TV-Duell

Merkel und Steinbrück haben sich gestern Abend ein bisschen öffentlichkeitswirksam gegenseitig angezickt. Im Großen und Ganzen gibt es zwar kaum was ermüdenderes als zwei Berufspolitikern anderthalb Stunden beim Reden zuzuhören, ganz ergebnislos war es aber nicht. Gut, wenn es um Inhalte geht, möchte ich mit diesem Satz nicht zitiert werden – die Sendung hat allerdings auf andere Weise ein faszinierendes bis erschreckendes Licht auf die Politik in diesem Land geworfen.

Das Format des Ganzen ist schon einmal die eine Sache. Der Wert eines solchen Schlagabtausches ist umstritten, dennoch gilt es inzwischen als das Großereignis. Dieses Jahr mehr denn je, denn ansonsten ist ja nicht viel mit Wahlkampf (was ich im Übrigen nicht negativ finde). Im Grunde saßen da gestern zwei hochdekorierte Schauspieler, die ein bisschen mit ihren politischen Ansichten, mehr aber noch mit der Art wie sie wirken, Wähler gewinnen sollten. Dass dieses Duell etwa so viel mit Realpolitik gemein hat wie ein Wahlplakat, sollte einem eigentlich bewusst sein.

Darüber hinaus ist die Überdramatisierung mit all den begleitenden Sonder- und Extrasendungen auf mehreren TV-Kanälen und die Überfrachtung des Ganzen mit 4 Moderatoren quasi der Inbegriff von Event-Politik. Moderatoren im Übrigen, die ein Bild abgegeben haben, das ich schneller wieder vergessen will wie die auf „Sie kennen mich“ eingedampfte Botschaft von Angela Merkel im Schlussappell: Ein Zombie-Kloeppel in der linken Ecke, der die erste Stunde im Wachkoma verbracht hat, eine Maybritt Illner, deren ca. 7 einzige Sätze klangen, als hätte sie einen über den Durst getrunken und die allenfalls als unauffällig zu bezeichnende Anne Will. Raab hat als einziger die Erwartungen übererfüllt – was aber vor allem daran lag, dass er ja im Vorfeld schon als Sittenverfall in Person galt. Einen „King of Kotelett“ hätte es vielleicht nicht gebraucht, aber ansonsten hätten 4 Raabs der Sendung eher genutzt als geschadet.

Die Themenauswahl kann man vertretbar finden, die Antworten der Kandidaten waren es natürlich nur sehr eingeschränkt. Dass haufenweise Wahlkampfversprechen gemacht wurden, sei es drum. Dass aber locker 50% der Zeit für blödeste Floskeln und dreifache Wiederholungen draufgegangen sind, ist echt bitter. Insbesondere – und da hat meine Verstörung gestern eindeutig ihren Höhepunkt erreicht – weil im Nachhinein auf allen Kanälen gerügt wurde, wie kompliziert sich Merkel und Steinbrück ausgedrückt hätten.

Sind wir echt schon so weit?

Ich will nicht behaupten, dass ich z.B. bezüglich Eurokrise und Pflegereformen so gut informiert bin, dass ich sofort alle gemachten Aussagen hätte verifizieren können. Aber mal im Ernst: Das war doch nicht unverständlich! Dass Frau Merkel ungerne Fragen beantwortet – das ist unverständlich. Das Herr Steinbrück überhaupt Kandidat ist – das ist unverständlich. Aber das Gelaber, das die beiden da zur Prime-Time im Fernsehen abgesondert haben, das ist Sendung-mit-der-Maus-Niveau gewesen. Wenn die Vorwürfe ernst gemeint waren, dass das für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung zu kompliziert war, dann will ich nur hoffen, dass die meisten Wähler am 22.9. ihre Spickzettel mit zur Wahlkabine nehmen, damit sie nicht SPD und NPD verwechseln, weil die Buchstaben so ähnlich sind. Was existieren denn hierzulande bitte für Vorstellungen, wie Politik funktioniert? Da wundert es ja keinen, wenn ein Rudel Vollpfosten die AfD wählt, weil deren Wahlprogramm so schön kurz ist.

