Why privacy matters

In einem der scheinbar fast ausnahmslos sehenswerten TED-Talks hat Glenn Greenwald (Der Journalist, der viele der Snowden-Daten veröffentlicht hat) wunderbar erklärt, was an Massenüberwachung und der damit einhergehenden Abschaffung der Privatsphäre so schlimm ist. Wie die Überschrift schon vermuten lässt, ist das Video auf englisch, aber das ist wieder mal ein Beispiel für ein Video, für das es sich lohnt, seine Englisch-Kenntnisse zu strapazieren.

Um das nicht zu einem weiteren eher unbedeutenden Link werden zu lassen, möchte ich auch kurz ein paar Worte über Privatsphäre verlieren:

Ich bin seit geraumer Zeit sehr privat und öffentlich im Netz unterwegs. Nicht nur, dass ich trotz aller politischer Statements auch meine Privatadresse (schon aus rechtlichen Gründen) veröffentliche: Nein, ich schreibe auch hoch intime Details meines Lebens hier nieder. Fotos aus meiner Wohnung, Blogtexte über meine Beziehung, wie verträgt sich sowas bitte mit einem Recht auf Privatsphäre?

Nun, um es mal ganz anschaulich zu sagen: Ihr wisst von mir nur, was ich Euch zu sehen erlaube. Vielleicht erscheint es dem ein oder anderen dumm, dass ich über meine kaputten Zähne oder die Umstände meines ersten Treffens mit Ozie etwas schreibe – aber das liegt dann lediglich an einer anderen Gewichtung, welche Details des Lebens man selbst für schützenswert hält. Ich habe einfach nicht den Anspruch, von meinen Lesern als perfekt funktionierende Maschine wahrgenommen zu werden. Ich habe Fehler, ich mache welche und ich finde es als Person „in der Öffentlichkeit“ einfacher, über diese zu reden, als ein Abbild meinerselbst zu schaffen, bei dem ich immer aufpassen muss, ob sich mein reales Ich noch mit den Online-Texten verträgt. Das hat zum Teil seinen Ursprung tatsächlich alleine darin, dass ich gewisse Sachen öffentlich mache. Wie sollte ich zum Beispiel glaubhaft über die schlechte Bezahlung von Taxifahrern schreiben, ohne Zahlen zu veröffentlichen? Ja sicher, einige Kollegen machen das – was auch ok ist  – aber sie tun das auf Kosten der Transparenz und im schlimmsten Fall ihrer Glaubwürdigkeit. Ich habe da eine andere Entscheidung gefällt, aber das heißt nicht, dass mir das grundsätzliche Problem privater Daten in der Öffentlichkeit nicht bewusst wäre. Ich habe z.B. auch keine Abneigung gegenüber Menschen, die sich online besoffen in entwürdigenden Situationen präsentieren, mir wäre das hingegen zu peinlich. Obwohl ich betrunken echt niedlich bin, da könnt Ihr alle fragen!

Abgesehen von der politischen Brisanz staatlicher Überwachung (die Greenwald in seinem Beitrag ausreichend darlegt) ist auch die private Dimension nicht zu unterschätzen. Der Journalist hat in obigem Video gesagt, jenen, die meinten, nichts zu verbergen zu haben, vorgeschlagen zu haben, ihm doch einfach mal alle Passwörter für all ihre Mailkonten zu schicken. Damit er sich dort mal umsehen und – falls es ihm legitim erscheine – Teile der Mails veröffentlichen könne. Und ist es nicht glaubhaft, dass niemand das gemacht hat?

Ich selbst denke mir oft, dass meine Mails „eigentlich ja belanglos“ sind. Ach ja, irgendwann vor 9 Jahren hab ich Ozie erstmalig geschrieben, dass ich sie liebe – wayne?
Andererseits: WTF? Da hab ich auch Freunden Hilfe in schwierigen Situationen angeboten, mit Hinz und Kunz geflirtet, Dinge erzählt, die eben doch nur für diesen einen Empfänger bestimmt waren.

Und wenn wir von den Mails weggehen: Haben wir nicht alle mal aus Sensationsgier auf bild.de-Links geklickt, oder uns vielleicht gar mal irgendwo auf einer Pornoseite mehr als ein Bild angesehen und damit für findige Ermittler ein viel zu genaues Bild von unseren Präferenzen hinterlassen? Will ich wirklich, dass bei Bedarf ein Polizist rausfinden kann, dass ich mal Musikvideos von Schlagersängern angesehen habe, gegen die ich doch sonst immer wettere?
Und was uns allen eigentlich eher als Verschwörungstheorie erscheint, habe ich auf Umwegen schon erlebt:

„Sie hen‘ da ja naggiche Bilder druff!“

schrie der liebenswerte Polizist bei der Durchsuchung meines PC’s damals laut durch die WG; wohlwissend, dass meine Freundin und heutige Frau anwesend war. Na, bei wie vielen Lesern hätte sowas zu einer Beziehungskrise geführt? Und wenn NSA und co. einfach alles speichern, ist es ja erst einmal auch egal, ob es da um Downloads des letzten Jahres oder der letzten Woche geht.

Am Ende geht es ja auch nicht darum, ob man bei Facebook postet, dass man gerade diese oder jene Folge von „The walking dead“ ansieht. Sowas schreiben wir gerne mal und das ist ok für die meisten. Aber will man wirklich, dass ein ominöser Geheimdienstapparat im Hintergrund mitloggt, dass wir an unsere Freunde zeitgleich eine Nachricht senden, welchen Schauspieler wir scharf finden? Und dass das in Beziehung gesetzt wird zu einem vielleicht längst beigelegten Ehestreit von vor drei Tagen via Whatsapp?

