Privatsphäre

So, heute ist mal wieder Zeit für den Heizungsableser. Ich möchte den armen Menschen sicher nicht ihren Job madig machen (obwohl ich mir immer noch nur schwer vorstellen kann, dass man sowas freiwillig macht), aber aufgrund ihrer Funktion hasse ich sie. Vielleicht sind das Nachwirkungen der polizeilichen Hausdurchsuchung vor ein paar Jahren, aber ich kann es nicht leiden, wildfremde, uneingeladene Menschen in meiner Wohnung zu haben!

Ich habe als Blogger, der aus allen möglichen Bereichen seines Lebens – ja, sogar der Wohnung – berichtet, ein eigentlich eher lockeres Verhältnis zu dem, was gemeinhin Privatsphäre genannt wird. Ich hab kein Problem damit, meinen Verdienst öffentlich zu machen, ich kann mir (abgesehen von der Langweiligkeit) keinen Grund vorstellen, der dagegen spricht, euch Bilder meiner Unterwäsche zu zeigen. Aber meine Wohnung ist der Platz, an dem ich ohne Bedenken über die Außenwirkung mein Leben organisiere. Hier in der Wohnung regiert mein ganz eigener Humor, meine ganz eigene politische und kulturelle Einstellung. Und damit auch Dinge, die nichts in der Öffentlichkeit verloren haben.

Natürlich wuselt so ein Heizungsableser durch hundert Wohnungen am Tag. Natürlich wird er sich unsere Bude wahrscheinlich nicht einmal mit der genauen Hausnummer merken. Er wird Wohnungen sehen, die dreckiger sind, geschmackloser, billiger, prunkiger, durchgestylter, unaufgeräumter, unkonventioneller.

Aber dennoch latscht der hier durch, sieht welche Lebensmittel wir essen, wie unsortiert unsere Wäsche rumliegt und was für Möbel wir haben. Und gerade weil er nur 5 bis 10 Minuten hier ist, hat er nicht den Hauch einer Ahnung, was das eigentlich alles zu bedeuten hat. Geht er hier raus und hält uns für linke Terroristen, weil hier irgendwo alte Demoplakate rumhängen. Oder vielleicht für Nazis, weil in unserem Flur prominent eine „Nazis gegen rechts!“-Postkarte pappt?
Ist dreckiges Geschirr für ihn Alltagsansicht, oder liegen wir da zu weit über dem Durchschnitt? Erkennt er Ozies Atelier als kreatives Chaos oder vermutet er eine Messi-Wohnung? Und was bedeutet es, dass auf den Fensterbrettern seit Monaten nicht Staub gewischt wurde? Dass wir es nicht machen – oder dass das eine blöde Fenster uns einfach nicht interessiert, weil wir dieses Zimmer nie betreten?

Alles kein Weltuntergang – viele hätten tatsächlich mehr Sorge, ihr Einkommen anzugeben. Was bleibt, ist immer ein ungutes Gefühl, so lange der Typ im Haus ist.

Im Nachhinein war natürlich alles halb so wild und ich bin sogar froh, die Wohnung mal wieder halbwegs in Ordnung gebracht zu haben. Aber es wird wahrscheinlich noch Jahrzehnte dauern, bis ich es ok finde. Ein bisschen wünsche ich mir die Gelassenheit der alten WG zurück, in der die Leute wirklich ein- und ausgegangen sind, ohne dass es einen interessiert hat…

13 Comments

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13 Responses to Privatsphäre

  1. sherlock

    Tja, ich sage nur Augen auf beim Wohnungskauf bzw. bei der Miete 🙂

    In unserer Wohnung sind seit einigen Jahren Techem Geräte mit Funkanbindung installiert, d.h. seit der Installation braucht kein Heizungsableser mehr in die Wohnung, sondern die Verbrauchswerte werden drahtlos abgelesen.

