„Gepanzerte Bullen“

Diesen Eintrag schreibe ich wegen einer kleinen Begebenheit, ja eigentlich nur wegen eines Tweets. Nachdem ich heute Morgen in einem Gespräch bei Twitter die Hausdurchsuchung angesprochen hab, ist der Text zum Thema wohl ein paar Mal gelesen worden. Ein paar und ein halbes Mal offenbar, denn es kam noch dieser Tweet von twilightDD:

Das hier schreibe ich jetzt, weil ich das einerseits natürlich schade finde, es auf der anderen Seite verstehen kann. Ich nehme an, jeder hat so Worte und Sätze, die einen mit den Augen rollen und glauben lassen, dass man es mit einem Idioten zu tun hat. Ich erwarte beispielsweise keine sinnvollen Beiträge auf „Weltnetzseiten“ oder fahre nach dem Lesen von Worten wie „ganzheitlich“ oder „feinstofflich“ allenfalls noch zur eigenen Belustigung fort.

Und dass „Bullen“ eine Beleidigung ist, die gerne von allerlei Hohlbirnen verwendet wird, steht außer Frage. Dazu das effekthascherische „gepanzert“, was sicher technisch nicht korrekt ist. Schon klar, dass man darauf anspringen kann.

Ich werde das aber nicht ändern. Und das hat Gründe.

Die beiden Polizeibeamten, die da im Flur standen, waren in diesem Moment nicht „Freunde und Helfer“, sie waren schlichtweg Gegner. Sie waren da, um die Drohkulisse aufrecht zu erhalten, die es ihren Kollegen in Zivil und Uniform ermöglicht hat, in meiner Unterwäsche und in meinem PC rumzuschnüffeln, um mir nachzuweisen, dass ich zu Unrecht Beweismaterial vor ihnen verstecke. Sie und ihre Kollegen haben sich lustig gemacht über mein Privatleben, meinen Lebensstil und darüber, dass uns eine scheißteure Waschmaschine am Verrecken war, die wir aus Geldmangel nicht hätten ersetzen können. Darüber hinaus waren sie bewaffnet und sind mir in meiner eigenen Wohnung im Weg gestanden. Ich gehe mit dem Wort Bullen auch in besagtem Text sparsam um, in dem Fall handelte es sich aber meiner Meinung nach einfach nur um ebensolche, auch wenn es weh tut.
Dem habe ich sprachlich Rechnung getragen.

Ich weiß um die Macht der Worte Bescheid, ich schreibe schließlich recht viel und ich lese auch viel. Ich hab auch so einiges erlebt. In dem Zusammenhang fällt mir komischerweise auch ein Polizeibeamter ein. Dem stand ich bei einer Demonstration irgendwie im Weg. Jetzt nicht blockademäßig, er wollte einfach irgendwo durch, wo ich zufällig stand. Seine freundliche Bitte lautete wortwörtlich:

„Beweg Dich, Du fettes Stück Scheiße!“

Ich glaube, ich hab noch ein paar „Bullen“ gut bei dem Verein …

PS: Ja, ich sehe mich weit links und ich war schon auf einigen Demos. Aber ich bin weder Terrorist, noch Straßenkämpfer oder ähnliches. Ich hab die Polizei nie bedroht, angegriffen oder verletzt. Einzig gelegentliche kollektive „Haut ab!“-Rufe könnten gegen mich sprechen. Ganz unbegründet waren die aber nicht.
Alle Cops, mit denen ich persönlich zu tun hatte oder habe, kennen mich entweder als netten Kerl oder wenigstens fairen Gegner. 😉
Was ich im Gegenzug alles an Beleidigungen, Angriffen und Körperverletzungen einfach einzustecken hatte, weil ich halt auf der falschen Seite stand …

10 Comments

Filed under Medien, Politik, Vermischtes

10 Responses to „Gepanzerte Bullen“

  1. Peter

    Nabend Sascha,

    ich bin mal so frei und nutze Dein Blog für eine Antwort – Twitter ist eben doch zu kompakt.

