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Die lange Nacht der Degewo

Das wird eine lange Nacht heute. Bzw. ein langer Tag für mich, ich muss bis nach 10 Uhr wachbleiben. Was ok ist, für mich ist Mittwoch schließlich auch ein bisschen wie Samstag – da bleibt man auch mal länger auf. Groß feiernd werde ich die Zeit kaum verbringen, schließlich mache ich das nur, weil um 10 Uhr eine Mitarbeiterin der Degewo, also unserer Vermieterin, hier aufschlagen wird.

Und danach ist endlich mal der ganze Hickhack mit dem Wasserschaden vorbei. Was nicht alles ist, schließlich steht das Renovieren dann noch an – aber das ist dann unser Ding und hat nix mehr mit fremden Menschen in unserer Wohnung zu tun. Zumindest wenn alles gut geht. Bisher ist da nämlich wirklich alles schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte. Gleich am ersten Tag kam zwar der Hausmeister einer Gebäudetechnikfirma und hat angemessen entsetzt geguckt – aber dessen Bericht ist bei der Degewo wohl nicht angekommen, was das folgende Telefonat etwas kompliziert gemacht hat und mit einer Vertröstung auf nächste Woche endete.

Grundsätzlich ist die Sache ja denkbar einfach: An der Wohnung ist eine Reihe an Wänden kaputt, das muss behoben werden. Das muss die Degewo machen. Da sind die glücklicherweise auch nicht pingelig, die schicken ggf. einfach Maler los und die rocken das weg, fertig. Ist uns gelinde gesagt ein wenig unrecht, da es ja nunmal 5 Räume betrifft – und obwohl sich darunter auch Flur und Gästetoilette befinden, ist eben mal schnell alles frei-, bzw. leerzuräumen völlig utopisch. Deswegen hoffen wir auf eine Vereinbarung (die die Degewo auch gerne trifft), dass wir das Tapezieren und streichen selbst übernehmen und dafür Geld kriegen. Ist für die Wohnungsbaugesellschaft praktisch, weil sie uns nicht so viel zahlen muss wie professionellen Malern – und für uns in diesem Fall, weil es eine Menge Stress erspart, wenn wir Stück für Stück renovieren können, wenn wir Zeit und/oder Lust haben oder z.B. gleich ganze Räume streichen, obwohl der Wasserschaden nur an einer Wand ist. Nun gibt es bei dem Deal eine entscheidende Größe: den Geldbetrag, den wir kriegen. Natürlich sind wir nicht so bescheuert und streichen alles selber, wenn wir am Ende noch draufzahlen. Das tun wir mit unserer Arbeitszeit sowieso – ohne Wasserschaden wäre das Leben definitiv einfacher gewesen – aber zumindest das Material sollte gedeckt sein, gerne mit ein bisschen Bonus obenauf, und wenn’s für den Stress ist.

Das Dumme bis jetzt war: Wir kennen den Betrag nicht. Und die Degewo versucht durchaus ein wenig fies, einen zum Unterschreiben der Vereinbarung zu überreden, ohne dass man ihn kennt. Das ist dann beim zweiten Telefonat etwa der Stand gewesen. Es lag wohl irgendwas vor, aber unsere Kontonummer fehle.

„Mag sein, aber erstens wurden wir nicht danach gefragt, zum anderen wissen wir ja auch noch nicht, ob wir die Vereinbarung unterschreiben.“

Die eher so mittelfreundliche Mitarbeiterin hat dann gemeint, sie erkundige sich nochmal. Man hört voneinander. Ein paar Tage lang war wieder Funkstille, dann lag ein Zettel unseres Hausmeisters im Briefkasten: Wir sollen uns doch mal melden wegen dem Wasserschaden. Das ist dann ganz absurd geworden. Denn die Degewo hatte ihn beauftragt, „das mal zu klären“ und er bat uns, uns wegen der Erstattungsgeschichte doch bitte an die Degewo zu wenden, da er in den Bericht bei einer Besichtigung gleich entscheiden müsse, ob er einen Auftrag an die Maler vergibt oder ob wir der oben genannten Vereinbarung zustimmen würden. Das hab ich ihm glücklicherweise ausreden können.

Man kann ja viel machen, aber wer ist bitte so bescheuert und fällt so eine Entscheidung?

