Monthly Archives: Februar 2016

Schlimme Flüchtlinge!!1!!einself!

Ja, ich würde das ewige Vergleichen in der Debatte über Asylsuchende auch gerne meiden. Ich würde auch gerne einfach ganz vernünftig sagen:

„Hey, die Welt ist offenbar scheiße. Zu den einen mehr, zu den anderen weniger. Und von ersteren suchen derzeit viele Hilfe in Deutschland – und lasst uns doch mal drüber nachdenken, wie wir als eher vom Glück Begünstigte da sinnvoll mit umgehen können.“

Und ich würde gerne das ganze Begleitprogramm fahren und auf regenbogenpupsende Einhörner auf grünen Wiesen setzen und hoffen, dass das auch die letzten Schreihälse friedlich stimmt. Stattdessen kommt als Antwort außerhalb der eigenen Filterbubble natürlich immer nur Hass. Und untermauert wird der mit (ohnehin meist erfundenen) Geschichten darüber, wie schlecht all die Flüchtlinge für Deutschland sind, wie schlimm die Menschen sind, weil sie nicht von hier kommen, wie schlimm das ist, weil es doch ach so schlimm ist. Diese Geschichten halt. Jede Schlägerei in einer Flüchtlingsunterkunft wird als Beweis hergezogen, dass (zum Beispiel) Muslime einfach unzivilisiert sind. Und, seien wir ehrlich: Egal, wie linksversifft oder rechtsaußen wir sind: Das ist doch plausibel! Man selbst würde sich ja niemals grundlos prügeln. Prügeln vielleicht ja, aber grundlos? Das liegt natürlich an der „südländischen Mentalität“ und sowas.

Klar, mit etwas mehr Interesse am Lesen der Buchstaben neben den Bildern von verwüsteten Zelten könnten wir alle auf die Idee kommen, dass Menschen vielleicht ähnlich wie Hühnchen nicht sonderlich gemacht sind für perspektivlose Massenunterbringung. Aber wer hat jemals schon irgendwas gelesen, was einem nicht in den Kram passt?

Liebe „Besorgte“: Ich hab als Gutmensch in letzter Zeit eine Menge gelesen, was mir nicht in den Kram passt. Jede Menge rechte Seiten, auf denen o.g. gepostet wurde. MIR wäre das nicht eingefallen, glaubt mir bitte!

Und da der Holzhammer gerade angesagtes Kommunikationsmittel der Wahl ist, hab ich mich ernstlich über einen Tweet von Jan Böhmermann gefreut, der gestern wie folgt aussah:

Und er hat Recht: Das sollte man sich mal durchlesen!

Der dort verlinkte Artikel aus dem Spiegel von 1990 liest sich wie eine Blaupause der derzeitigen Probleme: Deutschland kann das alles nicht verkraften, sollte die Grenzen schließen, bricht zusammen. All die Flüchtlinge bedrohen den Wohlstand, finden keine Bleibe, nutzen das Sozialsystem aus. Noch schlimmer: Sie sind undankbar, prügeln sich in den Unterkünften, belästigen Frauen, werden sonstwie gewalttätig.

Nur, Kenner der Geschichte werden es anhand des Datums erahnt haben: Es ging hier beileibe nicht um Muslime oder „Nordafrikaner“. Es ging hier um Ostdeutsche. Teilweise also sogar um Sachsen. So wie heute Teile der Sachsen den selben Scheiß verbreiten. Ironie der Geschichte, was?

Ebenso wie Syrern unterstelle ich selbstverständlich auch den Sachsen nicht aufgrund ihrer Abstammung irgendwas schlimmes. Dieses Messen mit zweierlei Maß überlasse ich immer noch den Rechten. Der Punkt ist: Dieser Bericht von 1990 zeigt recht eindrucksvoll, dass man immer, wenn man Menschen in Extremsituationen verblendet unter die Lupe nimmt, die wundersamsten und abscheulichsten Dinge beobachten kann. Analog zu Flüchtlingsgeschichten könnte man auch psychologische Experimente anschauen: Das Stanford-Prison-Experiment z.B., um nur das bekannteste zu nennen.

Und wenn wir das dann alles durchgelesen haben: Liegt es jetzt wirklich in der (ost-?)deutschen Natur, sich gegenseitig zu verprügeln oder besoffen auf die Bettlaken anderer Leute zu pinkeln?

Ich habe die Vermutung, selbst der ein oder andere überzeugte Nazi hätte plötzlich ein Problem mit dieser Theorie. Was schwierig für ihn werden dürfte, denn wie ich bereits oben umrissen habe: Der Spiegel-Artikel (Und ja, liebe Nazis: 1990 hatte der Spiegel noch eine deutschlandweit anerkannte Qualität!) ist für diese Theorie der selbe „Beweis“ wie die derzeit diskutierten Postings über syrische Geflüchtete auf Facebook.

