Wetten was?

Soso, gestern Abend lief also die letzte „Wetten dass?“-Sendung mit Thomas Gottschalk. Und? Irgendwie hat mich das alles einen feuchten Dreck interessiert. Das muss nicht zwingend an „Wetten dass?“ liegen, obwohl ich nach der Beurteilung von Stefan Niggemeier auch nicht das Gefühl habe, etwas epochales verpasst zu haben.

Diese von mir nicht gesehene Sendung zeigt mir einmal mehr ganz deutlich, dass das Fernsehen für mich tot ist. Und zwar richtig tot. Aus Zeiten, zu denen meine Mutter nicht nur noch gelebt hat, sondern sogar noch mit meinem Vater verheiratet war, kenne ich sie durchaus auch: Die langen Abende mit „Wetten dass?“ im Kreise der Familie. Sicher, die große Unterhaltung hat mich in jungen Jahren wenig interessiert. Letztlich ging es immer nur um die Wetten und vielleicht noch darum, wie sehr Gottschalk überzieht und was der Herr Wickert anschließend für einen kessen Spruch auf Lager hatte.

Aber seien wir mal ehrlich: Die Zeiten, in denen ein frei gesprochener Satz in Deutschlands seriösesten Nachrichten irgendwie aufregend und lustig war, sind einfach vorbei. Aber ein großer Freund der Unterhaltungsshows war ich ohnehin nie. Obgleich ich verschiedenste Dinge mag: Von Comedy bis Talk, von Spannung bis Sex – ich habe selektives Sehen stets bevorzugt – und auch die meiner Meinung nach gerade sehenswerteste große Abendshow „Schlag den Raab“ würde ich mir nie geben, ohne wenigstens die Werbung überspulen zu können.

Was mich angeht, hat das Internet das Fernsehen getötet. Aber das war nicht sonderlich schwer. Als das Internet sich viel zu spät in mein Leben geschlichen hat, mit dem Einzug in meine herzlich chaotische WG, da stand der Fernseher ohnehin schon etliche Zeit scheintot in der Gegend rum und hat nur gelegentlich mal ein Video wiedergegeben.

Wenn ich jetzt Texte über Gottschalk, „Wetten dass?“ und das Fernsehprogramm lese, kommt mir das fast schon vor wie ein Text über meine Kindheit, über lange vergangene, fast schon historische Zeiten. Mich befremdet der Gedanke, dass ein Großteil unserer Gesellschaft sich Unterhaltung und Informationen über diesen so einseitigen Kanal besorgt. Sicher, irgendwann wird das vielleicht zur Gewohnheit. Irgendwann kann man nicht mehr aus seiner Haut und nutzt, was man immer schon genutzt hat. Das Traurige ist, dass ich das mit meinen bescheidenen 30 Jahren auch schon feststelle. Ihr lest immerhin gerade den Text von jemandem, der mit 26 Jahren das erste Mal eine SMS geschrieben hat, weil er überzeugt war, er brauche das alles gar nicht.

Aber zurück. Es mag sein, dass Gottschalk ein großer Moderator ist / war. Zudem kann man ihm bescheinigen, dass er sich für sein Alter gut gehalten hat und vielleicht sogar, dass er die Sendung gestern – die ich ja nicht gesehen habe – gut über die Bühne gebracht / bereichert / veredelt / was auch immer hat.

Für mich persönlich wäre selbst die Abschaffung von „Wetten dass?“ oder des Fernsehens selbst nur die Beseitigung eines Anachronismus.

Um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: All die meines Erachtens nach wirklich guten Formate und Kunstformen, die das TV uns gebracht hat, funktionieren durchaus auch im Netz, und dann sogar mit multimedialer Erweiterung, so diese sinnvoll ist.

Um der Geschichte doch ein klein wenig Respekt zu zollen, beende ich das Ganze mit einer Wette. Mit einer Wette, die länger läuft, als „Wetten dass?“ es bisher geschafft hat:

Wetten, dass meine Kinder irgendwann mal mit dem Fernsehen nichts elementares emotionales verbinden werden?

13 Comments

Filed under Medien

13 Responses to Wetten was?

  1. Kat

    Kinder???? Willst du uns was mitteilen? 😉

    Viele Grüße, Kat

  2. Daniel

    Schöner Kommentar, dem ich mich mal fast vorbehaltlos anschließe. Mein Fernseher steht auch nur noch als Abspielgerät da, meistens für Serien (natürlich werbefrei). Shows etc. schaue ich auch so gut wie gar nicht.

