Wenn Dummheit wehtut

Die meisten wissen, dass ich kein Freund von Verschwörungstheorien bin. Wobei ich nichts gegen neue Gedanken hab oder dagegen, sich nicht nur bei der Tagesschau zu informieren. Und wie nicht zuletzt Edward Snowden aufgezeigt hat, ist an der ein oder anderen Theorie ja auch was dran. Dumm wird es in dem Moment, indem das (nach logischen Gesichtspunkten) einzige Argument FÜR eine Theorie das ist, dass man sie NICHT beweisen kann. Denn damit ist alles und gleichzeitig nichts möglich und es gibt keinen plausiblen Denkansatz für diese Szenarien.
Dass ich beispielsweise der eigentliche Herrscher über die Welt bin, dabei mit Amphibien aus einer fernen Galaxie zusammenarbeite und nur aus Tarnungsgründen Taxi fahre, bzw. damit ich ausgewählten Fahrgästen das Gehirn aussaugen kann, um selbst am Leben zu bleiben, weil ich zudem ein Mutant bin; das lässt sich auch schwer widerlegen.
Noch schlimmer wird es da, wo man Beweise gefunden hat, diese aber von den entsprechenden Anhängern gnadenlos ignoriert werden, weil sie nicht ins Weltbild passen. Da wäre die Mondlandung ein gutes Beispiel. Wie ich immer gesagt hab: Politisch fände ich’s ja durchaus reizvoll, wenn sich die als Fake herausstellen würde – aber es gibt schlicht kein einziges nicht manipuliertes Anzeichen, dass dem so sein könnte.

Auf ähnlich verlorenem Posten stehen die „Reichsbürger“ hier in Deutschland, die durch meist ins pathologisch reichende Unwissenheit jeden ihrer Denkfehler als Beweis für ihre krude Theorie sehen. (Die Theorie ist übrigens, dass die BRD kein souveräner Staat ist und wir alle von den Alliierten unterdrückt werden. Und den Juden, je nach Auslegung und weiterer Krankengeschichte der Vertreter)

Obwohl die „Reichis“ wirklich ein wahnsinnig spannendes Beispiel für Anhänger von Verschwörungstheorien der obersten Absurdheitsklasse sind, will ich mich eigentlich nicht mit dem Inhalt beschäftigen. Das kostet zu viel Zeit und es wurde von anderer Seite schon viel besser gemacht. Zum einen gibt es die KRR-FAQ, zum anderen das kostenlose eBook „Vorwärts in die Vergangenheit!“ (Link direkt zum PDF), wo man zu wirklich jedem der (Spoiler!) sich widersprechenden Argumente Antworten findet, die auch Quellennachweise bieten. Einen großen Dank an die Macher, ganz im Ernst!
Nein, was mindestens ebenso spannend wie die für normale Menschen nur belustigende Theorie ist, ist das (Nicht-)Argumentationsmuster, das „Eisenfraß“, ebenfalls einer der fleißigen Aufklärer, seit einiger Zeit veranschaulicht. In einem inzwischen zur Serie gewordenen Blogeintrag „Emailverkehr mit einer Antisemitin“ (Link zu Teil 1) lässt er die Welt teilhaben an seinem Mailaustausch mit einer Dame, die offensichtlich schon unrettbar verloren ist in den Wirrungen dieser fraglos dämlichen Ideologie, hier auch angereichert mit Antisemitismus.

Selbst ich, der ich nicht zuletzt dank eigener Erfahrungen inzwischen einige Kenntnis von der Materie hab (und ich hab nur wie die Reichis mir empfohlen haben gegoogelt …), habe es nicht geschafft, die ellenlangen Traktate komplett zu lesen. Und das eben genau nicht der Länge wegen. Sondern weil es so unfassbar ist, mit wieviel Ahnungslosigkeit Menschen noch in der Lage sind, eine Tastatur halbwegs treffsicher zu bedienen. Dieses völlige Fehlen von Logik, Selbstreflexion und eventuell sogar Intelligenz macht einen einfach fertig. Vollumfänglich. Auf der anderen Seite ist es auch ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wann es Sinn macht, eine Diskussion abzubrechen. Eisenfraß zieht es bisher (Teil 7) durch, ich hätte diese Energie nicht. Aber genau deswegen sage ich danke, denn selbstentlarvender präsentieren sich Verschwörungstheoretiker sonst allenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vielleicht kann man aus dieser in jeder Hinsicht furchterregenden Diskussion auch etwas lernen.

