Backstage

Wenn man tagsüber schläft, gibt es manchmal diese ganz großen WTF?-Momente. Wenn man aus dem Schlaf gerissen wird, weil ein Paketbote offenbar mehr Zeit mitgebracht hat und deswegen minutenlang Sturm läutet. Oder wenn die Kinder ein Stockwerk höher offenbar zum Geburtstag drei neue Bohrmaschinen und farblich dazu passende Flummis bekommen haben. Manchmal hört man auch Pöbeleien von der Straße und seit einem Monat etwa besitzt irgendein Typ in der Nachbarschaft ein Megafon, um damit seine politische Meinung kundzutun. Ich hab zwar ein bisschen Angst davor, seine sehr kurzen Parolen irgendwann zu verstehen, aber seit heute Mittag um 11.50 Uhr gibt es auf der Schmerzskala für Marzahner Nachtarbeiter einen neuen Eintrag, der die Messlatte für WFT?-Momente ein ganzes Stück nach oben verschoben hat:

Blick aus meinem Fenster. Bin offenbar backstage… Quelle: Sash

Ich bin ja wirklich Optimist. Ich kann das Ganze durchaus als sinnvoll erachten. Zum Beispiel als Rekordversuch, das möglichst groteskeste Verhältnis zwischen Bühnengraben und Publikumsaggressivität hinzubekommen. Und was immer die Dame auf der anderen Seite des Busses macht: Einen erfolgreichen Regentanz scheint sie da aufzuführen. Musikalisch allerdings ist es…

afk, Wortlaut der Genfer Konventionen googlen…

13:18 Uhr: Zum einen google ich doch am PC, zum anderen kenne ich jetzt das komplette neue Album von Andrea Berg und sie selbst soll gleich da sein. Das Durchschnittsalter vor meinem Fenster liegt bei 103 Jahren.

13:19 Uhr: Jetzt lobt ihr Sprecher das Einkaufszentrum statt des Stadtteils… das wird immer lauter und obskurer…

13:21 Uhr: Mehr als verkaufen kann der Typ dort auch nicht… und nicht einmal das kann er sonderlich gut 🙁

13:22 Uhr: Ein paar nette Stunden (!) sollen das werden? WTF???

„Andrea Berg wird sich ganz viel Zeit für sie nehmen…“

„Ganz wichtig, nehmen sie schonmal das Cover aus der Hülle…“

„Sie wird bald da sein…“

13:26 Uhr: „Gewisse Unruhe!“ gibt es. Uiuiui. Gleich muss der Sani ran!

13:28 Uhr: Sie ist da. Und keine Scharfschützen, die irgendwie für Laune sorgen 😉

13:31 Uhr: Die „definitive Party“ wollen sie jetzt feiern. Bei einer Autogrammstunde?

13:33 Uhr: Das Album wird irgendwie nicht vielseitiger, wenn man es zweimal hört…

13:36 Uhr: Aber zugegeben: Ein paar Leute sind inzwischen da. Ob die alle den Tag überleben, ist die andere Frage…

„Definitive Party“ Quelle: Sash

13:39 Uhr: Oh, das Lied klingt ein bisschen anders als das davor…

13:42 Uhr: Ich weiss, rummeckern ist niveaulos. Aber die Bands, die ich hier gerne sehen würde, würden niemals nach Marzahn kommen 🙁

13:43 Uhr: Es gibt sogar Aufkleber umsonst. „Aber nicht zuviele nehmen…“

13:44 Uhr: „Wir sind Berlin, wir sind nicht irgendwo…“ Selten klang dieser Satz grotesker…

13:45 Uhr: Die Frau selbst scheint nicht ans Mikrofon zu dürfen.

13:46 Uhr: Muss mal aufs Klo…

13:52 Uhr: Eine Betonwand mehr hilft auch nicht wirklich 🙁

13:52 Uhr: Übrigens: In knapp 2 Stunden klingelt mein Wecker…

13:54 Uhr: Ich glaub ja, dass der Beat des Albums mit den gängigen Herzschrittmachern synchronisiert ist und das alles eine Verschwörung ist.

13:56 Uhr: Wer das hier irgendwie für unfair hält, der soll sich einfach mal vorstellen, Nachts für 2 Stunden zum Hören von unangenehmer Musik gezwungen zu werden. Und hey, in der Lautstärke haben wir das mit unseren Parties echt auch nie geschafft…

14:01 Uhr: Es passiert nix besonderes, es ist einfach da. Tinnitus ist vielleicht vergleichbar.

14:15 Uhr: Definitiv 3. Durchlauf des Albums. Ich esse was, mein Rhythmus ist so oder so im Arsch…

14:38 Uhr: So langsam würde ich eigentlich gerne wieder schlafen… stattdessen erwarte ich, dass Andrea Berg demnächst das 4. Mal singt, sie sei Pirat…

15:13 Uhr: Nein, vorbei ist es noch nicht. Und die Piraten waren auch schon wieder dran. Inzwischen ist ihnen die Musik aber auch zu laut geworden. Deswegen haben sie die Lautsprecher weggedreht… in meine Richtung 🙁

15:17 Uhr: Es ist… still! Endgültig? Bitte!!! Aber es sieht nach Abbau aus 😀

15:20 Uhr: OK, es scheint amtlich zu sein: I survived Andrea-Berg-Autogrammstunde in front of my door!

