Monthly Archives: Januar 2012

Heveling…

Die Wellen des Netzes haben gestern ja mal wieder etwas höher geschlagen. Ansgar Heveling, CDU-MdB und wie jeder unversierte Netznutzer Mitglied der Enquete-Komission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat sich in einem Gastkommentar fürs Handelsblatt auf arg dünnes Eis begeben, indem er „der Netzgemeinde“ zurief: „Ihr werdet verlieren!“
Die ganze Chose ist sicher nicht nur eindimensional zu betrachten, ich empfehle unbedingt auch den Text von Thomas Knüwers, der das Handelsblatt bezichtigt, den Skandal durchaus gewollt zu haben. Nichtsdestotrotz hat Ansgar Heveling einen so saublöden Text verfasst, in dem er mit der Netzgemeinde auch mich als Heavy User des Internets direkt angreift. Grund genug, einen offenen Brief – natürlich nur echt im Internet! – zurückzuschreiben. Zum Thema an sich empfehle ich zudem die Texte auf netzpolitik.org und Spiegel online.

Offener Brief an Ansgar Heveling

Sehr geeh… ach, egal. Wir sind im Netz, ich muss ja per se Böse sein:

Hey, Heveling!

Sagen Sie mal, geht’s noch?

Wenngleich ich gerne lachend über Menschen hinwegsehe, die das Internet immer noch als eine andere Welt und irgendwie als Einheit betrachten, anstatt zu akzeptieren, dass es eine einfache Erweiterung des realen Lebens ist, fällt mir das bei ihnen schwer. Sie sitzen in einer – zumindest verglichen mit mir – machtvollen Position im deutschen Bundestag und was ihnen zum Internet einfällt, ist eine Kampfrede, wie wir sie seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr hören mussten?

An der durchaus sinnvollen Debatte über SOPA und PIPA hängen sie sich auf und erkennen einen Kampf:

„Es ist der Kampf zwischen der schönen neuen digitalen Welt und dem realen Leben. Während die „digital natives“ den realen Menschen zum Dinosaurier erklären, vergessen sie dabei, dass es sich bei dieser Lebensform um die große Mehrheit der Menschen handelt.“

Ja, vielleicht halte ich sie für einen Dinosaurier. Denn ganz offensichtlich teilen sie mit diesen bedauernswerten Kreaturen eine gewisse Engstirnigkeit. Ich wage massiv zu bezweifeln, dass es lange dauert, bis die überwiegende Mehrheit der Menschen an der digitalen Welt teilnimmt, und die angesprochenen Gesetzentwürfe betreffen sie alle gleichermaßen. Beachtenswert finde ich, dass sie die Realität so deutlich vom Internet trennen, aber ein enormes Interesse daran zu haben scheinen, dem Internet von außen Vorschriften zu machen. Merken sie was? Wäre das im Netz nicht alles auch irgendwie real, bräuchten sie sich gar nicht vor irgendetwas sorgen!

„Die mediale Schlachtordnung der letzten Tage erweckt den Eindruck, wir seien im dritten Teil von „Der Herr der digitalen Ringe“ angekommen, und der Endkampf um Mittelerde stehe bevor.“

Bitte was?

Ich erkläre ihnen mal was: Ich bin selbst ein großer Freund von Metaphern aller Art. Aber einfach irgendwo ein dümmliches „digital“ einzuschieben, macht sie nicht originell, sondern, nun ja, dümmlich.

Weiter schreiben sie von „Helden von Bits und Bytes“, von „Kämpfer(n) für 0 und 1“, insgesamt bedient sich ihre Rhetorik reichlich unangemessen am Vokabular aus Kriegstagen und das sollte ihnen, dem geschichtsbewussten Politiker, doch auffallen.