Ich immerhin habe eines gelernt: Sehr glücklich zu sein mit den Lesern, die ich habe …

8 Comments

Filed under Medien, Politik, Vermischtes

8 Responses to Wenn Dummheit wehtut

  1. Kaffchris

    nun, Snowden scheint da ja auch nich so ganz zu fremdeln, mit der Materie:

    „Ein weiterer Anhänger von Ron Paul war übrigens Edward Snowden, dessen Ideologie in Deutschland noch nicht ansatzweise hinterfragt wurde.“

    http://www.publikative.org/2014/10/12/der-absturz-des-xavier-naidoo/

    bzw.

    http://www.huffingtonpost.com/2013/06/10/edward-snowden-ron-paul_n_3414992.html

  2. hartmut

    Teil 7 schon? Respekt!

    Ich hab Teil 1-4 gelesehen, #5 ab der Hälfte nur noch überflogen und #6 nur noch diagonal überflogen. Die „Handlungsstränge“ waren ja auf beiden Seiten schon unentwirrbar durcheinandergeraten …

    Bestes Beispiel für „Die Menge an Energie die nötig ist um Unfug ordentlich zu widerlegen ist ein zehnfaches höher als die die nötig ist um ihn zu produzieren“ 🙁

  3. hartmut

    Ich hab ja auch mal (ich glaube fast zwei Wochen lang hab ich durchgehalten) versucht in der Wahnwichtel-Facebookgruppe „Mahnwache Bielefeld“ den „advocatus diaboli“ zu geben …

    Leider weiß ich nicht mehr wer mir da zB. die Geschichte von „Strafzettel bezahle ich nicht, zwischen der Stadt und mit ist ja kein handelsrechtlicher Vertrag zustande gekommen (und Briefe von denen mache ich garnicht mehr auf)“ erzählt hat … da wäre es jetzt ca. drei Monate später durchaus mal interessant ein Followup zu bekommen ob die Stadt das tatsächlich auch immer noch so sieht oder nicht vllt doch mal ein paar Eskalationsgänge höher geschaltet hat …

    Oder schön war auch der Beitrag „Ukrainische Armee bombadiert Ostukrainisches Dorf“ mit einem Foto wo man schonmal auf Anhieb denkt: „oh, das ist aber ein großes Dorf … und ich wusste garnicht das die Ukrainer auch so auf Schachbrett-Bebauung stehen … und warum brennt es denn da nur an einer Stelle?“ … eine kurze Google-Imagesuche später stellt sich heraus: es ist ein Foto von einem Zugunglück in Kanada vor ein paar Jahren: http://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Lac-M%C3%A9gantic

    Besonders bitter in dem konkreten Fall: dieser Beitrag wurde geteilt von einer ehem. Lokaljournalistin, und Schwester eines ehem. Schulfreundes, die grad vorher „traut nicht den Medien, hinterfragt!“ getönt hatte, und obwohl sie auf andere Beiträge von mir durchaus reagiert hat (wir hatten zB eine „nette Diskussion“ über die „Deutchen Wirtschaftsnachrichten“) in diesem Fall durch komplettes Schweigen glänzte …

    Kurz danach kamen dann auch noch die üblichen Verdächtigen mit „Die FED ist eine Privatbank unter Kontrolle der Rotschilds“, „Chemtrails“, „Echsenmenschen“, und „Die gesamten gleichgeschalteten Westmedien lügen! … ja, doch, alle nötigen Belege findest Du auf RussiaToday!!!!11!elf“

    Eigentlich war ja mein Ziel zu schauen wie lange es dauert der Gruppe verwiesen zu werden, aber ich hab dann doch freiwillig aufgegeben …

  4. Wahlberliner

    Also, wenn ich Verschwörer wäre, wären mir solche Verschwörungstheoretiker wirklich die liebsten. Die lassen sich mit einer minimalen Menge an Wahrem „anfüttern“, und dann mit einer riesigen Masse an Bullshit komplett in die falsche Richtung delegieren… 😉

