Die Sache mit der Sicherheit

Manche Themen sind so nervig und so ausgelatscht, dass man … ja was?

Immer wieder über sie diskutieren muss!

Und Sicherheit ist leider so eine Sache. Ich vermute, wir sind uns alle einig, dass Sicherheit an und für sich etwas tolles ist. Und auch etwas erstrebenswertes. Es ist ein unglaublich beruhigendes Gefühl, dass ich hier am PC sitzen kann und nicht befürchten muss, dass in den nächsten Minuten eine bewaffnete Horde Menschen die Wohnungstür aufbricht, um mich und Ozie zu lynchen. Hätte ich permanent diese Angst im Nacken, dann wäre mein Leben um einiges unschöner und ich weiß es zu schätzen, dass ich diese Furcht nicht ernstlich haben muss.

Aber: Alles hat Grenzen!

Drüben bei GNIT liege ich gerade mehr oder weniger mit einem Kommentator im Clinch, der mir einzureden versucht, ich solle zum einen wesentlich wählerischer bei meinen Fahrgästen sein, zum anderen auch bitte nicht in meinem Blog erwähnen, dass ich auch mal über 200 € eingenommen hätte, weil derartige Informationen immer auch Räuber anlocken würden. Während ich die grundsätzlichen Überlegungen zu diesen Themen befürworte und durchaus auch bereit bin, hier und da meine Meinung nach entsprechender Sachlage zu ändern, muss ich doch vorerst sagen:

BULLSHIT!

Ich gehöre nun wirklich zu den Menschen, die sich äußerst ungern auch nur streiten, die keinerlei Wert auf Auseinandersetzungen legen, sondern immer nur Diskussion und Kompromiss im Sinn haben. Aber derlei Vorschläge hinterlassen mich gleichermaßen ratlos wie aufgebracht. Vorsichtig zu sein ist eine Sache, aber der Sicherheit überall und scheinbar bedingungslos den Vortritt zu geben, macht das Leben lebensunwert. Mein Chef z.B. rühmt sich damit, niemals einen betrunkenen Menschen gefahren zu haben. Ich zweifele das nicht nur ein wenig an, ich stelle zudem fest, dass es kein Wunder ist, dass ich einen offenbar lesenswerten Blog übers Taxifahren schreibe und nicht er. Aber das ist nicht einmal der Punkt. Denn wenn es mir wirklich um Sicherheit ginge, dürfte ich gar nicht nachts, nein eigentlich nicht einmal Taxi an sich fahren.

Denn Teil des Jobs wie des Lebens ist es, mit Menschen zu kommunizieren. Geschäftlich, privat, mit netten und mit blöden Menschen, immer wieder und wieder. Und Menschen sind in letzter Konsequenz immer unberechenbar. Menschen werden Opfer von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Berufes, ihres Verhaltens, ihres Aussehens, ihres Daseins an sich. Das ist nicht toll und nichts davon ist irgendwie verteidigenswert, aber ebenso ist es nicht grundsätzlich einfach abschaffbar.

Und mehr noch als besagter Kollege und Kommentator bei GNIT wollen uns alle möglichen Menschen immer wieder genau dieses Konzept verkaufen:

„Lass uns dieses oder jenes noch richtigstellen, dann ist das gut so.“

Ich sage es noch einmal: BULLSHIT!

Wir können Risiken vermindern, Grenzen verschieben, Wahrscheinlichkeiten beeinflussen. Das können wir, das können wir sogar in manchen Bereichen sehr effizient. Taxifahren im Panzerwagen wäre ein sehr sicherer Job, aber es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Taxifahrer anno dazumal in der BRD die gesetzlich vorgeschriebene Trennscheibe abgeschafft haben.

