Schlimme Flüchtlinge!!1!!einself!

Ja, ich würde das ewige Vergleichen in der Debatte über Asylsuchende auch gerne meiden. Ich würde auch gerne einfach ganz vernünftig sagen:

„Hey, die Welt ist offenbar scheiße. Zu den einen mehr, zu den anderen weniger. Und von ersteren suchen derzeit viele Hilfe in Deutschland – und lasst uns doch mal drüber nachdenken, wie wir als eher vom Glück Begünstigte da sinnvoll mit umgehen können.“

Und ich würde gerne das ganze Begleitprogramm fahren und auf regenbogenpupsende Einhörner auf grünen Wiesen setzen und hoffen, dass das auch die letzten Schreihälse friedlich stimmt. Stattdessen kommt als Antwort außerhalb der eigenen Filterbubble natürlich immer nur Hass. Und untermauert wird der mit (ohnehin meist erfundenen) Geschichten darüber, wie schlecht all die Flüchtlinge für Deutschland sind, wie schlimm die Menschen sind, weil sie nicht von hier kommen, wie schlimm das ist, weil es doch ach so schlimm ist. Diese Geschichten halt. Jede Schlägerei in einer Flüchtlingsunterkunft wird als Beweis hergezogen, dass (zum Beispiel) Muslime einfach unzivilisiert sind. Und, seien wir ehrlich: Egal, wie linksversifft oder rechtsaußen wir sind: Das ist doch plausibel! Man selbst würde sich ja niemals grundlos prügeln. Prügeln vielleicht ja, aber grundlos? Das liegt natürlich an der „südländischen Mentalität“ und sowas.

Klar, mit etwas mehr Interesse am Lesen der Buchstaben neben den Bildern von verwüsteten Zelten könnten wir alle auf die Idee kommen, dass Menschen vielleicht ähnlich wie Hühnchen nicht sonderlich gemacht sind für perspektivlose Massenunterbringung. Aber wer hat jemals schon irgendwas gelesen, was einem nicht in den Kram passt?

Liebe „Besorgte“: Ich hab als Gutmensch in letzter Zeit eine Menge gelesen, was mir nicht in den Kram passt. Jede Menge rechte Seiten, auf denen o.g. gepostet wurde. MIR wäre das nicht eingefallen, glaubt mir bitte!

Und da der Holzhammer gerade angesagtes Kommunikationsmittel der Wahl ist, hab ich mich ernstlich über einen Tweet von Jan Böhmermann gefreut, der gestern wie folgt aussah:

Und er hat Recht: Das sollte man sich mal durchlesen!

Der dort verlinkte Artikel aus dem Spiegel von 1990 liest sich wie eine Blaupause der derzeitigen Probleme: Deutschland kann das alles nicht verkraften, sollte die Grenzen schließen, bricht zusammen. All die Flüchtlinge bedrohen den Wohlstand, finden keine Bleibe, nutzen das Sozialsystem aus. Noch schlimmer: Sie sind undankbar, prügeln sich in den Unterkünften, belästigen Frauen, werden sonstwie gewalttätig.

Nur, Kenner der Geschichte werden es anhand des Datums erahnt haben: Es ging hier beileibe nicht um Muslime oder „Nordafrikaner“. Es ging hier um Ostdeutsche. Teilweise also sogar um Sachsen. So wie heute Teile der Sachsen den selben Scheiß verbreiten. Ironie der Geschichte, was?

Ebenso wie Syrern unterstelle ich selbstverständlich auch den Sachsen nicht aufgrund ihrer Abstammung irgendwas schlimmes. Dieses Messen mit zweierlei Maß überlasse ich immer noch den Rechten. Der Punkt ist: Dieser Bericht von 1990 zeigt recht eindrucksvoll, dass man immer, wenn man Menschen in Extremsituationen verblendet unter die Lupe nimmt, die wundersamsten und abscheulichsten Dinge beobachten kann. Analog zu Flüchtlingsgeschichten könnte man auch psychologische Experimente anschauen: Das Stanford-Prison-Experiment z.B., um nur das bekannteste zu nennen.

Und wenn wir das dann alles durchgelesen haben: Liegt es jetzt wirklich in der (ost-?)deutschen Natur, sich gegenseitig zu verprügeln oder besoffen auf die Bettlaken anderer Leute zu pinkeln?

Ich habe die Vermutung, selbst der ein oder andere überzeugte Nazi hätte plötzlich ein Problem mit dieser Theorie. Was schwierig für ihn werden dürfte, denn wie ich bereits oben umrissen habe: Der Spiegel-Artikel (Und ja, liebe Nazis: 1990 hatte der Spiegel noch eine deutschlandweit anerkannte Qualität!) ist für diese Theorie der selbe „Beweis“ wie die derzeit diskutierten Postings über syrische Geflüchtete auf Facebook.

Und damit zu einem gleichermaßen erwartbaren wie dennoch eindeutigen Fazit: Nazis sind mitnichten Scheiße, weil sie eine andere Meinung als ich haben. Das dürfen sie gerne weiterhin. Nazis sind Scheiße, weil ihr Ziel darin liegt, bar jeder Faktenlage andere Menschen für minderwertig zu erklären, nur weil sie nicht wahrhaben wollen, dass sie nicht besser sind als wir anderen auch. Und weil sie wider besserem Wissen darauf beharren. Und das ist nun mal die weltweit anerkannte Defintion von Arschlöchern, was soll man da machen?