„Kaufen Sie Waschmaschine A oder B?“
„Was kostet diese denn?“
„Das sehen Sie ja dann an der Kasse …“

-.-

Naja, da der ursprüngliche Bericht irgendwo verschollen war, musste der Hausmeister ja sowieso vorbeikommen. Und das hatte Unterhaltungscharakter. Der wäre fast in Ohnmacht gefallen wegen des Ausmaßes. Der hat sich kaum noch eingekriegt und immer wieder gemurmelt, dass er sowas auch noch nie gesehen hätte.

„Wat soll ick hier machen, außer ‚Jehaaaw!‘ schreien?“

(Nach nunmehr drei Wochen sind Ozie und ich inzwischen dann doch ein wenig gewöhnt an die Ausmaße, da ist es schon lustig, dass ausgerechnet die Fachleute da völlig rumflippen, während wir eigentlich bloß bald mal renovieren wollen.)

Witzigerweise hat der Hausmeister ohne es zu wissen den perfekten Tipp abgegeben. Wir haben ihn wie oben beschrieben nicht mit einem Auftrag entlassen, sondern den Bericht bei uns behalten, um damit bei der Degewo anzurufen, damit die uns vielleicht endlich mal einen Betrag nennen und wir daraufhin eine Entscheidung fällen könnten.

„Aber dit is‘ vielleicht eh ’n Fall für die Instandsetzung …“

hat er gesagt. Was wir kurz darauf am Telefon bei der Degewo einfach mit einfließen lassen haben, und prompt in die entsprechende Abteilung mit zumindest in unserem Fall freundlicheren Kundenberaterinnen durchgestellt wurden. Ich sag’s mal mit den Worten des Hausmeisters:

„Jehaaaw!“

Während wir noch befürchteten, dass das nun noch eine Woche und dann vielleicht noch eine weitere dauern könnte … entschuldigte sich die Dame am Telefon mit:

„Morgen hab ich leider keine Zeit mehr. Aber am Mittwoch …“

Gut, dass der Termin morgens um 10 Uhr ist, ist wie fast jeder Termin zumindest für mich blöd. Und da ein Teil des Schadens auch mein Zimmer betrifft, kann ich schlecht einfach liegen bleiben. Aber sie hat angekündigt, dass wir die Vereinbarung noch vor Ort machen, hatte Verständnis für den Ärger über drei Wochen Hickhack und wir haben ein ziemlich gutes Gefühl, dass wir diesen ganzen Mist mal abhaken und uns dann schnell der Wohnung widmen können.

Muss jetzt halt noch bis 10 Uhr durchhalten … 🙂

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42 – 9

Geburtstag! \o/

Nun ist es wieder soweit: Der Planet meiner Wahl hat mit mir auf seiner Oberfläche eine weitere Umkreisung seines ziemlich heißen Zentralgestirns komplettiert. 33-mal seit meiner Geburt, und das mit unverminderter Reisegeschwindigkeit. Geburtstage sind auch in dem Alter noch toll, zumindest wenn man Geschenke und nette Glückwünsche kriegt und nicht den ganzen Tag mit der Endlichkeit allen Seins im Gedankengepäck herumrennen muss.

Deswegen auch Danke an alle, die mir was geschenkt haben! 🙂

Ich feiere nicht groß, wobei „nicht groß“ immer noch bedeutet, mit einem Bier in der Hand bei Kerzenlicht hier zu sitzen und den Verzehr der vermutlich kalorienreichsten Torte aller Zeiten entgegenzufiebern. Wir haben uns für dieses Modell entschieden – es allerdings geringfügig modifiziert und insbesondere an der Dekoration etwas gespart:

"Was ist das?" – "Nein! WER isst das?" Quelle: Sash

„Was ist das?“ – „Nein! WER isst das?“ Quelle: Sash

Wir haben zudem nur die halbe Menge gemacht, denn so lange man keinen Besuch einlädt und sich sicher ist, dass man derzeitig eine monogame Beziehung führt, lässt sich die Zahl der am Verzehr beteiligten Personen relativ sicher unter acht verorten – was ungefähr die Menge an Personen sein dürfte, die die ganze Torte ohne sofortige Herzverfettung gerade noch so überleben könnten. Man sollte einen gewissen Respekt vor Kuchenrezepten haben, die dreimal mehr Nougat als Mehl enthalten …

Wie man also sieht, lasse ich es mir gut gehen. Hab artig die Vandals gehört und trinke genüsslich das ungefähr erste Bier zu viel, während ich das hier schreibe. Sehen wir es als hoffnungsvollen Optimismus meinerseits, dass ich auch die 34 Jahre noch zu erreichen gedenke.