Wir mögen unsere Prioritäten im Einzelfall anders setzen, aber Sicherheit ohne Freiheit ist einen Scheißdreck wert! Würden wir Panzerwagen als Taxen einsetzen, wäre beispielsweie GNIT hinfällig. Sicher für viele ein verkraftbarer Verlust. Für mich nicht! Und wir alle haben unsere Privatsphäre und ein Recht darauf, Dinge zu tun, die fragwürdig sind. Und damit meine ich keine kriminellen Dinge. Aber wer überwacht, ob meine Fahrgäste friedlich sind, bekommt auch mit, ob sie verliebt, betrunken oder dämlich sind. Wer überwacht, ob ich im Internet nach Bombenbauanleitungen suche, wird auch feststellen, welche Pornos ich ansehe und wer Einbrecher vor meiner Tür stoppt, hat auch die Möglichkeit zu beobachten, wie oft und was ich einkaufe.

Ich würde es gerne zu 100% ausschließen, mit meinem Job meine Gesundheit oder mein Leben zu riskieren. Ehrlich. Natürlich! Aber das kann ich nicht. Und das werde ich nicht können, indem ich meine Fahrgäste alle nach dem Ausweis frage, sie nur nackt einsteigen lasse, einen Panzerwagen fahre oder wie jetzt auf meine Menschenkenntnis vertraue. Ich lebe mein Leben und habe meine Arbeit hier und jetzt. In dieser – an vielen Ecken verbesserungswürdigen – Gesellschaft. Und genau hier und jetzt und so mache ich meinen Job gerne. Das bedeutet, ich bringe auch mal Leute ans Ziel, die kurios wirken und es bedeutet, dass ich selbst herausfinden muss, wo meine Grenzen liegen.  Es bedeutet damit natürlich auch, hier und da mal einen Fehler zu machen.

Aber es bedeutet für mich auch, dass ich darüber schreiben kann. Es bedeutet, dass ich eine ausgeglichene Psyche habe und es ermöglicht eine Menge neuer – und manchmal auch grenzwertiger – Erfahrungen. Am Ende, so pathetisch und kitschig das auch klingen mag, ermöglicht es nicht mehr und nicht weniger, als leben an sich. Und was für ein schwacher Trost muss Unsterblichkeit für jene sein, die nie gelebt haben …

11 Comments

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11 Responses to Die Sache mit der Sicherheit

  1. Ich stimme zu 101 % zu!
    Du kannst Dich Tag und Nacht zuhause einschließen – und was wäre solch ein Leben für ein Leben! – um dann auf einer Bananenschale auszurutschen und Dir das Genick zu brechen.
    Das Leben ist nun mal lebensgefährlich.

  2. anna

    Neben Zustimmung noch eine kleine Bemerkung zu von dir veröffentlichten Umsatzzahlen: Ich bin zwar eher kein potenzieller Taxiräuber, aber zöge ich einen Überfall in Betracht, würden mich deine Zahlen eher abschrecken. Nach einer kleinen Überschlagsrechnung (Mindestlohn * Arbeitszeit * 2) hätte ich nicht erwartet, dass 200€ Umsatz schon als gute Schicht durchgehen. Und da Taxis als teuer gelten, dürften sich die meisten Räuber eine noch höhere Beute erhoffen. Vielleicht könnte es sogar der Überfallprävention dienen, die niedrigen Bargeldbestände in Taxis bekannter zu machen. Die Verzweifelten würde das nicht stoppen, aber hoffentlich ein paar Übermütige. (Zur Klarstellung: Ich habe kein grosses Einkommen und betrachte dreistellige Eurobeträge nicht als Peanuts. Aber in Relation zu Aufwand und Strafmass eines Überfalls finde ich die mögliche Beute einfach lächerlich.)

  3. @Anna: Auch hier 101-%-ige Zustimmung. Ich wollt’s nicht schreiben, weil ich nicht überheblich klingen wollte – aber wahr ist’s trotzdem. Wer wegen 200 Mäusen Kopf und Kragen riskiert, der muss wirklich total verzweifelt sein.

  4. Bernd K.

    Im Prinzip volle Zustimmung zu deinen Sätzen. T. drüben nervt langsam wirklich. Wenn er wirklich so viel Lebenserfahrung hat, sollte er das auch einsehen…
    @Anna+sighsigh: es sind auch schon Leute für viel weniger ausgeraubt/umgebracht worden. Das ist letztlich überhaupt nicht kalkulierbar.