„Und das ist nicht die Offenbarung eines einsamen Apokalyptikers […]“

Ach nein? Die Gegenbeweise will ich gerne mal sehen. Und sie gehen ja wirklich aufs Ganze:

„Auch wenn das Web 2.0 als imaginäres Lebensgefühl einer verlorenen Generation schon bald Geschichte sein mag, so hat es allemal das Zeug zum Destruktiven. Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein.“

Sicher wird sich das Web 2.0 weiterentwickeln und somit quasi verschwinden. Woher sie allerdings ihre apokalyptischen Befürchtungen hernehmen, frage nicht nur ich mich. Sind sie vielleicht einfach angepisst, dass sie jemand Dinosaurier genannt hat? Wie können sie „die Netzgemeinde“ zu einer „digitalen Horde“ machen, vor der man die Kultur schützen muss und im Satz danach forden, „unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen“?

Wirklich geil fand ich allerdings die Herleitung unserer Gesellschaftswerte „Freiheit, Demokratie und Eigentum“ von der französischen Revolution. Chapeau! Wir wissen schließlich alle, dass die größter Errungenschaft dieser Revolution das geistige Eigentum war.

Hier bitte ich übrigens darum, mich nicht falsch zu verstehen. Ich bin sowohl ein Mitglied der Netzgemeinde als auch das, was bei ihnen im Freundeskreis wahrscheinlich „Content-Produzent“ oder so ähnlich heißt. Irgendwie sehe ich trotzdem keinen Grund, die – im übrigen durchaus auch sehr bürgerlichen – Freiheiten von ein paar Gesetzen einschränken zu lassen, die sich mit vier Buchstaben abkürzen lassen. SOPA, PIPA, ACTA. Ein gepflegtes LMAA dazu von meiner Seite!

Selbst Sie scheinen zwischendurch erkannt zu haben, dass es eigentlich nicht ums Netz selbst geht:

„Nicht, weil Bits und Bytes aus sich heraus wie kleine Pacmans an den Ideen und Idealen unserer bürgerlichen Gesellschaft knabbern würden. Nein, es sind die Menschen, die hinter den Maschinen sitzen und eine andere Gesellschaft wollen.“

Nochmal: Merken Sie was?

Was glauben sie, was ich mir für krude Beschreibungen über ihre Partei einfallen lassen müsste, wenn ich ähnlich falsch und bekloppt vorgehen wollte wie Sie? Sie schreiben allen Ernstes folgendes:

„Es ist eine unheilige Allianz aus diesen „digitalen Maoisten“ und kapitalstarken Monopolisten, die hier am Werk ist.“

Jetzt sagen Sie bloß, ihnen ist entgangen, dass es im Netz auch vor Juden nur so wimmelt!

Nur weil Menschen das Internet für ihre Arbeit und ihre Freizeit nutzen, haben sie doch keine bestimmte Gesinnung. Schauen Sie sich mal in den Reihen ihrer Partei um! Wollen sie Angela Merkel demnächst terroristische Tendenzen unterstellen, weil sie einen Podcast unterhält? Und wenn ja: Ist sie jetzt eher Monopolist oder Maoist? Ich bin mir da noch etwas uneins.

Während Sie Google und Wikipedia wegen ihrer verzweifelten Versuche, auf politische Mißstände hinzuweisen, zurufen von welcher Hybris sie geprägt seien, wischen Sie den Fakt beiseite, dass das von ihnen viel gelobte „Wissen und vor allem die Weisheit der Welt“ eben nicht nur in den Köpfen der Menschen liegt, sondern gerade über die genannten Plattformen verbreitet wird, wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.

„Also, Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx. Am besten aus einem gebundenen Buch!“

Also geht es doch nur darum, dass Sie lieber Druckerschwärze an den Händen als Pixel vor den Augen zu haben. So viel sie über Wissen schwadronieren, so wenig scheinen Sie zu haben, wenn sie glauben, dass die Texte und Ideen Goethes nur als Buch gut wären. Über den Auftritt von Marx habe ich mich ehrlich gesagt gewundert, aber spätestens an dieser Stelle ihrer Ausführungen befürchtete ich, dass ihnen ohnehin egal ist, was sie lesen. Solange es nur nicht digital ist.

