech, aber selbst ich bin heute der Meinung, dass ein bisschen Frechheit keine Körperverletzung rechtfertigt.

Schlimmer aber ist wirklich die Blindheit auf dem rechten Auge. Ich will mich hier nicht in Verschwörungstheorien versteigen oder die alte Formel „Ob grün, ob braun, Nazis auf die Fresse hau’n!“ wieder hochholen. Ganz ehrlich? Ich hab in den letzten Jahren sogar mal einen (ironisch natürlich!) mitleidigen Blick aufgesetzt, wenn ich gesehen hab, was Nazis bei ihren Demos so für Auflagen hatten: Keine Springerstiefel, keine Aufnäher XY, usw. – andererseits muss ich an der Stelle doch auch mal einen geschichtlichen Break machen:

Wir wissen inzwischen vom NSU, wir wissen über das desaströse Versagen des Staates bei den Ermittlungen diesbezüglich Bescheid. Darüber hinaus haben wir seit Pegida ansteigende Zahlen von fremdenfeindlicher Kriminalität, meist in Form von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte oder gar offene Angriffe auf nichtdeutsche Menschen auf der Straße. Hundertfach. Obwohl ich mich politisch hinter letzterem auch nicht mehr positionieren würde: Die ausufernde rechte Gewalt lässt die überwiegend Linken zugeschriebene Abfackelei von Autos in den letzten paar Jahren völlig verblassen. Nicht nur zahlenmäßig. Denn man sollte wenigstens so viel Anstand besitzen, zwischen der Gewalt gegen Sachen und der gegen Menschen zu unterscheiden. Selbst wenn man gerne AfD wählt.

Ich will nicht sagen, dass wir Linken nicht auch was auf dem Kasten hättten, aber spätestens seit der Flüchtlingskrise hat das Land ein Problem mit rechter Gewalt. Und seit Köln nochmal mehr. In Heidenau haben die Cops sich überwiegend zurückgezogen (abgesehen von dem Tag, als es eine linke Gegendemo gab), in Köln waren sie überfordert und vor ein paar Tagen in Leipzig-Connewitz hat erst die Entglasung eines halben Viertels dafür gesorgt, dass ein paar Faschos ihre ED-Behandlung bekommen haben. Ganz abgesehen davon, dass kurz zuvor erst rauskam, dass fast 400 Nazis gesucht, aber bisher nicht festgesetzt wurden.

Und dann kam Berlin!

Am 13. Januar 2016 wurde gegen Mittag in Friedrichshain offenbar ein Polizist angegriffen und leicht verletzt. Von vier Leuten, die vermeintlich „linksextrem“ waren. Und ich glaube das der Polizei sogar. Ich hab zwar auch zuerst die Indymedia-Meldung gelesen, in der stand, dass der Cop der Angreifer war, aber das schien mir insgesamt eher unwahrscheinlich. Sorry, liebe Mitstreiter, aber die Version war echt nicht überzeugend …
Nun ja, die Leute verschanzten sich daraufhin offenbar in der Rigaer 94, einem linken Wohnprojekt.

Dass das aus Sicht der Polizei nicht toll war – geschenkt! Was dann aber passierte … man glaubt es kaum.

Ein paar Stunden später rückten 500 (!) Polizisten an, um die Rigaer 94 zu durchsuchen. Klingt plausibel? Ähm, nein!

Um nur mal das Allernötigste plausibel zu machen: Ich wurde mal am Rande einer Demo angehalten, weil ich Fotos gemacht habe. Infolgedessen hatte ich eine Woche später eine Durchsuchung meines Zimmers an der Backe. Ich kann’s heute offen fragen: Ratet mal, in welchem einzigen Zimmer der westlichen Hemisphäre ich inzwischen dafür gesorgt hatte, dass keine Spuren der Fotos vorhanden waren?

Und hier waren die (total unterbesetzten) Cops Stunden nach dem Vorfall vor Ort. Besser aber noch: Sie hatten keinen Durchsuchungsbeschluss! Weswegen das so war, weiß ich auch nicht, aber man braucht seine Fantasie nicht allzuweit abscheifen lassen, um zu vermuten: Sie hätten keinen gekriegt! Von außen klingt das immer so belanglos mit der Hausdurchsuchung, tatsächlich ist das ein mehr als nur schwerer Eingriff ins Leben von Menschen (wie gesagt: Ich hatte das schon!). Sowas ist hier im guten Deutschland eben keine Kleinigkeit. Also hat sich die Polizei auf eine „Hausbegehung“ beschränkt, die – ich hab das jetzt nicht überprüft – anscheinend eine Durchsuchung des Hausflurs erlaubt. Es ging ja (angeblich?) auch nicht um die Festnahme von Personen (warum eigentlich nicht?), sondern um die Frage, ob da gefährliche Gegenstände herumlägen.