Wie kann es bitte in Ordnung sein, dass all das abgespeichert wird? Ich veröffentliche mein Leben freiwillig und meine terroristischen Aktivitäten halten sich zumindest vorübergehend in engen Grenzen. Ich schreibe nur gerne und biete meinen Lesern bewusst einen (begrenzten) Einblick in mein Leben. Aber selbst ich würde mir wünschen, dass ich nach Abschluss dieses Textes einfach mal sorgenfrei bei Wikipedia Infos über Depressionen einholen, bei Amazon Gummibärchen kaufen und bei Youporn nach Videos von Frauen in Latex suchen könnte, ohne damit ein schwer verdächtiges Profil bei der NSA zu bekommen.

PS: Latex ist nicht wirklich der Fetisch meiner Wahl, aber wie gesagt: auch meine Transparenz hat Grenzen. 😉

6 Comments

Filed under Haushalt, Medien, Politik, Vermischtes

6 Responses to Why privacy matters

  1. da_miche

    Full ACK!
    Auch Bruce Schneier hat (schon 2006) ins gleiche Horn getutet: Link

    Diesen Text nehme ich immer gern als Grundlage gegen die „Ich hab doch nichts zu verbergen“- und „sei nicht so Paranoid“-Fraktion.

    Ganz unabhängig davon ist, wie Du schon sagst, die Tatsache dass man manche Informationen gerne mit anderen teilt.

  2. Carom

    Es kommt noch ein Aspekt zu der Sache, der beachtet werden muss: Erpressbarkeit.

    Ich erinnere, dass die NSA auch deshalb so gestopft sein soll, weil sie zu jedem amerikanischen Abgeordneten und Regierungsmitglied dessen ganz private Vorlieben kennt und im Zweifel damit auch mal kurz (oder länger) zaunpfahlwinkt. Und schon stehen die Herren stramm und winken die wildesten Etats und die kaputtesten Gesetze durch.

    Soll mir niemand erzählen, dass hierzulande solche Vorhaben nicht auch schon in den falschen Köpfen herumspuken oder sogar schon angewendet wurden. Erfahren würden wir es nur im Ausnahmefall, siehe Snowden.

  3. Wahlberliner

    Es gab vor einigen Monaten mal einen Text, da wurde erforscht, dass mit den heute erhältlichen Profiling-Methoden z.B. mit recht hoher Genauigkeit vorausgesagt werden könne, wann eine Beziehung enden würde – noch bevor es die Beteiligten selbst wussten!

    Wobei ich da wirklich finde, man sollte die ganze Überwachung in mindestens zwei (eigentlich drei) Teile unterteilen: Es gibt einerseits die staatliche, und dann die wirtschaftliche durch Unternehmen wie Google, Facebook, Microsoft etc. Bei der staatlichen gibt es dann die, deren Zweck den meisten noch in Ansätzen grundlegend erst mal legitim erscheint, nämlich die Paranoia eines Staates, Schaden von seinen Bürgern (bzw. dem darin herrschenden Status Quo, also eigentlich den Begüterten/Herrschenden, wie z.B. an Occupy zu erkennen war) abzuwehren. Und dann gibt es die Mitarbeiter solcher staatlicher Überwachungsbehörden und deren persönliche Neugier und Schnüffelei (Snowden hatte dazu wenn ich mich recht erinnere auch was erwähnt, dass das bei der NSA ganz normal wäre). Letzteres ist natürlich das absolute Problem, denn wenn alles mit rechten Dingen zuginge, wäre es gar nicht nötig, die Profile von allen und jedem zu speichern und auszuwerten.
    Bei der wirtschaftlichen Überwachung geht es vordergründig erst mal darum, Menschen in „Schubladen“ zu stecken, um sie besser als Konsumenten dazu überzeugen zu können, Geld für Dinge auszugeben, die sie eigentlich nicht unbedingt brauchen. Während diese Art von Profiling, auch durch Tracking etc., noch weitaus umfassender sein dürfte, als die staatliche Überwachung (zumindest umfassender, als das in Ansätzen theoretisch als legitim einschätzbare Maß derselbigen), so stelle ich mir doch die Frage, was mit diesen Daten noch gemacht wird. Viele benutzen gmail- oder hotmail-/Microsoft-Adressen, und (wohl auch bei yahoo) werden da ja nicht nur die Metadaten, sondern auch die Inhalte gescannt und ausgewertet. Irgendwie ist die Erklärung „für die Werbung“ dabei nicht ausreichend, aber zugleich fällt mir auch kein Grund ein, weshalb es ansonsten gemacht werden könnte.
    Das (leider realistische) Horrorszenario ist natürlich, dass Staat und Wirtschaftsunternehmen da gemeinsame Sache machen bei der Überwachung, obwohl es das Wirtschaftsunternehmen für seine Zwecke in diesem extremen Maß nicht braucht, und der Staat auch nur für illegitime oder direkt illegale Zwecke.

    Und dann soll man mal nicht zum Verschwörungstheoretiker werden, da ist es wirklich verdammt schwer, realistisch zu bleiben! 😉

  4. Wahlberliner

    Herrlich, nun hab ich den Talk angehört, der ist wirklich klasse. Vor allem am Ende hab ich laut gelacht! Einiges hätte ich dazu noch zu sagen (ist mir aber mittendrin auf Stichwort eingefallen und inzwischen wieder entfallen), doch das würde hier zu lang werden.

  5. Dabei ist Latex doch gar nicht transparent …

  6. elder taxidriver

    Weil oben ‚Fehler‘ angesprochen werden, hier zwei vielleicht doch ganz schöne Sätze dazu :

    ‚In der Nähe der Fehler liegen die Wirkungen‘. (Brecht)

    ‚Notwendige Fehler sind solche, die jeder andere würde vermieden haben‘. (Lessing)

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