    Und trotz dieser Kompaktheit nutze ich Twitter nicht, um einem „Idioten“ zu antworten. Will heißen: Deine Vermutung, ich würde aufgrund der Wortwahl einen Idioten in Dir sehen, stimmt nicht. Meine Aversion gegen die Bezeichnung „Bullen“ liegt eher in (zu viel) Demoerfahrung begründet. Irgendwann wurde es mir zu viel, die „humanistische“ Seite mit ihren (Hass)Tiraden zu erleben. Da bildete sich bei mir eine Triggerschwelle heraus, bei deren Übertritt ich Lesen/Zuhören einstelle. It’s that simple.

    Was mir persönlich immer Weh tut ist, dass Menschen die sich – oft zu Recht – über ihre persönlichen Erfahrungen beschweren wollen, das mit Buzzwords aus einer Ecke tun, die sie selbst auf in keinem besseren Licht erscheinen lassen, als die über die sie sich beschweren. Wer die Pol als „Bullen“ bezeichnet, entmenschlicht in dem selben Maße, wie er entmenschlicht wurde. Langfristig führt das Nutzen dieser Herablassungen nahezu zwangsläufig zu Aggression und Gewalt (vgl. zwei von Autonomen zusammengeschlagene Pol im Feb 2013 in Dresden) und das unter dem Deckmäntelchen „ich bin doch der Gute“.

    Fazit:
    „Und wieder nichts erreicht und wieder nichts bewegt
    und wieder ist die Welt ein wenig kälter“ (‚Feige Helden‘)

    Also in diesem Sinne – beste Grüße
    Peter

    PS: Ich versteh die Pol schon ganz gut, dass sie auf Veranstaltungen mit einem gewissen Aufregungspotential (Demos, Fußballspiele, Volksfeste) nicht immer die Freundlichen raushängen lassen wollen. In diesem Zusammenhang empfehle ich ganz aktuell Wrint 192 „Anruf beim Kommissar“ http://www.wrint.de/2013/07/12/wr192-anruf-beim-kommissar/ In einem Abschnitt wird durch Andi auch ganz passend die Strategie der Pol bei Hausdurchsuchungen beschrieben. Hilft Dir nicht viel, das ist mir klar …

  2. @Peter:
    Danke für den ausführlichen Kommentar. Die Wortwahl bei „Idiot“ war ähnlich zugespitzt, den Punkt dachte ich mir schon, im engeren Sinne ad acta legen zu können.
    Diese Triggerschwelle kenne ich – wie beschrieben – auch ganz gut. Funktioniert bei mir übrigens auch im „eigenen Lager“, wenn man es ganz weit auslegt. Das Wort „Arbeiterklasse“ kann ich auch nicht mehr hören …

    So gesehen ist es aber schwierig. Denn wenn jeder seine eigenen Buzzwords hat, sind die vom Gegenüber nur schwer zu erahnen. Ich hab beispielsweise nur in diesem einen Satz (oder vielleicht noch ein zweiter) das Wort „Bullen“ verwendet. Und das aus dem Grund, den Du ansprichst. Ich meine, ich versuche, meine Emotionen bei dieser Geschichte anders auszudrücken als über Flüche oder gar Szenevokabular. Ich hab kein „Drecks-“ davorgesetzt, hab an der Stelle den gruseligen schon öfter aufgeschnappten „Robocop“ nicht verwendet, diese Geschichten.
    Ich hab in dem Text nicht einmal von Repression geschrieben, es überhaupt eher möglichst lustig darzustellen versucht. Eben, um mal nicht nur die eigene Filterbubble zu bedienen, die, die sowieso meiner Meinung sind.
    Damit bin ich in deinem Fall dank der Vokabel „Bullen“ nicht weit gekommen. Ja, hmm. Doof. Hätte ich aber ehrlich gesagt nicht vermutet, so wenig, wie dich der Rest des Textes zu stören schien. Denn, ob nun nett oder nicht, der Begriff „Bullen“ ist ja nun wirklich weit verbreitet und nicht auf irgendwelche Subkulturen begrenzt. Ich glaube, die meisten meiner Kollegen verwenden es schon wegen Verkehrskontrollen …

    Und zur Beleidigung an und für sich: Natürlich entmenschlicht der Gebrauch eines Tiernamens. Ich möchte in diesem Fall aber nachschieben: in gewisser Weise. Denn ich glaube tatsächlich, dass sich dieses Wort speziell tatsächlich schon so weit verselbständigt hat, dass der Rückschluss auf die Tiere nur in eng begrenzt und mit zusätzlicher Information versehen genutzt wird. Das Wort „Bullen“ alleine im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz wird von den meisten wahrscheinlich einfach als schmähendes Synonym wahrgenommen. Und in dieser Form verwende ich es selbst auch, weswegen ich das in dem Fall noch nicht als die von Dir kritisierte Entmenschlichung bezeichnen würde.