Ich hoffe, Euer Tag wird so gut wie meiner. Und wenn nicht, dann müsst Ihr halt auf euren eigenen Geburtstag warten. Ätsch! 😉

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Sicherheitsidiotie

Ich beschwere mich ja manchmal in politischer Weise über den Wegfall von Freiheit zugunsten von Sicherheit – aber nun hab ich mal ein geniales Beispiel aus einem anderen Segment gefunden. Und ein gleichermaßen harmloses wie trauriges noch dazu. Es betrifft unser Haus, bzw. genau genommen unseren Hausaufgang hier.

Das Traurige ist: Irgendwer pinkelt in den letzten Tagen vermehrt in den Hausflur, vermutlich unten im Kellergeschoss. So genau überprüft hab ich’s nicht, aber der Geruch ist ja ziemlich unverwechselbar. Nun ist das zweifelsohne eklig und auch hier im gerne verpönten Marzipanien nicht gerade gängiger Ausdruck seiner Persönlichkeit. Ansonsten ist es mehr oder weniger harmlos, es wird ja alles regelmäßig gereinigt. Es nervt halt.

Fast schon absurder ist jedoch das, was irgendwelche ganz besonders klugen Nachbarn seitdem wieder machen – und sicher bald wieder proklamieren werden – sie schließen abends ab etwa 19 Uhr die Haustüre zu. Das ist auf so vielen Ebenen bescheuert, wie man es von so einer kleinen Geste kaum erwarten würde.

Es ist zum Beispiel schon mal völlig absurd, bei insgesamt 15 Nachbarn als Einzelpartei damit anzufangen. Noch dazu zu einer solchen Uhrzeit. Ich gehe regelmäßig nach dieser Zeit erst los zur Arbeit. Und auch einige andere hier kaufen gerne mal bis nach 19 Uhr ein oder arbeiten oder haben Besuch oder oder oder. Es ist also schlicht vergebliche Liebesmüh.

Dass keiner groß Bock hat, bei dem Spielchen mitzuspielen, ist auch logisch. Denn das Abschließen bedeutet in erster Linie nichts anderes, als dass man bei jedem Klingeln runter zur Tür gehen muss – und wie wohl die meisten in siebenstöckigen Häusern wohnenden Menschen haben wir uns ziemlich an die Gegensprechanlage und den Türöffner gewöhnt.

Der größte Witz aber ist, dass das überhaupt nix bringt, selbst wenn man es durchzieht. Denn was genau ist wohl nie passiert hier? Genau – ein Einbruch! Welche Sau auch immer sein eigenes Klo nicht findet – es ist entweder ein Hausbewohner oder ein Bekannter. Vielleicht auch ein Briefträger oder ein Angestellter der Wohnungsbaugenossenschaft. Auf jeden Fall aber irgendwer, der durch irgendwen Zugang zum Haus hat – und ihn sicher auch weiterhin haben wird. Und ich wage die steile These aufzustellen, dass sich jemand, der in einen Hausflur pinkelt, kaum dran stören wird, hier und da einmal mehr den Schlüssel umzudrehen.

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Extra-Katastrophe

Kaiser’s reißt nächstes Jahr die Hufe hoch. Bzw. wird von Edeka aufgekauft. Ob das jetzt schlimm ist oder nicht, darüber zerreissen sich sicher schon genug Leute das Maul. Ich schätze am Laden hier vor der Türe eigentlich nur die Einkaufszeiten bis 24 Uhr, ansonsten tut sich viel groteskes dort. Es ist der erste Laden, bei dem ich mehr als einmal festgestellt habe, dass neue Produkte, die schnell ausverkauft sind, umgehend wieder aus dem Sortiment genommen werden. Aber gut, das mag vielleicht meinem speziellen Geschmack geschuldet gewesen sein. Alle fünf bis sieben Mal.