    Ein Aspekt den du nicht erwähnt hast, und der mich am Fernsehen stört, ist die Bindung an bestimmte Uhrzeiten. Ist für mich absolut nicht mehr zeitgemäß. Aber kann man ja in Verbindung mit Festplattenrekordern elegant umgehen.

    Ach ja, für mich ist die SMS seit etwa 2 Jahren tot. Du hast doch auch ein Smartphone. Lade dir mal WhatsApp runter. Dagegen kann jede SMS einpacken. Ist für mich ein absolutes Auslaufmodell. Und dass jeder Anbieter mittlerweile eine Flat für 10 Euro auf den Markt schmeißt, ist für mich der Beweis, dass die Anbieter damit das sinken des Schiffs noch etwas hinauszögern wollen.

  3. Jungspund! Der klassische Wetten-daß-Überzieher war immer noch Frank Elsner, daher ja auch die Zeiteinheit „ein Elsner“ für die normale Überlänge dieser Sendung (20 Minuten). Und als Kind bestand die klassische Sonnabendabendunterhaltung aus der Sendung „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell. 🙂

  4. Als Remineszenz an die Zeit, als ich noch ein kleiner Maskenträger unter der unmaskierten elterlichen Knute war und „Wetten, daß…?“ noch der Gipfel der Unterhaltung für die Familie am Sonnabend darstellte, habe ich mir die letzten beiden Shows angeschaut. ZDF-Mediathek bzw. Zattoo machen mir Rundfunkverweigerer dies möglich.

    Was die vorletzte Show anbelangte, die war wirklich so, wie ich „Wetten, daß…?“ in Erinnerung hatte aus der „guten“ und vor allem alten Zeit. Gestern Abend, naja. Hätte schlimmer kommen können, aber was soll’s.

    Da deine Kinder aber in die Schule gehen werden und der Mainstream immer noch massiv Fernsehen schaut, werden deine Kinder auch noch eine emotionale Bindung an das Medium entwickeln. Mal mehr, mal weniger.

    Eine Wette, die ich aber mitgehe ist, dass das TV nicht mehr die zentrale Rolle spielt, die es noch bei sehr vielen einnimmt. Es wird nur noch ein Medium von vielen sein, was es jetzt teilweise schon bereits bei vielen ist und immer mehr wird.

  5. Ich finde es gibt heutzutage auch einfach nichts Sehenswertes mehr im Fernsehen. Früher gab es wirklich noch unterhaltsame Shows und gute Informationssendungen, selbst die Zeichentrickfilme waren besser als die heutigen. Ich erinnere mich gerne an die vielen Samstagmorgen die man als Kind im Schlafanzug vor dem Fernseher verbracht hat, in Erwartung an den ein oder anderen lustigen Trickfilm.
    Wenn ich aber heute den Fernseher anmache, entdecke ich eigentlich nur noch schlecht recherchierte Dokumentationen, Menschen die sich für Geld dumm stellen und sensationslüsternde Reportagen. Das macht keinen Spaß… deshalb bleibt bei uns der Fernseher aus. Das Internet biete bessere Möglichkeiten sich zu informieren.
    Und doch… wenn ich an die Samstage meiner Kindheit zurückdenke… kommt Wehmut in mir auf…

  6. @Der Berufene:
    Ganz ehrlich: Die meisten Zeichentricksendungen sind ziemlich mies, wenn man sie als Erwachsener nochmal ansieht…
    Ich stimme deinem Programmbashing schon irgendwie zu, aber ehrlich gesagt: Das ist für mich echt nicht der Hauptgrund, die Kiste auszulassen…

  7. @ Sash
    Der Hauptgrund ist es für mich auch nicht. Ich habe eine tolle Frau, einen Hund, viel Arbeit und in meiner Freizeit besseres zu tun als fernzusehen. Soweit ich weiß habe ich das Ding nach unserem letzten Umzug noch nichtmal mehr angeschlossen. Zu dem Zeitpunkt wurde er auch aus dem Wohnzimmer verbannt.
    Mein Kommentar war eben als wehmütiger Rückblick auf Zeiten gedacht, in denen man noch gern ferngesehen hat.

