Das Leben, die Mondfinsternis und der ganze Rest …

Es gibt so Tage, da geht gar nix. Heute nacht zum Beispiel. Die Arbeit hat mich runtergezogen, obwohl eigentlich nix schlimmes passiert war. Ja, es war wenig los – aber das erklärt nicht, wieso mir jede Minute Warten so derart aufs Gemüt geschlagen hat. Ja, ich kränkel‘ noch leicht vor mich hin, fühle mich irgendwie gestresst, aber so wirklich der depressive Typ bin ich ja eigentlich auch nicht.

Trotzdem kam mir jede fucking Minute auf der Straße wie eine Stunde vor. Jede Ampel, jede Lenkbewegung eine ewige Qual! Kunden kamen mir ohnehin nicht viele in die Quere, aber die paar, die ich hatte, hab ich zwar gut behandelt, am Ende aber geradezu mit Freude wieder in die Freiheit entlassen. Obwohl sie allesamt ausgesprochen nett waren.

Ich kenne das ja. Das passiert all Halbjahr mal, vermutlich eine kleine Nebenwirkung vom Dienstleisterspielen. Insgesamt nix schlimmes, nervt aber halt, wenn es gerade mal wieder akut ist.

Zu viel gekommen bin ich also nicht, mein Geldbeutel jammert extrem laut gerade. Aber Geld ist nicht alles, und so hab ich das Auto dann doch schnell abgestellt. Und dann war glücklicherweise Mondfinsternis.

Mein Faible für Astronomie kennt Ihr inzwischen alle, es sollte die wenigsten verwundern, dass ich sowas schön finde. Aber Mondfinsternisse sind zudem ja auch gelebte Entschleunigung. Während man bei einer Sonnenfinsternis für ein paar Minuten genau am richtigen Ort auf der Erde sein muss, kann man so eine Mondfinsternis von überall betrachten und sie dauert insgesamt locker ein paar Stunden. Hach.

Ein wenig gehetzt hab ich mich zwischenzeitlich, weil ich dachte, ich könne noch ein paar gute Bilder machen (hat leider nicht geklappt – wie zur Hölle hab ich damals dieses Bild geschossen?), aber am Ende hab ich mir einfach hier vor der Haustüre in Marzahn ein paar Minuten genommen, die freier als frei waren, und zugesehen, wie die letzte schmale Sichel gleißenden Sonnenlichtes von unserem Erdtrabanten verschwand und nur eine matt glutrot leuchtende Ahnung des derzeitigen Vollmondes am Himmel übrig blieb.

Da wo andere eine Auszeit vom Internet nehmen, in die Südsee fahren oder Zwiegespräche mit ihren imaginären Freunden (aka Götter) führen, hat mir einmal mehr ein Blick in den Himmel gereicht. Mir ist klar, dass eine Mondfinsternis nur ein eigentlich reichlich einfallsloses Schattenspiel des Universums ist, aber das hat heute nacht nichts daran geändert, dass ich es toll fand, es genau jetzt und hier anschauen zu können. Ich halte mich nicht unbedingt für einen Naturromantiker, aber neben all der Hektik des Alltags auch mal genießen zu können, was für beeindruckende Schauspiele diese Welt bereithält, möchte ich nie verlernen.

Ich habe das Glück, in einer Gesellschaft geboren zu sein, die mir bezüglich erreichter Ziele nur wenige Grenzen auferelegt. Ich könnte weit mehr Wohlstand ansammeln, als ich mir gerade vorstellen kann. Geld, Macht, alles nur eine Frage der Hartnäckigkeit, der Skrupellosigkeit, ja, natürlich auch des Glücks. Aber egal ob ich Taxifahrer bleibe, ein paar gute Bücher schreibe oder einfach was ganz anderes mache: Die Möglichkeiten, Mondfinsternisse zu beobachten, bewegen sich in einem sehr engen Rahmen. Und ich bin sehr froh, zumindest diese eine mitgenommen zu haben.

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