Nachdem die Netzgemeinde in ihrem letzten Abschnitt plötzlich nur noch aus „einzelnen Menschen“ besteht und sie den Piraten Raffgier unterstellen, folgt mein zweitliebstes Kleinod ihrer inzwischen zu Recht oft verballhornten Komödie:

„Natürlich soll niemandem verboten werden, via Twitter seine zweite Pubertät zu durchleben. Nur sollte man das nicht zum politischen Programm erheben.“

Dahinter steckt nämlich, das muss ich ihnen lassen, ein ausgesprochen kluger Ratschlag. Natürlich sollte man aus ein paar dümmlichen und kindischen Tweets kein politisches Programm machen. Genauso wenig sollte man ein politisches Programm daraus machen, sich über dümmliche und kindische Tweets aufzuregen. Und nichts anderes haben Sie gemacht.

Jede Neuerung, jede Errungenschaft, jede neue Technik hatte ihre Feinde. Vom Buchdruck bis zur CD-R, von der Postkarte bis zum Festplattenrecorder. Immer haben Leute wie sie die Apokalypse heraufbeschworen und auf die Nutzer, die Vorreiter und die Erfinder herabgeschaut, sie für blöd verkauft, belächelt und unterdrückt.

Sie alle haben eines gemeinsam: Wir Menschen aus der heutigen Zeit lachen über ihre lustigen Einschätzungen, wundern uns über ihre Engstirnigkeit und bezeichnen sie manchmal als Dinosaurier. Glauben Sie mir, es ist keine Glanzleistung, sich schon zu Lebzeiten in diese Gruppe einzureihen.

Digitale Grüße,

Sash

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Von Geschäftsverhältnissen

Das Jahr 2012 könnte für mich eine Art Meilenstein werden. Vielleicht wird dies das erste Jahr, in dem ich mehr Geld mit dem Schreiben verdiene als mit meiner regulären Arbeit. Die Entwicklung freut mich, wenngleich ich sie noch vor gar nicht allzu langer Zeit als unmöglich abgetan hätte. Dass ich ein gewisses Talent habe, Buchstaben aneinander zu reihen, ist nichts, was für mich neu wäre. Das hat mir in der Grundschule die erste Eins im Zeugnis gebracht und hat sich fortgesetzt bis in die Überlegungen, was ich studieren könnte.

Ein Studium in Richtung Journalismus habe ich abgelehnt mit der (auch heute noch nicht bedauerten) Begründung, ich könne nicht „auf Kommando“ schreiben, Auftragsarbeiten abliefern, etc.

So blieb Schreiben das schöne Hobby, die Kunst für zwischendurch – und so habe ich es auch zu schätzen gelernt. Immer mehr und immer mehr. Über die Jahre kamen Homepages, ein Blog, noch ein Blog und noch ein Blog. Alles herrlich dilettantisch, anarchisch und zufällig. Aber spätestens seit ich GNIT ausgekoppelt habe, nimmt das Schreiben einen großen Platz in meinem Leben ein. Mit dem wachsenden Publikum kam der Anspruch, es auch gut zu machen, regelmäßig zu schreiben, und – das dürfte den meisten fremd sein – auch die geliebte Lohnarbeit hier und da zugunsten des Schreibens aufzugeben.

Bis jetzt ist das Schreiben immer noch mehr Hobby als Arbeit gewesen, die unzähligen Stunden vor den Monitoren haben sich nach herkömmlicher Rechnungsweise natürlich nicht ernsthaft bezahlt gemacht. Ich habe zwar unglaublich viele Geschenke von euch Lesern erhalten, bin hier und da geflattert worden und selbst im Taxi bekam ich öfters mal ein Trinkgeld als Dank für die Blogs. Alleine eine planbare Sache ist das nie gewesen.