    (Das Thema wäre dann im weiteren Zusammenhang ja tatsächlich noch viel komplexer in Anbetracht der Frage, ob man z.B. zwischen Mensch und Amt unterscheidet, etc. pp.
    Da muss ich ab einer gewissen Diskussionstiefe sicher auch die Flügel streichen.)

    Ich bin kein Freund der Auge-um-Auge-Geschichte, insofern kann ich deine Kritik im Großen und Ganzen gutheißen.
    Auf der anderen Seite möchte ich generell die Frage aufwerfen: Wenn das Wort „Bullen“ schon daneben ist, was sind meine Mittel?
    Ich meine, davon ausgehend, dass ich mich mit der Polizei ganz offensichtlich in einer Art Auseinandersetzung befunden habe. Ich meine, ich schaffe gewissermaßen eine Art Öffentlichkeit – meine Art, das Ganze aufzuarbeiten. Ist es dann sinnvoll, mir die Definitionshoheit über die Worte nehmen zu lassen?
    Natürlich ist pures Rumranten dumm und öde zu lesen, ich hoffe aber, diesem Klischee entspricht der besagte Artikel nicht. Aber es liegt natürlich in meinem Interesse, den Spieß umzudrehen und die Gewalt, die mir widerfahren ist und die mir zuwiderhandelnden Personen lächerlich zu machen. Ich hab schon eingestanden, dass ich nicht deren Unterwäsch durchwühlen und deren Frauen ihre Pornos zeigen kann. Ich hab das Spiel auf die verbale Ebene gebracht und spiele dort nach meinen Regeln.

    Viel erreicht man mit dem Spiel nicht, das ist klar. Aber man sieht’s in letzter Zeit ja immer wieder, dass Öffentlichkeit hilft. Sicher gibt es diese Negativspirale. Und in dem Fall hoffe ich, dass sich die Sache mit meinem Eintrag im Grunde auch erledigt hat. Allzu viel Grund für die Polizei, erneut einzuschreiten, gibt er meiner Meinung nach zumindest nicht her. 😉
    Die Alternative wäre doch aber auch nur, alles zu schlucken, oder? Und glaub mir, das hab ich in vielen – vermutlich zu vielen – Fällen ohnehin getan. Gezwungenermaßen.
    Ich bin jetzt zu faul, mir auch noch ein Dritte-Wahl-Zitat rauszusuchen, das meinen Standpunkt unterstreicht, das ist hoffentlich ok. Guter Schachzug aber. 😉

    Gleichfalls beste Grüße!

  3. Peter

    Zur fortgeschrittenen Stunde nur ne kleine Antwort zur ‚Definitionshoheit über die Worte‘ (schöne Formulierung, nebenbei bemerkt): „Antifanten“ ist ein Wort, dass in der linken Szene (nachvollziehbar) einen gewissen Reflex auslöst. Versuch Dir nur kurz Vorzustellen, Dich bezeichnet einer als „Antifant“ um Dir seine Ablehnung Deiner (hypothetischen) politischen Meinung kund zu tun. Den würdest Du sicherlich unter die Rubrik „Idiot“ einparken. Ich könnte da jetzt noch etwas weiter ausholen (wieso sagt man ‚Mensch mit schwarzer Hautfarbe‘ aber nicht ‚Mensch mit jüdischem Glauben‘?), aber das ist hier weder der Rahmen noch die Zeit 😉

    Abschluss: Ich finde die Bezeichnungen ‚Fant‘ und ‚Antinase‘ sehr unterhaltsam, wenngleich ich sie nicht benutze. Bin ich zu nett zu …

    Na denne – Gute Nacht
    Peter

  4. Antara

    Da fällt mir die Geschichte von Stadtmenschen auf der Landstraße ein.
    Der die Warnung einen Einheimischen, „Sie könnte hier nicht weiterfahren, da sind Bullen auf der Straße.“
    Mit, „Wieso? ich habe doch nix getrunken“, beantwortet und sehr schnell umdrehte als sich die Bullen als Stiere entpuppten…

    So viel nur zur Verbreitung der Bezeichnung.