  8. Nihilistin

    Die Wette bzgl. Deiner Kinder gehe ich nicht mit :-)…Du könntest Recht haben.
    Ich möchte aber auch nochmal ne andere „Marke“ setzen, die zwischen den Wetten-Dass-Guckern und den Nur-Noch-Internet-Guckern. Es gibt ne Menge Leute im mittleren Alter (so wie ich), die i_h_r_e_n eigenen Umgang mit den verschiedenen Medien gefunden haben, und zwar als Mischform. Ich schaue nach wie vor auch klassisch fern, und die Anzahl meiner Freunde und Bekannten, die (wie früher!) am Sonntag abend in „Echtzeit“ Tatort schauen, ist nicht klein. Und ich schaue Fernsehmitschnitte von Filmen, ich schaue aus Mediatheken, und ich schaue DVDs. (Apple-TV oder Maxdome nutze ich nicht).
    Und für eine Mittvierzigerin wie mich ist es nunmal ein ganz tief verwurzeltes Ritual, um 20 Uhr die Tagesschau anzuwerfen, selbst wenn ich mir über mein iPad die TS quasi 24 Stunden lang in freier Zeitwahl ansehen kann.
    Sprich: Ich finde, dass Leute wie ich die größte Freiheit haben; nämlich klassisch und neuformatig zugleich zu schauen. Ich hole mir das, wonach mir ist.
    Und freue mich nach wie vor über unerwartete positive Überraschungen, denen ich beim klassischen Zappen begegne – und die ich beim gezielten Gucken und Schauen definitiv nie entdeckt hätte. Ich würde es vermissen, würde ich nicht z.B. (wie neulich) bei einem ganz unbekannten, ziemlich abgedrehten französischen Spielfilm über eine Reisegruppe in Nordkorea gelandet sein, den ich niemals gefunden hätte, hätte er mich nicht bei arte gefunden.
    You know what I mean? 🙂

  9. idriel

    @Nihilistin
    Absolut richtig!

  10. Steffen

    Das Fernsehen an sich ist nicht tot. Das Problem ist eher, dass richtig gute Produktionen sehr viel Geld kosten und z.B. ein Ü-Wagen massig Kapital bindet.
    Formate werden heutzutage nach Massentauglichkeit und Uhrzeit entwickelt. Es ist nicht umsonst so, dass gute Konzerte oder Kultur auf Spartenkanälen wie ZDFneo oder den Dritten laufen. Diese werden vorwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert und verfügen über ein umfangreiches Archiv sowie eine gute Vernetzung Deutschlandweit.

    Grundsätzlich kommt dem Fernsehen in Deutschland, insbesondere dem öffentlich-rechtlichen immernoch die Pflicht der Informationsverteilung zu.
    Die Privaten versuchen dagegen mehrheitlich Werbetaugliche Formate zu besten Sendezeiten zu platzieren.
    Da ich die Technik und Kosten im Hintergrund kenne und natürlich auch die verschiedenen Arbeitsweisen sehe, denke ich einschätzen zu können, dass das Fernsehen über kurz oder lang den Schritt ins Internet macht und Video on Demand Dienste Shows, Filme und Nachrichten liefern werden wann und wo man will. Denn ein Problem bleibt aktuell – Die Sender und Empfänger können gute Bilder liefern, es hapert an der Übertragung. Hier kann das Internet wunderbar ansetzen.

    Selektives sehen, am liebsten mit Festplattenreceiver, ist und bleibt für mich eine Alternative. Da mir „leider“ die Zeit für die besten Shows am Nachmittag fehlt, weich ich auf o.g. Inhalte aus. Und Tatort ist und bleibt eine der besten Kriminalproduktionen.

    Steffen.

  11. @Nihilistin:
    Gut, den Vorteil, auch mal andere Dinge zu finden, mag ich gewissermaßen gelten lassen. Auf der anderen Seite passiert mir das im Netz auch sehr häufig. Nicht unbedingt mit französischen Spielfilmen, aber mit einer ganzen Menge anderem Zeug.

    @Steffen:
    Dass es gute Produktionen gibt, mag sein. Aber gerade die zeitgebundene Ausstrahlung ist in meinen Augen überholt. Sicher ist es mal für große Events, die live gesendet werden, notwendig, im Großen und Ganzen finde ich es allerdings wirklich nicht mehr zeitgemäß, seinen Tagesablauf nach dem Fernsehprogramm zu richten.

  12. idriel

    Ich mache auch sehr häufig Gebrauch von meinem Festplattenreceiver, wegen a) der dann nicht mehr so lästigen Werbung und b) ich gucken kann wann ich will.

    Trotzdem finde ich es manchaml schön zu zappen, eben wegen der „Zufallsfunde“ wie Nihilistin es beschrieb.

    Ich glaube was bei einigen Leuten auch viel ausmacht ist der „Berieselungseffekt“ – die konsumieren einfach was so läuft. Da muss nichts entschieden werden…wenn man im Internet surft muss man sich erst mal Gedanken machen WO und WAS man guckt – selbst wenn man sich von Klick zu Klick hangelt muss man Entscheidungen treffen.

  13. Pingback: Neues Niveau | Sashs Blog

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