Und damit zu einem gleichermaßen erwartbaren wie dennoch eindeutigen Fazit: Nazis sind mitnichten Scheiße, weil sie eine andere Meinung als ich haben. Das dürfen sie gerne weiterhin. Nazis sind Scheiße, weil ihr Ziel darin liegt, bar jeder Faktenlage andere Menschen für minderwertig zu erklären, nur weil sie nicht wahrhaben wollen, dass sie nicht besser sind als wir anderen auch. Und weil sie wider besserem Wissen darauf beharren. Und das ist nun mal die weltweit anerkannte Defintion von Arschlöchern, was soll man da machen?

PS: Dagegenhalten! Immer wieder!
Ich will nicht nur über diese Scheiße bloggen, die so offensichtlich ist. Aber in Zeiten, in denen rechte Gewalt alltäglich ist, in der am Ende dann doch auch die Regierung das Asylrecht erkennbar unnötig verschärft: Wir dürfen diesen Arschlöchern nicht die Diskurshoheit überlassen, nur weil Facebook sich noch zu fein ist, alle Nazikommentare zu löschen! Diese peinlichen Jammerlappen und unzufriedenen Rechercheunfähigen sind NICHT „das Volk“!

NAZIS FUCK OFF!

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Gesehen: #OperationNaked

Sie ist schon ein paar Tage durchs Netz gegeistert: Die Schein-Dokumentation (Mockumentary) „Operation Naked“ von Mario Sixtus. Ich hab ein bisschen mit mir gerungen, ob ich mir wirklich ansehen will, was passieren würde, würden plötzlich Datenbrillen im deutschen Alltag auftauchen. Ich fand Sixtus bisher immer spannend, aber am Ende stand da dann doch immer der Vorbehalt: Ein deutscher Film über Zukunftstechnik – nee, ist klar!

Aber das war unbegründet. Dabei ist Operation Naked vermutlich der deutscheste Film, den ich in den letzten 10 Jahren gesehen hab. Er besteht im Wesentlichen aus einem Zusammenschnitt deutscher Talk- und Nachrichtensendungen, anhand derer man die fiktive Einführung dieser Technik mitverfolgen kann. Alleine die geballte Fernsehprominenz ist selbst für Nichtgucker wie mich überwältigend gewesen, und das nicht grundlos oder zum Selbstzweck: Das verleiht dem Ganzen neben einigen, teils skurrilen, neuen, Ideen eine unfassbare Glaubwürdigkeit.

Noch wichtiger allerdings: Der Film schwingt keine Pro- oder Contra-Keule, sondern zeigt (in extremer Form) sowohl Potenzial als auch Gefahr des total gläsernen Bürgers und ist zeitgleich auch eine ironietriefende Satire auf den gesellschaftlichen Umgang mit dem eigentlich wichtigen Thema. Alleine die Rolle der Politik in Operation Naked bringt einen abwechselnd zum lachen und heulen, je nach Standpunkt. Und trotzdem wirkt es bis auf ein paar wenige Punkte kein bisschen weit hergeholt.

Ich fand’s jedenfalls gleichermaßen spannend wie unterhaltsam. Der Film ist in der ZDF-Mediathek zu finden.

Und Datenbrillen? Ja oder nein? No oder go? Ich kann’s immer noch nicht sagen, ganz ehrlich. Aber vielleicht sollte man diese Entscheidung auch keiner fiktiven Doku überlassen. 😉

 

 

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Gefühlte Verluste und sofortige Verbrechen

Mir fällt ja kaum noch was ein zu all den ekligen rassistischen An- und Übergriffen in Deutschland. Und obwohl’s mich interessiert, hab ich den Großteil nicht einmal mitbekommen in letzter Zeit, weil’s so langsam ja zu einem alltäglichen Rauschen geworden ist, wenn irgendwo ein Haus angezündet wurde, Menschen bedrängt wurden oder widerliche Hetze mit Mordaufrufen irgendwo aufgetaucht ist.

Obwohl’s glücklicherweise meist immer noch berichtet und verurteilt wird.

Ja, eine Aufarbeitung gibt es glücklicherweise – und obwohl ich sie mir hier und da besser vorstellen könnte und auch seitens der Politik viele fatale Fehler gemacht werden – im Vergleich zu beispielsweise Rostock ’92 funktioniert die Zivilgesellschaft hier und da noch weitgehend. Sachliche Widerlegungen der dümmsten Nazi-Argumente gibt es zuhauf, das Debunking von Falschmeldungen läuft auf Hochtouren und jeder mit einem Funken Restskeptizismus muss nicht der menschenverachtenden Seite anheim fallen, sondern hat die Chance, sich nochmal zu überlegen, ob die eigene Weltanschauung sich mit der Wirklichkeit verträgt. Im Rahmen der sachlichen Auseinandersetzung sind so viele gute oder zumindest halbwegs gute Texte erschienen, die ich einfach deswegen nicht verlinke, weil sie zu zahlreich sind.