  5. bowser

    ich würde hier mal „der letzte bulle“ sowie einige polizisten die sich selber als „bullen“ bezeichnen anführen…
    die bezeichnung ist meiner meinung nach immer weiter „vergesellschaftet“ worden, für mich eigentlich keine beleidigung und nicht szenespezifisch… ewiges thema, für mich tuts „cops“, „bulle“ z.t. schon eher verniedlichend, polizisten wenn sie echt was getan haben und ein „herr polizist“ hat fast mehr zynisches,abwertendes potential.
    ist ne sache des umstandes, in meinen augen und in sashs text fand ichs absoult angebracht.

  6. bowser

    „was positives getan haben“ wort vergessen

  7. Patrick

    wenn ich mich nicht irre war bulle früher keine beleidigung sonder ein klompliment, weil die polizisten so groß und kräftig waren wie bullen. anders herum hat es sich mit dem wort zecke verhalten, früher wurden punks als zecken beschimmpft, heute nennen sie sich selbst zecken. bulle ist meiner meinung nach auch nicht wirklich mehr eine beleidigung, es ist nur sehr leicht negativ bewertet, ähnlich wie beim beruf : Gas, Wasser, Scheiße( ich weiß garnicht wie der richtig heißt).

  8. @Peter:
    Ich suche ja aber auch nicht etwa Zustimmung bei der GdP oder den beteiligten Beamten.
    Dein Beispiel mit den Antifanten war schon ok, leider mit einer kleinen Schwäche bezüglich der Außenwahrnehmung:
    Der Begriff „Bullen“ ist gesellschaftlich recht weit verbreitet – siehe nachfolgende Kommentare. Ich hab aber auch von einem Bereitschaftspolizisten im Taxi selbst mal gehört, er sei Bulle. Will heißen: Es existiert doch schon deutlich außerhalb des eher umgrenzten Bereichs von Leuten, der die Polizei als Ganzes ablehnt. Leute, die mal Ärger hatten mit der Polizei, Vorurteile über sie. Was bei einer Gruppe mit derart hoher Präsenz, Bekanntheit und zudem Konfliktpotenzial mit dem Leben einzelner eine ziemlich große Gesellschaftsgruppe einschließt.
    Soweit mir bekannt, trifft das auf Antifanten weniger zu, weil es an sich ja den Standpunkt des Antifaschismus selbst lächerlich macht, per se also eigentlich nur von Faschismusbefürwortern ernsthaft verwendet werden kann. Denn außer Faschisten hat mit Antifanten keiner ein Problem. Vielleicht wäre da das Wort „Chaoten“ besser als Vergleich – das unterstellt einer meist heterogenen Truppe linker Aktivisten, sich kollektiv danebenzubenehmen.
    Um es vorweg zu nehmen: Ja, das hat meiner Ansicht nach ein gewisses „G’schmäckle“ – als großes Kriterium kann es in meinen Augen aber nicht herhalten. Es zeigt mir vielleicht, dass der Verfasser einer anderen politischen oder sozialen Richtung zugehörig ist, aber das sind Verallgemeinerungen, die gang und gäbe sind und die ich eben aus meinem Sprachgebrauch und dem von anderen auch kenne.

    @Antara:
    Fail! 😉

    @bowser:
    Danke.

    @Patrick:
    OK, das wusste ich jetzt nicht. Hast Du da zufällig irgendwelche Quellen oder so?

  9. Patrick

    ich hab mich geirrt, bulle steht nicht für stark sondern für klug, ich wusste noch das es was positives war aber nicht mehr was. Quelle:
    http://www.polizeihistorischesammlung-paul.de/wissenswertes/bullen.htm

  10. @Patrick:
    Oh, cool! Danke! 🙂

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