So, dann hat mich der Spaß jetzt also von 11:50 Uhr bis 15:20 Uhr wachgehalten. Meine eigentliche Schlafzeit sollte heute 9:00 bis 16:00 Uhr sein. Ist doch zum Kotzen, sowas!

24 Comments

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24 Responses to Backstage

  1. Bertil

    afk zum googlen? xD

  2. @Bertil:
    Damn! 😀

  3. Ich hab mir mal gerade was von ihren Kostproben gegönnt. Zum Glück habe ich heute noch nichts zu Mittag gegessen…

    …mein volles Mitgefühl.

    Und jetzt mit „Disturbed – Down with the Sickness“ die Ohren wieder freispülen. 🙂

  4. @Der Maskierte:
    Ich gebe zu, am Schlafen würde mich auch gute Musik hindern. Aber mehr Spaß machen würde es wenigstens 😀

  5. Bertil

    Wann gehst du runter und nimmst mit, was du kriegen kannst? Lohnt sich bestimmt! …nicht.

  6. @Bertil:
    Das wird nicht passieren. Selbst wenn ich müsste…

  7. Jens

    Sie ist Pirat? Politische Statements von Andrea Berg? 🙂

  8. @Will Sagen:
    Nicht googlen! Akzeptieren.

    @Jens:
    Auch wenn ich mich jetzt aus dem Kopf an eine Interpretation ihres aktuellen Albums machen könnte: Ich werde es nicht tun. Aber ich vermute, die Antwort auf deine Frage ist Nein! 😉

    @Tjeika:
    O ja!

  9. antagonistin

    Ich würde es mit einer Klage ans Managment versuchen, falls die Tröte ein solches hat. Versuche eine Kombination aus Schmerzensgeld (nimm was aus dem Sektor der Psychotraumatologie als Begründung) und Verdienstausfall (wie soll man eine Nacht durchfahren nach so wenig Schlaf) geltend zu machen.

    Ansonsten: mein fettestes Beileid. Echt mal. Mich würde das so aggressiv machen, dass ich nach spätestens 1 Stunde Beschallung entweder Ohropax gekauft oder was Teures kaputt gemacht hätte. 😀

    Vielleicht legst Du Dir gelegentlich ein Megafon zu, mit dem Du dann in den Pausen zwischen den Liedern so laut „Buh“ nach draußen grölst, wie Du kannst. 😉

  10. Zyniker

    hm… zumindest sind die Marzahner Bewohner welcher einer gewöhnlichen Tagarbeit frönen vollkommen verschont geblieben 😉

    Herzliches Beileid Sash!

  11. Pingback: Andrea Berg und der Taxi-Test » gestern-nacht-im-taxi.de

  12. @antagonistin:
    Danke fürs Beileid 🙂
    Wir haben uns hier übrigens nach dem Spuk irgendwie einfach völlig fertig gefühlt. Körperlich ermattet und im Geiste restentleert. Wirklich krass…

    @Zyniker:
    Ja, für den Rest der Welt war es positiv. Die Rentner waren freiwillig da, die Tagarbeiter arbeiten – aber wenn ich als Nachtarbeiter auch selten bin: Wo ist bitte der Kampfgeist der arbeitslosen Bevölkerung geblieben? Da haben wir doch auch ein paar!

  13. @ Der Maskierte: Da denkt man bei der Textzeile „You stupid sadistic abusive f***ing whore“ gleich ganz anders 😉

  14. @Alex:
    Nicht so obszöne Sachen schreiben hier. Wenn ich die Sternchen schon sehe…
    Es heisst „fucking“!
    Sieht doch gleich viel netter aus 😀

  15. Michi

    Oje, oje… *Tüte Mitleid rüberschieb* 🙁

  16. @Michi:
    Danke. Aber jetzt isses ja vorbei 🙂

  17. idriel

    Andrea Berg-Beschallung >2h am Stück vor der eigenen Haustür?? Horror!!!! Mein tiefstes Mitgefühl geht an dich und deine Nachbarn. Sind nachher Seelsorger rumgegangen umd sich um die Anwohner zu kümmern?

  18. Du armer, ich wurde mal im Bus von Helene Fischer heimgesucht, das ist wohl auch nicht besser oder schlimmer. Was ich jedoch erschreckendst finde, ist, dass Frau Bergs Album auf Platz 1 der Bestseller im Amazon-MP3-Shop ist :-O

  19. Da ich ja vor nichts zurückschrecke, habe ich nun dank DuRöhre einen direkten Vergleich der Damen Fischer und Berg angestellt. Beides derselbe … ähm… Stil? Auf jeden Fall habe ich nun etwas, an das ich zurückdenken können werde, wenn mir die fastnächtliche Musikbeschallung im Bus nächsten Winter wieder mal unerträglich erscheinen wird 🙂

  20. @idriel:
    Danke! 🙂
    An die Seelsorger hat natürlich keiner gedacht – wir hätten gut einen brauchen können…

    @Daniel:
    Na wenn unser Elend hilft, dass du dich besser fühlst, dann hat es ja etwas gutes 😀
    Dass die gute Frau recht bekannt und beliebt ist, wundert mich indes nicht.

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  22. Pingback: Getrommelt sei’s! | Sashs Blog

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