Was bleibt?

Angela Merkel glaubt der NSA, dass sie uns nicht überwacht, Peer Steinbrück glaubt, dass er Deutschland umsonst und ohne Mühe sozial gerecht kriegt. Raab will deswegen eine große Koalition, die restlichen Moderatoren wollen Feierabend. Nach der Wahl werden wir von entweder der einen oder der anderen Gurke regiert und der Hälfte der Zuschauer glaubt, das wäre schon die Werbepause.

Na dann ist ja alles gut!

12 Comments

Filed under Medien, Politik

12 Responses to TV-Duell

  1. kat

    Jetzt hast du aber die „Maus“ beleidigt. ..;-)

  2. @kat:
    Naja, vielleicht ein Bisschen. Auf der anderen Seite ist es doch unstrittig, dass die Sendung mit der Maus für Kindersendungen ein recht hohes Niveau hat, oder?

  3. Moin, Sash,

    inhaltlich war meine Erwartungshaltung an das TV-Duell gleich null – und diese Erwartung wurde voll erfüllt. 😉 Erschreckend war einmal mehr Angies Ahnungslosigkeit (ob echt oder gespielt vermag ich nicht zu beurteilen) zu Datenschutz, Internet, Prism-Affäre, etc. – #Neuland halt. Erbärmlich! Steinbrück kam deutlich sozialer rüber, ohne jedoch klar zu benennen, wie er seine Wohltaten finanzieren möchte. Insgesamt also im Wesentlichen nichts Neues.

    Bei den Moderaten bin ich anderere Meinung als Du. Gut, Illner und Will waren farblos (wie meistens), aber Kloeppel war meines Erachtes der einzig fähige Moderator. Er ließ die Diskutanten auch mal reden, ohne dauernd dazwischenzuquatschen (was alle anderen Taten). Raab erfüllte meine Erwartungen, aber die waren auch sehr niedrig. Schnoddrig, respektlos, TV-total-mäßig halt. Das war dem Ernst des Themas absolut nicht angemessen. Der Typ wird nie ein echter Polittalker werden und sollte lieber weiter geistige Tiefdruckgebiete wie TV Total moderieren.

    Hat mir persönlich das Duell was gebracht? Nein! Mag vielleicht auch daran liegen, daß von den drei Parteien, die für mich in Frage kommen, nur eine dabei war. 😉 Aber letztlich wäre ein solches Duell auch kaum ausreichend, eine Wahlentscheidung herbeizuführen. Ich werde die nächsten drei Wochen auf jeden Fall noch Wahlprogramme lesen und dann am Wahltag danach (und ggf. ein klein wenig taktisch) wählen.

  4. hrurururur

    Ich hab mir lieber Promi Shopping Queen gegeben. Informationswert war gleich, aber der Unterhaltungswert war deutlich höher. Der Vox-Guido ist unendlich mal besser als der Politik-Guido(auch wenn der ja mal wieder nicht mitspielen durfte). GMK for Kanzler!

    Für die Wahl finde ich den Wahlomaten ganz schön. Da ist so herrlich klar abgebildet welche Partei für was ist. Bzw dagegen. Oder die „ich mag Kekse“-Variante. Ganz übersichtlich als pdf 38 Themen und 28 von 29 Parteien. Ohne Geschwafel und Versprechen. Nur Häkchen, Kreuzchen und Striche. Damit sollte wirklich jeder Vollpfosten klar kommen. Wenn man damit schonmal grob wegsortiert hat, kann man sich dann ja gezielt das Geschwafel der in Frage kommenden geben. Spart viel Arbeit.

    P.S.: in deinem vorletzten Satz das vorletzte „der“ muss ein „die“ sein. Liest sich, als hättest du den Satz umformuliert und das vergessen. So geht’s mir laufend.