  5. Mic ha

    Es gibt mittlerweile ziemlich viele, die nicht nur als Reichi, sondern allen möglichen Theorien Verschwörungen nachhängen. Und ich habe das Gefühl es werden mehr.
    Die Sache ist ja auch die, manche der Verwirrten mag man persönlich, die haben was abgekriegt und kommen mit welcher Last auch immer nicht mehr klar. Bei den Gesprächen, die ich da schon führen durfte, wurde mir immer klar, dass solche Theorien sich v.a. dafür eignen, die eigene Schuld am „Versagen“ wegzuschieben und es einem großen Ganzen in die Verantwortung zu stellen.
    Die Juden, Amis, der Staat allgemein: Alle stecken sie hinter diesem bösen, bösen Leben.
    Aber man mag eben welche derer wirklich. Und ihnen dann zu helfen, indem man ihre Theorien versucht zu pulverisieren, ist nicht nur echt schwierig (Gesetzestexte falsch ausgelegt, Detailfragen falsch interpretiert; einfach Dinge, die man selbst nicht parat und nicht Stunden im Netz für rechechiert hat oder das will), es hilft auch denen nicht wirklich. Die Wurzel dieses „Glaubens“ ist meiner Meinung nach eine andere und individuell von Theoretiker zu Theoretiker gestaltet.
    Ich habe da in Gesprächen schon Leute zittern sehen und kaum ein Wort mehr rausbringend, wenn man diesen üblen Turm zu wanken gebracht hatte. Obs sich lohnt?

  6. @Kaffchris:
    Puh, da haste mich kalt erwischt und ich muss mich da erst einmal einlesen. Aber danke für die Links, Ron Paul hab ich noch nicht einmal namentlich im Kopf gehabt.

    @hartmut:
    Die Geduld ist auch schwer aufzubringen. Sicher, auch ich hab schon mal hier und da Kommentare gepostet, wenn es mir wirklich am Herzen lag – aber wenn ich z.B. an oben verlinkte Diskussion im Taxi denke: Da war nach kaum ein paar Minuten bei mir die Luft raus. Menschen von einem Wahn zu befreien ist offenbar keine meiner Kernkompetenzen … aber vermutlich gibt es deswegen Fachpersonal und Medikamente für sowas …

    @Wahlberliner:
    Das ist wohl war. Derart formbare Menschen mal zu sammeln ist auch fast schon wieder Kunst … 😉

    @Mic ha:
    Natürlich zielen die erfolgreichen Verschwörungstheorien fast alle auf Leute ab, die irgendeinem Druck nicht standhalten. Vermutlich wie bei den meisten psychischen Erkrankungen ist dieses Gefühl (mir ist der Fachbegriff gerade entfallen), dass man sein Leben selbst gestalten und bestimmen kann, auch bei Verschwörungstheoretikern allerhöchstens schwach ausgeprägt. Und der „Makel“, trotz allen Wollens irgendwelche Kriterien der Gesellschaft oder der eigenen Ansprüche nicht zu erfüllen, macht einen halt empfänglich für – vereinfacht gesagt – Entschuldigungen und Rechtfertigungen.
    Das ist fraglos schlimm, weil sich die Zahl der Betroffenen somit vervielfacht – auf der anderen Seite liegt da vielleicht eine vergleichsweise einfache Lösung des Problems: wenn es möglich ist, Menschen das Gefühl zurückzugeben, dass sie selbst zumindest ein gewisses Maß an Kontrolle (und sei es nur über sich selbst) haben, dann schwächt das Verschwörungstheorien empfindlich. Mal ganz davon abgesehen, dass es den Menschen ohnehin besser gehen wird.

  7. Mic ha

    Meinst du, dass ist was sie wirklich wollen? Ich glaube, dass es in unserer Gefühlswelt einen Schalter gibt, der umkippt, wenn wir mit solcher Hilflosigkeit konfrontiert sind. Der dafür sorgt, dass wir immer noch „funktionieren“, um zumindest unter die Leute zu gehen und andere, geringere Probleme unseres Lebens zu behandeln. Verdrängung vielleicht, oder aber eine Art von Traumata, der wir alleine nicht Herr werden (würden).
    Ich habe oft erlebt, dass wenn jene Verschwörungstheoretiker bloßgestellt sind, v.a. was anderes an die Decke gespült wird, dann spült sich neben den Beleidigungen, dem Frust, die Angst an Gewahrzusein, dass man ein riesen Problem hat.
    So meine Beobachtungen. Aber die Theorien zu ignorieren ist brutal gefährlich. Nicht nur ein Bekannter/Freund hat „alleingelassen“ keinen anderen Ausweg gefunden als alles zu beenden.
    Echt schwierig und wohl nicht nur behandelbar, indem man die Theorien entwirrt.

  8. @Mic ha:
    Ich meinte jetzt auch kein „Dutzi-dutzi, dir geht’s doch ganz gut!“, sondern eine Therapie. Leider ist es dazu wohl unabdinglich, dass die Leute das auch wollen.
    Darüber hinaus führt wohl nichts daran vorbei, die Theorien bloßzustellen und für „Neue“ gar nicht erst interessant zu machen.

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