Glücklicherweise – sowohl für mich als auch für die Blogs – werde ich natürlich auch weiterhin Taxi fahren. 2012, 2013 und hoffentlich noch eine ganze Weile lang. Aber abgesehen von meiner Bewerbung für ein (für meine Verhältnisse) verdammt gut dotiertes Literatur-Stipendium bin ich nun so weit, dass ich auch geschäftlich blogge. Nicht hier, nicht bei GNIT, das wäre albern und würde die Intention der Blogs zerstören. Aber ausgerechnet mein Chef im Taxigewerbe hat Interesse an meinen literarischen Ambitionen und erhofft sich, mit einem eigenen Firmenblog unter meiner Regie und mit meinen Texten mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Was mich daran erfreut ist nicht mal unbedingt der (niedrige) dreistellige Betrag, den ich pro Monat dafür bekomme, sondern auch, dass mir ausgerechnet eine neue Aufgabe letztlich mehr Luft zum Schreiben verschafft. Schließlich bedeutet jeder Erlös aus anderen Quellen, dass ich meine Arbeitszeit im Taxi reduzieren und selbige fortan kreativ nutzen kann. Der positivste Nebeneffekt ist aber wahrscheinlich, dass ich meine Chefs auf ganz anderer Basis zu schätzen lerne als bisher ohnehin schon. Denn als linker Kapitalismuskritiker mache ich mir natürlich meine Gedanken über die eigene Käuflichkeit und den moralischen Wert eines „Werbeblogs“.

Nun, die ersten Schritte in dieses mir sehr fremde Metier (schreiben für andere) gestalten sich aufgrund der Besonderheit meines Arbeitsverhältnisses sehr positiv. Ich stehe in regem Mail-Austausch mit meinem Chef und erkenne langsamer als ihm lieb ist, was er darunter versteht, nicht als Chef auftreten zu wollen, sondern als Kollege und Freund. Die einzigen Kritiken seinerseits an meiner bisherigen Arbeit als öffentliches Aushängeschild der Firma waren – vereinfacht gesagt – Kritiken an meinem Konformismus. Er wünschte sich mehr Bissigkeit, weniger Respekt ihm gegenüber und er zeigte sich bestürzt ob der Tatsache, dass ich in einem kleinen Kommentar das Wort „Chefbüro“ gebrauchte, anstatt mich selbst als mitbestimmenden Part der Firma zu sehen.

Ich habe einen sehr kruden Weg eingeschlagen, der mich zwischen prekären Arbeitsverhäktnissen und abgehobenem Künstler-Dasein wechseln lässt und in keine eilig angelegte Schublade passt. Ich schwanke zwischen chronischer monetärer Pleite und kreativem Überfluss – eine absurde Kombination. Aber ich bin froh darum, dass mir das möglich ist und ich weiß, dass ich letzlich auch meinem Chef dafür dankbar sein sollte.

Seit einem netten Gespräch vor einigen Tagen zwischen Rattan-Sessel und Ledercouch im „Chefbüro“ denke ich jedenfalls darüber nach, ob ich nicht seinetwegen tatsächlich einen Roman schreiben sollte, dessen Held ein Berliner Taxifahrer ist, der mit einer „glaubwürdigen“ Zombie-Apokalypse konfrontiert wird. Wenn das nichts aussagt, was dann?

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Rührendes

Hallo, mein Name ist Sash und ich bin süchtig.

So sollte ich wohl das ein oder andere Gespräch in der Küche anfangen, denn ich habe einen für Außenstehende nur schwer zu erfassenden Rühr-Fetisch. Eigentlich ist es ja nur ein gewisser Drang nach Sicherheit, wenn man mich fragt. Aber mich fragt man nicht, mich lacht man eher aus.

Zumindest handhabt das meine bessere Hälfte gelegentlich so.

Eigentlich habe ich mit angebranntem Essen nie sonderlich traumatische Erfahrungen gemacht. Erinnern kann ich mich zwar noch an ein Gulasch meiner Mutter, dass einen penetranten Holzkohle-Geschmack inne hatte, aber wie viele schöne Erfahrungen in meinem Leben war auch das ein Einzelfall.