  5. @Alexander:
    Dir ist schon klar, dass die Merkel jetzt noch von Bienchen und Blümchen reden würde, wenn man sie nicht unterbrochen hätte?
    Ich hab dergleichen gestern oft auf Twitter gelesen und hab dafür nicht viel Verständnis: Das Unterbrechen und In-die-Schranken-weisen war das wichtigste, was die Moderatoren gestern zu tun hatten.
    Raab nicht zu mögen ist die eine Sache. Aber wenn man es mit Leuten wie Merkel und Steinbrück zu tun hat, dann muss man mal dazwischengehen. Gerade am Anfang – schau’s Dir ruhig nochmal an – hat gerade Merkel z.B. auf simple Ja/Nein-Fragen immer geantwortet, indem sie erstmal die Story vom Pferd, gekleidet in schöne Floskeln, erzählt hat. Da bedarf es einfach mal einem Zwischenruf, sie solle bitte die Frage beantworten.

    @hrhrurur:
    Also ich würde mich ja hüten, irgendwas noch bekloppteres als das TV-Duell im Fernsehen anzusehen. Aber gut, ist einfach nicht mehr mein Medium – und wird es nie wieder werden.
    Der Wahl-o-Mat ist eine schöne Sache, ich guck da auch gerne rein. Allerdings hat eine Verknappung auch immer ihre Schwächen. Z.B. liegt die NPD bei mir immer recht weit oben, weil sie sich so gerne sozial und kämpferisch geben. Und das Ausklammern von Gesundheits- und Wissenschaftsthemen dieses Jahr nützt z.B. den Grünen bei meinem Ergebnis auch unschön. Alleine darauf verlassen kann man sich also auch nicht. Bei etwas kompliziertem wie Politik lässt sich einfach viel Arbeit nicht ersparen, wenn man eine fundierte Wahl treffen will.

  6. hrurururur

    Mh, ich mach den Test nie. Ich guck mir nur die ÜbersichtsPDF an. Und da ich lieber den Stimmzettel aufessen würde, als Nazis zu wählen, ist mir die Übereinstimmung mit denen ziemlich egal. Da finde ich die AfD mit ihren teils noch Alt-Nazis problematischer.

    Und ganz ehrlich? Es ist scheissegal, ob meine Stimme fundiert oder mit dem „Zufallsgenerator“ entschieden wurde. Am Ende zählt nur, DASS ich sie abgegeben habe, nicht WARUM. Ich finde, dass das ein Punkt ist, den Gauck sehr schön formuliert hat: geh wählen und wenn du keine Partei findest, die dir vollkommen zusagt, dann wähl das kleinste Übel.

    Je höher die Wahlbeteiligung, desto weniger Chancen haben Splitterparteien. Die „Irgendwas“-Wähler verteilen sich recht gleichmäßig, aber damit wird die Mobilisierungsrate der Parteien schlechter und das Ergebnis wird „echter“.

    Ich habe btw schon vor dem Duell gewählt, da ich am Wahltag in einem anderen Wahllokal Dienst an der Demokratie leiste(und besch… entlohnt werde. Deswegen machen das hier auch fast nur Lehrer, die sich freuen, wenn sie nochmal mit preußischer Ordnung eine Kartei führen dürfen…)

  7. Vier Moderatoren sind definitiv vier zu viel. Die zwei Nebendarsteller sind aber auch zwei zu viel.
    Denn: Zwei einzelne Parteien aus der Vielfalt der Parteien herauszupicken und ihnen ein so solches Wahlkampf-Forum zu bieten, das ist unseriös. Warum ist es eigentlich kein Skandal, dass öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten genau dies machen?