PS: Dagegenhalten! Immer wieder!
Ich will nicht nur über diese Scheiße bloggen, die so offensichtlich ist. Aber in Zeiten, in denen rechte Gewalt alltäglich ist, in der am Ende dann doch auch die Regierung das Asylrecht erkennbar unnötig verschärft: Wir dürfen diesen Arschlöchern nicht die Diskurshoheit überlassen, nur weil Facebook sich noch zu fein ist, alle Nazikommentare zu löschen! Diese peinlichen Jammerlappen und unzufriedenen Rechercheunfähigen sind NICHT „das Volk“!

NAZIS FUCK OFF!

9 Comments

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9 Responses to Schlimme Flüchtlinge!!1!!einself!

  1. Wahlberliner

    Am Anfang scheint „mehr“, „weniger“ und „letztere“ irgendwie nicht in einer konsistenten Beziehung zueinander zu stehen.

  2. Als Wahl-Sachse kann Ich bestätigen was du schreibst.

    Man sieht hier immer mehr Ausländer in Dresden. Als „Wessi“ kann Ich leider nicht erkennen was daran jetzt so „schlimm“ ist.

    Vielleicht muss diese Vor-Wende Generation bis Baujahr 1980, 1990 oder so einfach erst wegsterben damit sich hier die Wogen ein wenig glätten.

    Viele hier sagen immer wieder dass das Bild das in den Medien von uns hier in Sachsen vermittelt wird falsch ist und dass es in NRW oder anderswo auch nicht besser ist und dort auch Stimmung gegen Asylsuchende gemacht wird. Das kann Ich nicht beurteilen.

    Mir machen diese rechtspopulistischen Querköpfe jedoch mehrt Angst ans die paar Flüchtlinge die wir nun hier haben und die wirklich einfach nur Ihre Ruhe wollen.

    Grüße aus Dresden

    Philipp

  3. @Roichi:
    Sicher passt das. Schon alleine, weil es ein wirklich wunderbarer Text zu der ganzen Thematik ist, der einfach gelesen werden sollte.

    @Wahlberliner:
    Stimmt. Aber das vermisste Verhältnis besteht zwischen „den einen“, „den anderen“ und „letztere. 😉

    @Philipp:
    Kann ich nachvollziehen.
    Aber vermutlich ist das – siehe den von Roichi verlinkten Artikel – auch wirklich mehrheitlich eine Stadt-Land-Differenz. Wenn ich schon lese, dass Menschen zu einem ankommenden Bus fahren, um mal zu sehen, wie das so ist … und ich hab in meinem Artikel leichtfertig geschrieben, dass das auch dort schon mal vorgekommen sein muss.

  4. Wahlberliner

    @Sash: Ja, und da passt es einfach nicht. Ich zitiere: „Hey, die Welt ist offenbar scheiße. Zu den einen mehr, zu den anderen weniger. Und von letzteren suchen derzeit viele Hilfe in Deutschland“ – letztere, wären die, zu denen die Welt weniger scheiße ist. Und die sollen gerade Hilfe in Deutschland suchen?!? Also ich finde ja eher, dass die Welt zu uns in Deutschland weniger scheiße ist, und die, die hier gerade Hilfe suchen, kommen *eindeutig* aus einem Teil der Welt, wo das Leben (momentan) viel beschissener ist, denn sonst müssten sie ja nicht herkommen und Hilfe suchen.

    Also, Hrrrrmmpf?!? Warum hast Du zwar geantwortet und bestätigt, aber den Text noch nicht geändert? So ist er einfach nur falsch! (Oder ist das ein Zitat? Dann macht man wenigstens ein sic dahinter…)

  5. mm.

    +1 für Wahlberliners Kritikpunkt. Wobei ich zugeben muss, dass ich es erst nach seinem zweiten Kommentar bemerkt hab was das Problem ist. War so ein Hand-ins-Gesicht-patsch-Moment.

  6. Wahlberliner

    @mm.: Danke. Und ich glaube einfach nicht, dass Sash sich jetzt zur Gruppe der „besorgten Bürger“ zählt, die alles in Deutschland einfach nur noch schlimm finden, und jetzt kommen auch noch die Flüchtlinge und sorgen für Überfremdung, blablubb…. – Das passt so einfach gar nicht zu ihm, denn mit dem Level an Intelligenz und „Weltsicht“, was für so eine Einstellung nötig wäre, könnte er nicht die Blogeinträge in seinen beiden Blogs verfassen, die er dort schreibt. Oder vielleicht hat er jahrelang einen Ghostwriter engagiert, und evtl. sogar noch einen Ghost-Taxifahrer, während er selbst es sich mit Bomberjacke, Thor Steinar Shirt und Springerstiefeln im tiefsten Marzahn-Hellersdorf gemütlich macht? 😉 SCNR….

  7. @Wahlberliner und mm.:
    Ja, das war jetzt auch für mich so ein Facepalm-Moment. Ich hab’s jetzt geändert. Sorry, ich hab’s wirklich geschafft, beim ersten Kommentar nur einen Teil des Inhalts zu erfassen. War wohl auch ein besonders umnachteter Moment. 🙂

  8. Wahlberliner

    @Sash: Puh, also kein Ghost-Taxifahrer, gerade noch mal Glück gehabt, danke… 😉

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