Dennoch stehe ich neben einem Topf mit kochender Suppe und kann nicht davon ablassen, zu rühren. Vor wenigen Tagen habe ich feststellen müssen, dass ich selbst in purem Wasser kochende Kartoffeln gelegentlich umrühre aus der Sorge heraus, sie könnten ansetzen.

Zu meinen Gunsten könnte ich jetzt anfangen zu berichten, wie wenig mir in meinem Leben jemals an Essen durch Anbrennen verloren ging, diese Statistik allerdings wird aufs Gröbste verfälscht durch all die Kartoffeln, die ich in der alten WG gekillt habe, indem ich betrunken zu Bette ging, während selbige auf dem Herd standen und nach dem Verdampfen des Wassers einen eher knusprigen Aggregatszustand angenommen haben.

Sicher habe auch ich Grenzen. Klare Hühnersuppe rühre ich auch nicht öfter als zwei Mal die Minute für 10 Sekunden um. Bei Rahmspinat habe ich mich durch Ozie inzwischen auch auf drei Mal einigen können. Ansonsten komme ich leider kaum weg von dieser Angewohnheit.

Und jeder, der irgendwann mal Klümpchen in einer Tütensuppe hatte, oder einen Topf länger als die üblichen 20 Sekunden ausspülen musste, wird mich doch verstehen, oder? Nein? Naja…

Glücklicherweise kann ich auch manchmal für mich alleine kochen und die ganze Zeit nur rühren. Und rühren. Und…

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Ein Loblied aufs Extrem

So wie bekannt ist, dass Gesichter dann am schönsten sind, wenn man die Gesichtszüge am Mittelwert ausrichtet, so herrscht allgemein auch die Einstellung vor, dass in den meisten Punkten Mittelmaß im Grunde  zu Glück und wirklicher Qualität verhelfe. Das ist ein leicht zu befolgender Singsang und vielleicht stimmt es ja tatsächlich, dass man beispielsweise Geld besser weder zu wenig noch zu viel besitzen sollte.

Manch andere Dinge im Leben werden aber erst dann richtig gut, wenn sie an Grenzen stoßen.

Nun wissen eigentlich alle Leser, dass ich keinen Hang zum Extremsport habe, wenngleich ich dort – eine gewisse körperliche Eignung vorausgesetzt – wesentlich eher meine Präferenzen sehen würde, als im durchschnittlichen Kick auf einem Bolzplatz.

Meine absolut subjektiven Erfahrungswerte stammen aus drei sehr unterschiedlichen Bereichen: Essen, Politik und Musik. In all diesen Bereichen glaube ich, dass es gut tut, sich zumindest mit den Extremen zu beschäftigen, um unglaubliche Erlebnisse zu haben.

Fangen wir an mit dem Essen:

Ich bin ein ausgesprochener Freund scharfen Essens. Bereits in der Kindheit habe ich mir den Verzehr von Peperonis angewöhnt, etwas über das ich heute nur schmunzeln kann. Zugegeben: Die Habanero, in die ich dereinst reingebissen habe, um zu beweisen, dass sie nur wenig Schärfe enthält, war tatsächlich (und glücklicherweise!) sehr mild, aber ohne jetzt der absolute Chilihead zu sein, kann ich nur schwer verleugnen, mich in den oberen Bereichen der Scoville-Skala sehr wohl zu fühlen.
Kritiker vom Starkoch bis zu meinem Vater (der mich damals die Peperoni probieren ließ) bemängeln immer, dass man bei zu viel Schärfe nichts mehr schmeckt. Das ist schlicht nicht wahr! Capsaicin regt Wärmerezeptoren an, nicht die Geschmacksnerven. Und diese entwickeln eine ziemliche Toleranz mit der Zeit. Schärfe ist somit eigentlich ein völliges Nebengleis geschmacklicher Erfahrungen und jeder geübte Jünger des Feuers empfindet dies lediglich als Bereicherung des eigenen Horizontes, ohne dabei auf etwas zu verzichten.