Laut dem Anwalt der Betroffenen wurden übrigens sehr wohl Wohnungen aufgebrochen und die Bewohner gewalttätig drangsaliert. Meine Überraschung hielte sich in Grenzen, sollte es so gewesen sein …

Wunderschön war es dann, auf Twitter zu verfolgen, was alles gefunden wurde. Steine! Feuerlöscher! Eisenstangen! Krähenfüße!

OK, das mit den Krähenfüßen wird schwer zu erklären. Aber es bleibt doch auch zu erwähnen, dass selbst das allenfalls passive Waffen sein können. Beim Rest müsste sich jeder zweite Hausbesitzer in Deutschland mal umsehen, ob er nicht versehentlich die vorgeschriebenen Feuerlöscher … oh, wait!

Ganz ehrlich: Es ist kein Wunder, dass Zitate aus dem Scherben-Lied „Rauch-Haus-Song“ gepostet wurden:

„Und die deutlichen Beweise sind 10 leere Flaschen Wein,
und 10 leere Flaschen können schnell 10 Mollies sein“

Was mich eigentlich umtreibt:

So sehr ich versuche, nicht in alte Reflexe zu verfallen und die Cops als Grund allen Übels zu betrachten: Sie machen es mir schwer! Soweit ich weiß, ist bisher wegen Connewitz keine Wohnung durchsucht worden, soweit ich mich erinner, klang unser Innensenator Henkel immer vergleichsweise unaufgeregt, wenn es „nur“ um angezündete Flüchtlingsheime ging.

Aber bei der Rigaer 94 musste dann doch mal „der Rechtsstaat“ mit voller Härte eingreifen, ja?

Soll ich dann als halbwegs sozialkompatibler Pseudolinker auch endlich mal wieder die „Slime 1“ ausgraben und „ACAB“ mit gutem Gewissen hören? Ja, doch, ich glaube, das mache ich jetzt. Es scheint ja längst nicht mehr um nötige oder sinnvolle Auseinandersetzungen zu gehen, sondern um’s Aufrechterhalten der Feindbilder. Wenn die Bullen nicht erwachsen werden wollen, will ich’s auch nicht!

„They say it’s law and order but we live in fear
– fuck off Cops, get out of here! All Cops …“

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OK, dann halt doch #kölnhbf!

Der Anfang des Jahres 2016 macht es einem ja nicht leicht, sich zu entscheiden, zu was man seinen Senf dazugibt.

Aber Köln toppt ja nun wirklich alles: Während einer silvestertypischen Ansammlung dort am Bahnhof wurden in schier unglaublicher Zahl Frauen sexuell belästigt, teilweise wohl sogar vergewaltigt, obendrein auch noch beklaut. Die Täter hatten ein (überwiegend?) nichtdeutsches Aussehen und deswegen muss man Flüchtlinge jetzt schneller abschieben. Äh …

Und als ob das nicht genug wäre, begeistert uns die Kölner Polizei mit Berichten, die zwischen „Ach, eigentlich schien das ganz nett zu sein dort …“ bis hin zu „Das war der Alptraum jeder Zivilisation und wir sind dem kräftemäßig nicht beigekommen!“ schwanken.

Was für ein Polizeiskandal sich da möglicherweise auftut, bleibt erst einmal abzuwarten. Zum Rest der Ereignisse kann man aber dennoch schon mal so einiges sagen. Und nein, natürlich nicht, was jetzt genau passiert ist, wer welche Verbrechen begangen hat und woher er kam … aber zumindest mal, dass es furchtbar gewesen sein muss – und dass das alles wirklich nix in der Debatte über Flüchtlinge zu suchen hat.