Ich möchte mich daher bei diesem Kommentar mit einem oft nebensächlichen Aspekt der Debatte beschäftigen, nämlich der Feststellung, was für erbärmlich scheinheilige Widerlinge die derzeit die politische Debatte mitprägenden Freizeit-Nazis sind.

„Gut, dass wir widerlich sind, hören wir dauernd!“, werden da jetzt einige Nazis sagen, aber mir geht es erst einmal nicht um das rassistische Gedankengut an sich. Ich hab schon verstanden, dass man, sobald man sich „sorgt“, Angst vorm „schwarzen Mann“ haben soll.

Nein, was in meinen Augen ein sehr interessanter Teil der Argumentation der Ich-bin-ja-kein-Nazi-aber-Nazis ist: Dieses Herumwedeln mit der deutschen Ordnung und mit der Sicherheit. Denn wenn man den ach so heimatverliebten Vorzeigedeutschen Glauben schenkt, dann geht es ja gerade nicht um Rassismus, sondern nur darum, dass „die Flüchtlinge“ anders sind als „wir Deutschen“. Was zwar Rassismus in Reinform ist, aber wer schert sich schon um Fakten? „Anders“ bedeutet natürlich kriminell und asozial und und und. Kurz: „Die“ stören den Frieden in „unserem schönen Land“.

Dieses Schüren von Ängsten vor dem Unbekannten hat natürlich System und bedient sehr durchschaubar niedere Instinkte, die ziemlich wenig mit Hochkultur gemeinsam haben – aber es überführt die sich selbst als „gemäßigte Patrioten“ (oder was auch immer) bezeichnenden Randgestalten doch der völligen Inkompetenz.

Denn auch ohne allzu polemisch zu sein, kann man gerade schön beobachten, wie Ordnung und Sicherheit gerade von den Rechten völlig demontiert werden. Wenn man sich die Vorfälle in Clausnitz z.B. anschaut, dann wird klar, dass ohne rechte Pöbler einfach ein Bus durchs Dorf gefahren wäre (das ist sicher auch dort schonmal passiert!) und ein paar Menschen in ein Haus eingezogen wären. Daraus hätte sich sicher kein Drehbuch für eine Tatort-Folge machen lassen, egal wie langweilig die meisten davon ohnehin sind.

Und auch in Bautzen wären irgendwann einfach ein paar neue Menschen eingezogen. Ohne die ordnungsliebenden Deutschen hätte es dort keinen Brand gegeben und auch die (gute deutsche) Feuerwehr wäre nicht beim Löschen deutscher Qualitätsarchitektur behindert worden.

Überhaupt: Massenhafte Ansammlungen von betrunkenen und aggressiven Menschen! Hat Köln uns nicht gelehrt, dass das keine so tolle Idee ist?

Mal im Ernst, liebe „besorgte Bürger“: Keiner bezweifelt, dass es auch unter Flüchtlingen das ein oder andere Arschloch gibt. Aber wie betriebsblind muss man bitte sein, um brennende Häuser zu bejubeln, weil man Kriminalität verhindern will? Noch besser: Wie rechtfertigt man das Rumpöbeln auf der Straße, wenn der erklärte Zweck ist, dass einen „die anderen“ nicht im Alltag stören?

Und kommt jetzt bloß nicht mit den Linken! Ja, die zünden auch mal Autos an und prügeln sich mit den Cops. Aber der Witz ist: Die wollen gerne ein bisschen mehr Chaos, weniger Ordnung und weniger Überwachung. Ihr dürft das gerne falsch finden, aber das ist in sich wenigstens vergleichsweise stimmig.

Im Grunde ist es wirklich dermaßen billig: Die Rechten (in all ihren Schattierungen) nutzen die (größtenteils an den Haaren herbeigezogenen) Theorien über potenzielle Gefährungen des Gemeinwohls, während sie gleichzeitig genau selbiges gefährden. Ein Haus, in dem Frauen und Kinder wohnen, anzuzünden ist völlig ok, weil das die Vergewaltigung von Frauen verhindern könnte! Ja, nee … is‘ klar.

Die Erklärung für dieses Verhalten ist natürlich nicht schwer zu finden. Natürlich geht es einfach nur um absolut reinen und unverfälschten Rassismus. Es geht nur darum, dass Flüchtlinge eben kein Recht auf ein friedliches Leben wie „wir“ hier haben. Dass von „denen“ ja ruhig einer sterben kann, bevor er hier z.B. eine Sozialleistung in Anspruch nimmt.