Dann die Politik:

In einem sehr komplizierten Gespräch habe ich einem alten Freund vor Ewigkeiten versucht, zu erklären, wie eingeschränkt das alltägliche Politikgeschäft einen die Welt sehen lässt. Ich erwarte nicht, dass alle meine radikalen anarchistischen Einstellungen teilen, aber es lohnt sich, einen Blick über den Tellerrand der üblichen Parteienlandschaft zu werfen. Komplexe Systeme wie die hier und anderswo praktizierte Politik lassen sich am Besten von außerhalb beobachten. Das soll kein Werbefeldzug für dummdreiste Indoktrination kurioser Gestalten werden, aber seinen Blick zu schärfen fällt oft schwer innerhalb gesetzter Grenzen. Mich hat in den vergangenen Jahren kein Politikskandal vom Hocker gerissen, ehrlich!
Ob nun verharmloste Neonazi-Zellen, ungezügelter Kapitalismus in Form übereifriger Banker oder die permanenten Datenschutz- und Grundrechtsverletzungen seitens der Polizei: All das ist mir seit 15 Jahren bekannt, weil ich böse böse Blätter wie die verbotene Untergrundzeitschrift „radikal“ gelesen habe. Dass da auch viel Unsinn drinsteht, will ich nicht bestreiten, aber für denkende Menschen ist es einfach eine Erweiterung des Horizontes.

Zuletzt die Musik:

Vor etwa 4 Jahren geisterte eine blöde Meldung über eine sicher unzureichende Studie durch die Presse, in der nachgewiesen wurde, dass die Hörer von Metal überdurchschnittlich intelligent seien. „Auch wenn man unter den Hörern eher einfache Gemüter vermuten würde“ war ein Satz, der begleitend oft genannt wurde.
Nun gut, die Musik-Geschmäcker sind auch verschieden. Dass nicht jeder mit Metal etwas anfangen kann, ist mir klar. Analog zu den oben angesprochenen Chilis verhält es sich jedoch so, dass sich hinter dem oberflächlichen Lärm Kompositionen verbergen, die den Vergleich mit der vielgeliebten klassischen Musik nicht scheuen müssen. Mal ganz abgesehen davon, dass auch Stressbewältigung und Frustrationsabbau legitime Anwendungsgebiete von Musik sind, die manche Musikrichtung nur unzureichend bietet. Tatsache ist, dass sich hinter manchem treibenden Beat ein wohldurchdachtes Gitarren-Arrangement verbirgt, das auf Entdeckung wartet. Die oberflächliche Täuschung mag hier und da zwar Programm sein, eine vorschnelle Verurteilung der gesamten Musikrichtung ist jedoch um vieles stupider als die Musik selbst.

Ich denke, wir sollten manchmal ein Bisschen extremer sein!

Wie eingangs erwähnt: Diese Beispiele sind subjektiv gewählt. Ich bin mir aber sicher, dass es noch einige mehr gibt. Sicher auch welche, die meinen Horizont noch erweitern können. Lasst es mich gegebenenfalls wissen!

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Schlechte Prognosen

Plattenbauten haben ja einen großen Vorteil: An ihnen ist alles immer gleich. Oder zumindest ähnlich. Ich habe ja zum Beispiel schon mal geschrieben, dass die Arztpraxis meines Hausarztes denselben Grundriss hat wie unsere Wohnung. Deswegen will zwar noch lange nicht die Gemütlichkeit meines eigenen Zimmers aufkommen, wenn ich dort im – dem Grundriss nach gleich geschnittenen – Wartezimmer sitze, aber das ist ok. Die meisten anderen sehen mich immer schon schräg an, wenn ich ein richtiges Buch lese. Wie würden die erst reagieren, wenn ich mich in Unterwäsche im Bloggen üben würde?

Daran, dass die Wohnungen hier ziemlich gut vergleichbar sind, finden sich auch andere interessante Punkte: Ozie hat mich die Tage wissen lassen, dass unsere Wohnungsbaugesellschaft unsere Wohnung inzwischen für jenseits der 700 € pro Monat feilbietet – was nichts weiter ist, als ein Blick in die Zukunft. Da es sich um eine Bude im selben Haus mit dem selben Grundriss handelt, kann man schon von einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass sie das auf Dauer anzupassen gedenken. Autsch.