Worauf ich eigentlich rauswollte, war die dieses Jahr eingeführte „Extra-Karte“, ein Rabattsystem wie viele – aber mit einem ganz großen Unterschied: Es ist völlig anonym. Kein Anmelden, einfach nur die Karte mitnehmen und sich, wenn man in den Laden geht, personalisierte Rabattangebote ausdrucken lassen. 5 bis 10 Sachen, die man mit 20 bis 50% weniger sehr günstig bekommt und ein Produkt gratis. An der Kasse dann die Karte scannen, fertig. Natürlich werden da Daten erhoben und ausgewertet, aber so lange das nicht mit einem Namen verbunden ist, finde ich das tragbar. Zum einen bleibt  die leise Hoffnung, dass das tatsächlich genutzt wird, um Verbesserungspotenziale auszunutzen – zum anderen ist es mir immer noch lieber, als bei Telefonumfragen nach meinem Einkaufsverhalten befragt zu werden.

Viel interessanter jedoch für Ozie und mich: Wir wollten das Ganze testen. Wir sind ja Spielkinder und wir hatten selbst jede Menge Ideen, wie der Algorithmus funktionieren könne. Und wir waren gespannt, ob dieser irgendwie clever programmiert ist oder nicht. Wir haben zwar sicher nicht das durchschnittlichste Einkaufsverhalten, aber dafür auch ein paar einfach zu erkennende Muster. Hier mal so, dort mal so. Im einen Segment hätte man uns zum Beispiel Marken- statt Billigprodukte andrehen können, woanders uns zur Konkurrenz abwerben. Und was wohl passiert, wenn das System rausfindet, dass wir kein Fleisch kaufen? Das müsste es doch erkennen.

Müsste.

Tatsächlich scheint der Algorithmus herzerwärmend dumm zu sein. Enttäuschenderweise, sonst würde das wirklich Spaß machen. Alleine, dass nicht einmal bemerkt wird, dass wir gewisse Dinge nicht kaufen – ja nicht einmal mitnehmen, wenn sie uns zehnmal umsonst angeboten werden … hinterlässt einen etwas fassungslos, wenn man überlegt, dass die Programmierer und Designer bestimmt Geld für ihre Arbeit bekommen haben. Und wir kaufen da täglich ein, die Datenlage dürfte für so einfache Dinge wirklich ausreichend sein. Aber nein.
Im Wesentlichen ist es jetzt in den letzten Wochen darauf rausgelaufen, dass wir uns über die Dummheit des halben Zettels geärgert haben und dann am Ende ein paar Dinge, die wir sowieso immer kaufen, gelegentlich ein wenig billiger bekommen haben. Is‘ zweifelsohne toll für uns, allerdings so ziemlich das dümmste, was für den Laden bei so einem Versuch rauskommen kann.

Und da wir bei Geschenken nicht auf unsere Regeln schauen, haben wir heute auch noch zwei Pizzen umsonst eingepackt. Aber darauf kommt’s jetzt ja auch nicht mehr an, wo der Laden eh den Bach runtergeht.

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R.I.P. Badregal.

Ich dachte, es gäbe Unmengen Fotos, aber zumindest die entscheidenden habe ich nicht gefunden. Irgendwo gibt es sie, aber wer weiß schon, wo …

Aber egal. Nun in den nächsten Tagen wird unser Werkzeugregal das Zeitliche segnen. Ich will nicht behaupten, dass große Emotionen dranhängen oder dass es ein hübsches Möbelstück war. Aber ich bin damit aufgewachsen. Weitgehend zumindest. Das Foto, das ich gesucht und nicht gefunden habe, zeigt meinen Vater beim Aufbau des guten Stücks 1986. Ganze 20 Jahre später stand es übergangsweise in meiner alten WG, bei mir im Zimmer, und wurde entsprechend noch weniger geschont als damals in einem Haushalt mit zwei Kindern und einer Katze:

Liebevolle Ordnung in meinem Zimmer 2005, Quelle: Sash

Liebevolle Ordnung in meinem Zimmer 2005, Quelle: Sash

Aber ja, selbst das hat das Teil überlebt. Fortan beherbergte es allerdings nicht mehr zahllose Fotoordner (in denen sich ironischerweise das von mir gesuchte Bild des Regals befinden müsste …), sondern unsere mit dem Umzug nach Berlin geradezu explodierte Werkzeugschublade der ursprünglichen Stuttgarter WG:

Was man halt so braucht. Und Peter Müller. Quelle: Sash

Was man halt so braucht. Und Peter Müller. Quelle: Sash

Es hat uns wirklich wertvolle Dienste geleistet. Ob wir nun Schrauben, Glühbirnen, Medikamente oder ein Feuerzeug suchten: All das fand sich – grob als „Werkzeug“ verschlagwortet in jenem Regal.