  2. Bei mir sind dummerweise die Wasseruhren für mich und den Stock höher installiert, so dass die regelmäßig diese Ablesen kommen wollen. Dass ich die selbsttätig bereits Anfang des Jahres via neumodischer E-Mail an die Hausverwaltung schicke, checken die auch nie. Zum Glück bin ich bisher nur zweimal da gewesen, als diese geklingelt haben und ansonsten haben sie sich mit meiner Mail zufrieden gegeben. Nervt aber trotzdem. Meine Wohnung ist mein Königreich und ich habe da eine ganz rigide Einwanderungs- und Touristenpolitik.

  3. @sherlock:
    Ja, irgendeinen Haken gibt es halt immer 🙁
    Vielleicht rüsten sie hier ja auch irgendwann mal um…

    @Der Maskierte:
    Die Option, die Dinger einfach abzulesen, hätte ich auch gern. Dummerweise müssen diese altmodischen Teile hier ja auch noch gewechselt werden. Wobei das bei unserem Verbrauch auch alle 2 Jahre reichen würde. Oder 3 oder 4…

  4. der Schwob

    Umrüsten auf Funk??? Bei eurem Mietbunker??? Was für ein Sender haben die Dinger dann?
    ja die Wohnung ist PRIVAT. Ich sehe es genauso, das in meiner Wohnung, bzw Zimmer niemand reinguckt wenn ich nicht gefragt werde.

  5. Kommentator

    Sash: Mir fallen einige sehr menschliche Gründe ein, warum ich keine Bilder von Deiner Unterwäsche oder von der Unterwäsche beliebiger anderer Leute sehen will… Aber es ist Dein Blog – wenn sich also mal garnichts Bloggenswertes anbieten mag, dann hau die Bildergalerie halt raus, auch das werden Deine Leser goutieren 🙂

    (Disclaimer: Es gibt Menschen, deren Unterwäsche ich mir sehr, sehr gerne ansehe, dann aber in natura, also direkt am Körper – solche Menschen, zumindest einen solchen Menschen, hat hoffentlich jeder. Aber das ist ein anderes, ganz anderes Thema.)

  6. antagonistin

    Darf ich da mal was fragen? Ihr habt ein Zimmer, das Ihr nie betretet? Echt jetzt? Überhaupt nie? Warum nicht? Was ist der Sinn einer 5-Zimmer-Wohnung, wenn ein Zimmer gänzlich ungenutzt ist? Oder ist das so was wie ein Abstell-Keller-Äquivalent? 🙂

  7. @Der Schwob:
    Ich vermute es ja auch nicht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt 🙂

    @Kommentator:
    Ganz so wörtlich wollte ich das eigentlich gar nicht verstanden wissen…

    @antagonistin:
    Naja, gänzlich ungenutzt…
    Das Gästezimmer beispielsweise ist seit Monaten ohne Belegschaft. Und in unserem Wäscheraum passiert eigentlich auch alles zwischen Tür und Trockner. Zwischen Trockner und Fenster eher so gar nix 😀

  8. Bei mir wurden auch Ende des Jahres Funkthermostate/-wasseruhren eingebaut.
    Finde ich eine sehr gute Sache, zumal der Einbauer/Ableser inzwischen schon zum vierten Mal zu mir musste, bis ich zu Hause war.
    Das ist dann schon deutlich praktischer, wenn man nur einmal im Monat in der Wohnung ist.