Glücklicherweise sieht das deutsche Gesetz keine Möglichkeit vor, die Miete spontan so schnell anzupassen, so dass wir uns um die nächsten paar Jahre keine großen Sorgen machen müssen. Allerdings scheinen wir auch zu einem ziemlich (im wahrsten Sinne des Wortes!) günstigen Zeitpunkt hier nach Marzahn gezogen zu sein. Denn abgesehen davon, dass inzwischen bald 180 Euro mehr im Monat fällig wären, verlangen sie inzwischen auch die anderswo sowieso standardmäßigen 3 Monatsmieten Kaution. Wäre das vor viereinhalb Jahren schon so gewesen, wären wir wohl niemals hier gelandet.
Mit unserem inzwischen glücklicherweise langsam verblassenden Talent, das Konto immer knapp unter der Nulllinie auszurichten, hätten wir uns den Spaß damals nie leisten können. Wir haben damals keine Kaution bezahlt und die Wohnungsbaugesellschaft hatte sichtlich keine Probleme, drei arbeitslose Leute in die Bude einziehen zu lassen.

Als Ozie und ich uns jetzt über den Preis unterhalten haben, mussten wir allerdings auch anerkennen, dass das für eine derartige Wohnung durchaus halbwegs normal ist – von den Preisen, die wir aus Stuttgart kennen, sollte man dabei aber auch nicht reden. Derweil genießen wir einfach noch ein wenig den vielen Platz und hoffen, dass wir in Zukunft auch das Geld haben, uns das weiterhin zu gönnen.

Gerade in Berlin (aber auch anderswo) sind steigende Mietpreise natürlich ein heikles Thema und ich bin der Meinung, dass es immer auch (ausreichend!) günstigen Wohnraum für sozial schwache Menschen geben muss. Ich hoffe sehr, dass sich diese drastische Preiserhöhung hier nicht auf alle Gebiete und alle Wohnungen erstreckt. Ozie und ich haben letztlich noch ein paar Euro Luft, die nicht jedem gegeben sind. Wobei auch das nur der Fall ist, weil wir eben ohnehin schon in einer abartig günstigen Bleibe hausen. Im Namen unserer kompletten Umgebung kann ich nur hoffen, dass Plattenbauten nie wieder „in“ sein werden…

Sollten wir uns irgendwann andersweitig umsehen müssen, stellt sich die Frage: Welche Stadtteile haben bitte einen ähnlich ramponierten Ruf, der wie hier in Marzahn recht langfristig die Mieten niedrig hält? 😉

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Privatsphäre

So, heute ist mal wieder Zeit für den Heizungsableser. Ich möchte den armen Menschen sicher nicht ihren Job madig machen (obwohl ich mir immer noch nur schwer vorstellen kann, dass man sowas freiwillig macht), aber aufgrund ihrer Funktion hasse ich sie. Vielleicht sind das Nachwirkungen der polizeilichen Hausdurchsuchung vor ein paar Jahren, aber ich kann es nicht leiden, wildfremde, uneingeladene Menschen in meiner Wohnung zu haben!

Ich habe als Blogger, der aus allen möglichen Bereichen seines Lebens – ja, sogar der Wohnung – berichtet, ein eigentlich eher lockeres Verhältnis zu dem, was gemeinhin Privatsphäre genannt wird. Ich hab kein Problem damit, meinen Verdienst öffentlich zu machen, ich kann mir (abgesehen von der Langweiligkeit) keinen Grund vorstellen, der dagegen spricht, euch Bilder meiner Unterwäsche zu zeigen. Aber meine Wohnung ist der Platz, an dem ich ohne Bedenken über die Außenwirkung mein Leben organisiere. Hier in der Wohnung regiert mein ganz eigener Humor, meine ganz eigene politische und kulturelle Einstellung. Und damit auch Dinge, die nichts in der Öffentlichkeit verloren haben.