Die 30 Jahre hat es nun nicht geschafft. Was ok ist, denn eigentlich war es selbst für die ersten 20 zu hässlich. Aber man ist ja pragmatisch und wirft nix weg.

Zu Ende ging es nun eines Wasserschadens wegen. Im Gegensatz zum letzten Mal floss die Suppe gestern bis zum Boden und weichte das Regal – und einige andere Dinge – von unten auf. Na herrlich!

Aber ich will ehrlich sein: Hier und da war eine Renovierung schon geplant. Und selbst das altehrwürdige Regal sollte dann mal weichen. Da der aktuelle Wasserschaden aber schon der zweite ist und nicht weniger als 5 Räume betrifft, bleibt doch eine gewisse Skepsis bezüglich unseres Plans, das Bad-/Werkzeugregal nun durch irgendwas höherpreisiges zu ersetzen …

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Why privacy matters

In einem der scheinbar fast ausnahmslos sehenswerten TED-Talks hat Glenn Greenwald (Der Journalist, der viele der Snowden-Daten veröffentlicht hat) wunderbar erklärt, was an Massenüberwachung und der damit einhergehenden Abschaffung der Privatsphäre so schlimm ist. Wie die Überschrift schon vermuten lässt, ist das Video auf englisch, aber das ist wieder mal ein Beispiel für ein Video, für das es sich lohnt, seine Englisch-Kenntnisse zu strapazieren.

Um das nicht zu einem weiteren eher unbedeutenden Link werden zu lassen, möchte ich auch kurz ein paar Worte über Privatsphäre verlieren:

Ich bin seit geraumer Zeit sehr privat und öffentlich im Netz unterwegs. Nicht nur, dass ich trotz aller politischer Statements auch meine Privatadresse (schon aus rechtlichen Gründen) veröffentliche: Nein, ich schreibe auch hoch intime Details meines Lebens hier nieder. Fotos aus meiner Wohnung, Blogtexte über meine Beziehung, wie verträgt sich sowas bitte mit einem Recht auf Privatsphäre?

Nun, um es mal ganz anschaulich zu sagen: Ihr wisst von mir nur, was ich Euch zu sehen erlaube. Vielleicht erscheint es dem ein oder anderen dumm, dass ich über meine kaputten Zähne oder die Umstände meines ersten Treffens mit Ozie etwas schreibe – aber das liegt dann lediglich an einer anderen Gewichtung, welche Details des Lebens man selbst für schützenswert hält. Ich habe einfach nicht den Anspruch, von meinen Lesern als perfekt funktionierende Maschine wahrgenommen zu werden. Ich habe Fehler, ich mache welche und ich finde es als Person „in der Öffentlichkeit“ einfacher, über diese zu reden, als ein Abbild meinerselbst zu schaffen, bei dem ich immer aufpassen muss, ob sich mein reales Ich noch mit den Online-Texten verträgt. Das hat zum Teil seinen Ursprung tatsächlich alleine darin, dass ich gewisse Sachen öffentlich mache. Wie sollte ich zum Beispiel glaubhaft über die schlechte Bezahlung von Taxifahrern schreiben, ohne Zahlen zu veröffentlichen? Ja sicher, einige Kollegen machen das – was auch ok ist  – aber sie tun das auf Kosten der Transparenz und im schlimmsten Fall ihrer Glaubwürdigkeit. Ich habe da eine andere Entscheidung gefällt, aber das heißt nicht, dass mir das grundsätzliche Problem privater Daten in der Öffentlichkeit nicht bewusst wäre. Ich habe z.B. auch keine Abneigung gegenüber Menschen, die sich online besoffen in entwürdigenden Situationen präsentieren, mir wäre das hingegen zu peinlich. Obwohl ich betrunken echt niedlich bin, da könnt Ihr alle fragen!