Und bevor die besorgten Bürger jetzt „Zensur“, „Lügenpresse“ oder sonstigen Bullshit einwerfen:

Wir haben Euch Rassisten das seit Jahrzehnten schon gesagt: Niemand von uns „linksversifften Gutmenschen“ glaubt, dass Ausländer bessere Menschen als Deutsche sind. Dementsprechend hat auch niemand von uns ein Interesse daran, Verbrechen von Nichtdeutschen nicht als Verbrechen zu bezeichnen oder gar irgendein Problem mit deren Verfolgung. Euer dümmlicher Trugschluss war immer und ist auch hier, dass man aus der Nationalität von Verbrechern irgendwelche allgemeingültigen Regeln aufstellen könnte!
Ihr wollt als Deutsche nicht mit pädophilen Priestern und z.B. dem Mörder von Elias und Mohammed gleichgesetzt werden – wie fern liegt da bitte der Gedanke, dass ein syrischer Familienvater auf der Flucht nix mit rachsüchtigen IS-Terroristen oder handgreiflichen Landsleuten am Kölner Bahnhof zu tun hat?
Dass jetzt kein Feminist „Scheiß Flüchtlinge!“ ruft, liegt einfach daran, dass die in der Regel mehr als Spachtelmasse hinterm Schädelknochen haben und sich zudem völlig zurecht fragen, wir ihr es wagen könnt, mit dem selben Twitter-Account, mit dem ihr bei der #aufschrei-Debatte Frauen Vergewaltigungen gewünscht habt, jetzt einen auf Opfervertreter zu machen.

Natürlich ist die Aufarbeitung des Frauenbildes im Islam, in islamischen Ländern (in religiösen Ländern überhaupt!) wichtig. Und sicher in vielen Fällen auch bei hierher geflohenen Menschen aus islamisch geprägten Gegenden ein Problem, das angegangen werden muss. Aber weder verschweigt, noch bezweifelt das irgendeiner mit einem Fünkchen Restverstand.

Tatsächlich aber lassen sich die Probleme nicht mit dem Rausschmiss aller etwas dunkelhäutigeren Männer aus Deutschland oder dem Anzünden von Flüchtlingsunterkünften lösen, denn die heutigen Werte Deutschlands, auf die ihr so fleißig onaniert, während ihr Bachmanns Reden anhört, sind zu einem großen Teil geprägt von dem, was man Rechtsstaat nennt. Und dieses – von natürlich hier und da auftretenden Ungerechtigkeiten begleitete – Phänomen besteht im Wesentlichen daraus, dass nicht eine Zusammenrottung von möglichst ähnlich Dummen darüber zu entscheiden hat, wer aus dieser liebenswerten Gemeinschaft von Brandstiftern verbannt und in ein Gefängnis (egal in welchem Land) gesteckt wird. Insbesondere so etwas archaisches wie Sippenhaft (man findet hier sicher islamisch geprägte Länder, in denen das gang und gäbe ist), ist ganz sicher nicht Teil des Wertekanons hierzulande. Wäre sicher auch ärgerlich für Euren Vater und/oder Bruder, wenn man das gleichermaßen auf Inländer anwenden würde.

Köln (und Hamburg und Stuttgart und …) war schlimm. Das muss aufgearbeitet werden und hoffe eifrig, dass das passiert. Solche Zustände sind nicht haltbar. Natürlich eigentlich nirgendwo, aber hier haben wir wenigstens einen etwas direkteren Einfluss darauf. Da auch in punkto Strafmaß oder Gesetzesänderungen offen zu bleiben, ist nicht per se falsch.

Aber das jetzt als Argument in der Flüchtlingsdebatte herzuholen, ist billig und polemisch. Jeder „besorgte Bürger“, der in den letzten sieben Tagen seinen Hang zum Feminismus entdeckt hat, könnte problemlos nachvollziehen, wie sehr sexuelle Gewalt für Frauen auch vor Silvester und auch in Deutschland ein Problem war. Ja, selbst vor #aufschrei. Ich mag das gleichermaßen polemisch wirkende Beispiel vom Oktoberfest nicht allzu sehr, aber es ist halt so schön offensichtlich: Auch dort ist das an der Tagesordnung. Schon immer gewesen. Oder beim nun anstehenden Karneval. Oder in Karls Kneipe um die Ecke. Aber da sind wir an dem Punkt, wo sich die Spreu vom Weizen trennt: Wer Köln jetzt wegen der Flüchtlinge thematisiert, wird bis dato stets auffallend ruhig oder sogar eher kontraproduktiv gewesen sein. Bei #aufschrei, bei Brüderle, bei mit Sicherheit allen Meldungen, bei denen es um Gewalt gegen Frauen ging.

Ich denke, die Seite der Feministen und Antisexisten bräuchte eigentlich jede Unterstützung. Die Unterstützung derer, die auf massive sexuelle Gewalt mit dem Rufen nach Abschiebung antwortet, braucht trotzdem niemand. Nein, wirklich gar niemand.

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