  8. slilith

    @altesCoon

    Genau das dachte ich mir auch und habe mir deswegen gestern gesagt, dass ich mir auch das Duell der drei kleineren Parteien anhöre (der DLF hat’s auch übertragen). Und, herrje, dagegen war das erste ja eine gepflegte Unterhaltung mit inhaltlichem Mehrwert. Die 50% Wiederholung, die Sash oben ansprach, haben die noch locker getoppt – und dabei ständig durcheinandergequasselt. Das hat – zumindest für mich – nochmal ein erhellendes Licht auf diesen Politikbetrieb geworfen.
    Mein Fazit: 1. Diese Stunde meines Lebens bekomme ich nie wieder und 2. Diesen Duell-Kram kann man sich echt schenken.

  9. elder taxidriver

    Kennt jemand vielleicht ein kleines nettes Land mit erträglichem Wetter für meine Frau und mich?
    Nicht zu weit von Berlin, die FAZ, die Süddeutsche und die taz sollten leicht erhältlich sein, vielleicht auch sogar die Neue Zürcher Zeitung.
    Es sollte keine Waffen exportieren und auch keine importieren, abgesehen vielleicht vom Schweizer Offiziersmesser. Sicher soll es aber auch sein. Nicht, dass einfach wer einmarschiert. Die Politik sollte möglichst weder faszinierend noch erbärmlich sein und die Staatsspitze soll sich mit dem Internet gut auskennen, welches im Übrigen möglichst frei sein soll, damit ich u.a. GNIT, Sashs Blog und Taxihaus Blog weiterlesen kann. Ach so, meine Frau wünscht noch einen Chor und mindestens eine Laienspielgruppe für Theater. Die Sprache soll auch nicht so schwer zu erlernen sein.

  10. @hrhrurur:
    Ach, ganz ehrlich: Niemand hat was dagegen, wenn die Anhänger „der anderen“ lieber zu Hause bleiben. 😉
    Aber im Ernst: Mir würde es auch besser gefallen, wenn CDU und SPD nicht glauben würden, tatsächlich 60 – 70% der Bevölkerung zu vertreten.

    @altesCoon:
    Ich hätte weitere Runden mit anderen Kandidaten sicher auch gerne gesehen, aber man kann halt auch keine zeitlich begrenzte und zeitgleich halbwegs aussagekräftige Sendung mit 20 Kandidaten machen. Aber das wird alles im Laufe der Zeit besser – denn für genau sowas ist das Internet gut, das TV-Duell wird auf Dauer massiv an Einfluss verlieren … das wird. Auch wenn ich bei vielem anderen nicht viel Hoffnung habe – hier habe ich sie.

    @slilith:
    Und jetzt die Vorstellung, dass da noch die PARTEI, die Violetten und die AfD mitgemischt hätten … 😀

    @elder taxidriver:
    Tja, da bist Du sicher nicht der erste, der sucht. 🙁

  11. Also ich persönlich fand Raabs Vorstellung sehr, sehr gelungen – er hat immer, wenn Schwachpunkte erkennbar waren, mit den Finger in der offenen Wunde nachgebohrt. Gerade als er das Thema NSA angesprochen hat, kam ich aus dem Grinsen nicht mehr raus.

    Er ist auch der einzige des Quartetts, der sich das erlauben konnte und kann – hätte z.B. Frau Will das abgezogen, wären zukünftige Besuche hochrangiger Politiker bei ihr erledigt. Bei Raab kommt normalerweise eh kein Politiker vorbei, die haben daher keinen Hebel gegen ihn.

    Diese „Hebelfunktion“, gerade durch den extremen Anteil von Politikern und Parteisoldaten in der ÖR-Verwaltung verursacht und gestützt, ist das Hauptproblem, warum es bei uns keinen ernsthaften Polit-Talk gibt!

  12. @Die Barschlampe:
    Interessanter Punkt und sicher nicht zu vernachlässigen!
    Wobei ich irgendwie insgeheim die Hoffnung hatte, dass sich eigentlich jeder Moderator durchaus zwei blöde Fragen erlauben könnte, ohne sich die Zukunft zu versauen … vielleicht naiv.
    Aber immerhin: Die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Verdienst kam nicht von Raab …

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