Und genau das wollte ich aufzeigen. Ich habe nicht die Hoffnung, viele „Besorgte“ damit zu erreichen. Aber ich wollte klarstellen, dass sich auch kein Ich-hab-DAS-doch-nicht-gewollt-Bürger  hinter dem vermeintlich gut gemeinten Derailing um „Recht und Ordnung“ verstecken kann.

Natürlich stellt uns eine größere Zuwanderungswelle wie die jetztige vor neue Aufgaben. Sie wird positive und negative Folgen haben, schon klar. Aber jetzt Verbrecher zu bejubeln, in der Hoffnung, sich irgendwo anders ein paar Verbrecher zu ersparen … echt jetzt?

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Schmerzen an der Decke

Ich fand, als ich klein war, den Gedanken immer ein wenig gruselig, dass sich die Körpergröße nicht nur während des Wachstumsprozesses ändert, sondern auch später noch – ja, sogar von morgens bis mittags. Andererseits war dieses Bild vom entspannten Aufstehen und dem Zusammensacken im Laufe des Tages schon zu Schulzeiten irgendwie plausibel. Und wie so ein Tag einen runterzieht!

Kleiner Sprung in die Gegenwart: Ich hab Schmerzen.

Bevor mich im Laufe meiner Schlafenszeit die halbe Familie weckt: Keine Panik, es ist wirklich nix wildes. Ich hab mir einen Nerv eingeklemmt, bzw. entzündet, wer will’s schon so genau wissen, die Ärztin meint jedenfalls, dass das kein Problem sei. Hin und wieder mal etwas dehnen und strecken, ggf. Schmerzmittel, dann wird das wieder. Klingt allerdings unter der Diagnose Thoraxblockade für Nichtmediziner wesentlich schauriger, weswegen ich es hier erst hinterher schreibe.

Von allem Quatsch an Krankheiten, die ich in den letzten 34 Jahren so gesammelt hab, ist das eine der interessantesten. Oder ich bin heutzutage am interessiertesten, das kann natürlich auch sein.

Nein, dieser Nerv (irgendwo unterhalb der linken Rippen) ist wirklich ein Prachtstück von Arschkeks. Ich hatte vor einigen Jahren schonmal Stress mit dem Ischias. Das jetzt ist ähnlich, aber komplett anders. Damals war klar: Alles, wo man vom Sitzen zum Stehen oder Liegen wechseln musste, „ging nicht“, tat also höllisch weh und man hatte keinen Grund, freiwillig darüber nachzudenken. Selbst nicht für Geld. Der jetzt ist gemeiner – der startet Überraschungsattaken. Ich war drei Tage damit arbeiten und es ging recht gut. Mal zwiebelt’s beim Einsteigen, mal nicht. Und dann hab ich gemerkt: Oh, aber mit der rechten Hand Türen öffnen tut weh. Das Hinsetzen im Bett nicht, das Umdrehen schon. Manchmal. Und guckt mal, ich kann den Arm völlig schmerzfrei soooo hoch … aua, gestern ging noch höher!

Mit anderen Worten: Von ungelogen entspanntem Einatmen bis zum Springen kann alles wehtun, tut’s aber nur selten  – wenn mich der Nerv gerade verarschen will.

Also gut: Ich will das also loswerden und da Ibuprofen nicht kostenlos sind, drehe und winde, strecke und dehne ich mich seit gestern auch ein wenig. Sport will ich’s noch nicht nennen, aber stellenweise hat’s in Einzelmomenten Ähnlichkeiten mit Gymnastik.

Und – um die Schleife zu schließen – dabei hab ich dann wirklich erstmals an mir selbst festgestellt, dass dieses Schrumpfen im Laufe des Tages selbst bei Sitzgemüse wie mir eindrucksvoll nachweisbar ist. Denn als ich im Laufe des gestrigen Morgens ein paarmal zur Übung die Hände zur Decke streckte, war das ein Kraftakt, ganz ohne Mithilfe der Füße ging es nicht. Und dann, nach etwas Schlaf – könnte ich wie beiläufig mit den Fingern unsere Raufasertapete abziehen. Ich möchte ganz ehrlich sagen: Das ist eindrucksvoll, denn gefühlt bin ich selbstverständlich immer gleich groß. Und sowieso so viel größer als die meisten anderen, dass es um ein paar Zentimeter nicht geht.

So, und jetzt hoffe ich, dass der Vorschlag meiner Ärztin ähnlich eindrucksvoll Wirkung entfaltet. Wissenschaft muss wohl manchmal weh tun.

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