Natürlich wuselt so ein Heizungsableser durch hundert Wohnungen am Tag. Natürlich wird er sich unsere Bude wahrscheinlich nicht einmal mit der genauen Hausnummer merken. Er wird Wohnungen sehen, die dreckiger sind, geschmackloser, billiger, prunkiger, durchgestylter, unaufgeräumter, unkonventioneller.

Aber dennoch latscht der hier durch, sieht welche Lebensmittel wir essen, wie unsortiert unsere Wäsche rumliegt und was für Möbel wir haben. Und gerade weil er nur 5 bis 10 Minuten hier ist, hat er nicht den Hauch einer Ahnung, was das eigentlich alles zu bedeuten hat. Geht er hier raus und hält uns für linke Terroristen, weil hier irgendwo alte Demoplakate rumhängen. Oder vielleicht für Nazis, weil in unserem Flur prominent eine „Nazis gegen rechts!“-Postkarte pappt?
Ist dreckiges Geschirr für ihn Alltagsansicht, oder liegen wir da zu weit über dem Durchschnitt? Erkennt er Ozies Atelier als kreatives Chaos oder vermutet er eine Messi-Wohnung? Und was bedeutet es, dass auf den Fensterbrettern seit Monaten nicht Staub gewischt wurde? Dass wir es nicht machen – oder dass das eine blöde Fenster uns einfach nicht interessiert, weil wir dieses Zimmer nie betreten?

Alles kein Weltuntergang – viele hätten tatsächlich mehr Sorge, ihr Einkommen anzugeben. Was bleibt, ist immer ein ungutes Gefühl, so lange der Typ im Haus ist.

Im Nachhinein war natürlich alles halb so wild und ich bin sogar froh, die Wohnung mal wieder halbwegs in Ordnung gebracht zu haben. Aber es wird wahrscheinlich noch Jahrzehnte dauern, bis ich es ok finde. Ein bisschen wünsche ich mir die Gelassenheit der alten WG zurück, in der die Leute wirklich ein- und ausgegangen sind, ohne dass es einen interessiert hat…

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Urlaub

Ein paar Tage „Auszeit“ im arbeitsrechtlichen Sinne habe ich mir diesen Januar gegönnt. Da die Umsätze wie erwartet unterirdisch waren im Taxigewerbe, nehme ich an, dass das eine sehr clevere Entscheidung war. Urlaub im herkömmlichen Sinne war es dann allerdings auch eher nicht:

Meine To-Do-Liste(n) für die vergangene Woche, Quelle: Sash

Wenngleich ich (wie ihr sicher der schwarzen Balken wegen erahnen könnt) nicht alles mit euch teilen möchte, sollte der Umfang jedoch klarmachen, dass es einiges war. Und es waren auch nicht alles Blogeinträge. Es gab noch jede Menge Dinge an der Seite meiner Chefs zu schrauben, es mussten einige Dinge mit Ämtern geklärt werden und nebenbei stand noch eine ziemlich textintensive  Bewerbung auf ein Stipendium an. Dazwischen Termine bei der Bank, das Abholen meines P-Scheins, und und und…

Wie ich gerade bei Facebook geschrieben habe: So langsam fühle ich mich, als hätte ich einen Bürojob 🙂

Der Vorteil ist: Dadurch, dass es für mich eigentlich nichts entspannenderes gibt, als hier hinter meinen Monitoren zu sitzen und zu schreiben, bin ich nicht im klassischen Sinne urlaubsreif, sondern eher bereit für eine Abwechslung. Und die sollten die Taxi-Schichten in den nächsten Tagen zur Genüge bieten, wenn wieder einmal Fashion Week angesagt ist und es hoffentlich Kundschaft ohne Ende regnet.

Wahrscheinlich werde ich die letzte Nacht damit verbringen, von To-Do-Listen und Terminen zu träumen.

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