  9. Samara

    Falls es dich tröstet, ich habe einige Zeit als Schülerin Wasseruhren abgelesen. Ja, ich musste nur ins Bad, aber da geht man ja auch oft durch die ganze Wohnung. Und 99% der Wohnungen hat man sofort vergessen, wirklich sofort. Da muss es schon ein wenig extremer werden. Wie bei der Frau, die alles voller Zeitungen hatte, über dem Bett, unter dem Bett, neben dem Bett, jeder Quadratzentimeter des Bodens war bedeckt mit Stapeln von Zeitungen. Und die gute Frau, die mich sofort ansprach wegen den Strahlen des CIA, von denen sie ferngesteuert wird. Ansonsten will man nur schnell an den Zähler ran, es nervt, wenn noch alles weggeräumt werden muss. Ich bekam damals das Geld pro Zähler, musste vorher hinfahren, um die Zettel in den Hauseingang zu hängen, dann einmal hin zum Haupttermin. Wenn die Leute nicht da waren, dann musste man eine Karte hinterlassen mit dem nächsten Termin. Und wenn ich es richtig im Kopf habe, bekam ich pro Zähler 50 Pfennig, in den meisten Wohnungen waren zwei Zähler.

  10. Äh, Unterwäsche-Bilder habe ich hier nicht gefunden. Gibst du bitte mal den dazugehörigen Link?

  11. Andreas O.

    Um mal ebenfalls die Unterwäsche aufzugreifen: Für mich persönlich ist mein Zuhause auch eine wesentlich intimere Angelegenheit als meine Unterbux!

  12. @Samara:
    Ja, so hab ich mir das auch gedacht. Für den Moment ist es irgendwie trotzdem nicht angenehm…

    @ednong:
    War zwar so nicht gemeint, aber es müsste mal ein Bild gegeben haben. Ist aber glaube ich noch nicht wieder freigeschaltet 🙂

    @Andreas O.:
    Da könnte man jetzt einen Haufen witzige Möglichkeiten finden, wo es vielleicht doch anders sein könnte 😀

  13. anonym

    Grundsätzlich finde ich den Beruf des Ablesers jetzt nicht so schlimm, obwohl es sicherlich bessere gibt (die gibt es so gut wie immer). Es existieren aber immer Berufe und Tätigkeiten, die ich, aus einem ganz persönlichen Blickwinkel, für viel unangenehmer halte. Spontan fällt mir ein: Fahrkartenkontrolleur im ÖPNV. Da frage ich mich schon, was jemanden dazu bringt, eine solche Tätigkeit auszuüben. Oder vielleicht auch Polizist im Streifendienst? Stelle ich mir auch in keiner Weise erstrebenswert vor …

    Aber es ist natürlich richtig, daß man fremde Menschen nicht gern in der Wohnung haben möchte. Ob allerdings die selbsttätige, elektronische Ablesung ein toller Ersatz dafür ist, bezweifle ich. Da können also irgendwelche Typen in irgendeiner Rechnerzentrale in die einzelnen Wohnungen schauen und bei Tag und bei Nacht feststellen, ob da vmtl. jemand zu Hause ist und was diese Person gerade tut – anhand des Stromverbrauchs. Und ganz ähnlich bei der Heizung. Na toll!

    Aber hier ein Tip aus dem Alltag: Um solche Besuche zu vermeiden, kann man es immer einrichten, NICHT ZU HAUSE ZU SEIN! Mittlerweile bieten alle Strom- und Gas-Versorger den Service an, daß man selbst den Zählerstand abliest und einsendet. Klappt bei mir seit Jahren beim Gas (Stromzähler ist bei mir nicht in der Wohnung). Vor allem habe ich seit langem nicht die geringste Lust, Urlaub zu nehmen, bloß weil jemand einen Zähler angaffen möchte. Und das FUNKTIONIERT EBEN AUCH BEI DER HEIZUNG – wenn man nur konsequent ist. Denn wenn die einen zweimal nicht antreffen, schätzen sie auch, nach Vorjahr (ganz egal, ob da was ausgewechselt werden muß). Habe auch ein paar Jahre gebraucht, um das herauszubekommen. Seitdem betritt niemand mehr meine Wohnung, den ich da nicht haben will. Und die Heizungsröhrchen sind bei mir seit mehr als fünf Jahren nicht mehr gewechselt worden! Auch wenn sie jedes Jahr neuerlich einen Versuch starten … Stur bleiben lohnt sich.

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