  5. @Bernd K.: Das ist natürlich völlig klar. Niemand kann sagen, wann ihm der nächste Irre vor die Nase springt – oder eben ins Taxi steigt. Und natürlich habt Ihr als Taxifahrer da eine höhere Erfolgs-Chance.
    Andererseits tun die Irren das meist nicht, weil sie vorher gelesen haben: ‚Oh – tatsächlich! Der X hat mal vor Wochen in einer Nacht über 200 Euro eingehommen!‘ – sondern weil sie eben irgendeinen anderen irren (= irrationalen) Grund haben. Manchmal natürlich auch einen ganz praktischen (Drogenbeschaffung u.Ä,.), aber das ist dann auch selten geplant.

  6. anna

    @sightshigh: Ich hoffe, du hältst jetzt mich nicht für überheblich.

    @Bernd K.: Keine Frage, es gibt keine Wertuntergrenze, ab der man Raub ausschliessen könnte, aber „nicht kalkulierbar“ — das stimmt einfach nicht. Die Skrupellosen und Verzweifelten würden sich auch Kleingeld zusammenrauben, aber wer geplant kriminell wird, der kalkuliert eben, und da wird die Grösse der möglichen Beute eine Rolle spielen. Und auch der angetrunkene Adoleszente, der spontan ausprobiert, wie bedrohlich sein Messer nun tatsächlich wirkt, hat vermutlich im Hinterkopf: „10 Minuten Taxifahren kostet mich 10 Euro, der Typ arbeitet schon die halbe Nacht, der hat mindestens 300 Euro plus Wechselgeld dabei.“ Die realitischere Einschätzung, dass der Fahrer vielleicht noch keinen Hunderter zusammengefahren hat und die Hälfte seiner Einnahmen im Autotank stecken, könnte den gefährlichen Übermut vielleicht etwas zügeln.

  7. @Anna:
    Nein, im Gegenteil. Ich bin Dir dankbar für Deinen Mut, dem ich mich dann einfach mal feige anschließen konnte. 😉

  8. @sightsigh:
    Den Spruch hatte ich natürlich auch im Hinterkopf. Im Text hat er nicht gepasst, in den Comments ist er top! 😀

    @anna:
    Dir hab ich drüben schon gedankt, aber auch hier nochmal: Das deckt sich mit dem, was ich von all den anderen höre. Im Ansatz gebe ich Thorsten ja recht: Blödes Rumgeprahle mit Fantasieumsätzen ist sicher nicht dienlich, aber was verleitet zu mehr: „Ich hatte heute eine geile Schicht!“ oder „Hab sogar ausnahmsweise mal über 200 € eingefahren!“?

    @Bernd K.:
    Das mit dem Nerven ist ja auch fast schlimmer als das Thema an sich. Das ist und bleibt – weil es kein schwarz und weiß gibt – ja streitbar. Aber dieses penetrante „Ich weiß es eben besser, das wirst Du auch noch merken…“ ist kein angenehmer Diskussionsstil. Wo sind die Fakten, die mich überzeugen können.

    @all:
    Nicht als ernsthaftes Argument anzubringender Funfact:
    Seit ich mit Bloggen angefangen habe, ist die Zahl der Überfälle massiv eingebrochen 😉
    http://www.bzp.org/Content/RUND_UMS_TAXI/TAXIstiftung/index.php

  9. ich glaub das größt Sicherheitsrisiko beim Taxifahren sind die anderen Autofahrer. es sterben weitaus mehr menschen durch verkehrsunfälle als durch straftaten. ok; die tödlichen unfälle passieren meist eher auf der autobahn, aber auch in der stadt kann ein crash mit nem besoffenen discofahrer unangenehm enden.

  10. @Mausflaus:
    Na das ohnehin. Man sollte aber natürlich trotzdem hier und da vorsichtig sein.

  11. Bernd K.

    @anna: bei dem „nicht kalkulierbar“ meinte ich, dass man eben nicht wissen kann, wie der Fahrgast drauf ist: Junkie, der für ein paar Taler schon das Messer zückt oder „Profiräuber“ der auf die grosse Kohle hofft, oder einfach harmlos.

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