Abgesehen von der politischen Brisanz staatlicher Überwachung (die Greenwald in seinem Beitrag ausreichend darlegt) ist auch die private Dimension nicht zu unterschätzen. Der Journalist hat in obigem Video gesagt, jenen, die meinten, nichts zu verbergen zu haben, vorgeschlagen zu haben, ihm doch einfach mal alle Passwörter für all ihre Mailkonten zu schicken. Damit er sich dort mal umsehen und – falls es ihm legitim erscheine – Teile der Mails veröffentlichen könne. Und ist es nicht glaubhaft, dass niemand das gemacht hat?

Ich selbst denke mir oft, dass meine Mails „eigentlich ja belanglos“ sind. Ach ja, irgendwann vor 9 Jahren hab ich Ozie erstmalig geschrieben, dass ich sie liebe – wayne?
Andererseits: WTF? Da hab ich auch Freunden Hilfe in schwierigen Situationen angeboten, mit Hinz und Kunz geflirtet, Dinge erzählt, die eben doch nur für diesen einen Empfänger bestimmt waren.

Und wenn wir von den Mails weggehen: Haben wir nicht alle mal aus Sensationsgier auf bild.de-Links geklickt, oder uns vielleicht gar mal irgendwo auf einer Pornoseite mehr als ein Bild angesehen und damit für findige Ermittler ein viel zu genaues Bild von unseren Präferenzen hinterlassen? Will ich wirklich, dass bei Bedarf ein Polizist rausfinden kann, dass ich mal Musikvideos von Schlagersängern angesehen habe, gegen die ich doch sonst immer wettere?
Und was uns allen eigentlich eher als Verschwörungstheorie erscheint, habe ich auf Umwegen schon erlebt:

„Sie hen‘ da ja naggiche Bilder druff!“

schrie der liebenswerte Polizist bei der Durchsuchung meines PC’s damals laut durch die WG; wohlwissend, dass meine Freundin und heutige Frau anwesend war. Na, bei wie vielen Lesern hätte sowas zu einer Beziehungskrise geführt? Und wenn NSA und co. einfach alles speichern, ist es ja erst einmal auch egal, ob es da um Downloads des letzten Jahres oder der letzten Woche geht.

Am Ende geht es ja auch nicht darum, ob man bei Facebook postet, dass man gerade diese oder jene Folge von „The walking dead“ ansieht. Sowas schreiben wir gerne mal und das ist ok für die meisten. Aber will man wirklich, dass ein ominöser Geheimdienstapparat im Hintergrund mitloggt, dass wir an unsere Freunde zeitgleich eine Nachricht senden, welchen Schauspieler wir scharf finden? Und dass das in Beziehung gesetzt wird zu einem vielleicht längst beigelegten Ehestreit von vor drei Tagen via Whatsapp?

Wie kann es bitte in Ordnung sein, dass all das abgespeichert wird? Ich veröffentliche mein Leben freiwillig und meine terroristischen Aktivitäten halten sich zumindest vorübergehend in engen Grenzen. Ich schreibe nur gerne und biete meinen Lesern bewusst einen (begrenzten) Einblick in mein Leben. Aber selbst ich würde mir wünschen, dass ich nach Abschluss dieses Textes einfach mal sorgenfrei bei Wikipedia Infos über Depressionen einholen, bei Amazon Gummibärchen kaufen und bei Youporn nach Videos von Frauen in Latex suchen könnte, ohne damit ein schwer verdächtiges Profil bei der NSA zu bekommen.

PS: Latex ist nicht wirklich der Fetisch meiner Wahl, aber wie gesagt: auch meine Transparenz hat Grenzen. 😉

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Ideale

„Ihr könnt mich biegen, Ihr könnt versuchen mich zu brechen. Ihr könnt mir alles nehmen, doch eines kann ich Euch versprechen: Niemals, niemals, passe ich in Eure Form, Eure Norm, und bleibe der Dorn in Eurem Auge!“

– Such a Surge, Ideale (Agoraphobic Notes, 1996)

Was die von mir geschätzte Band Such a Surge in obigem Zitat kämpferisch als Beispiel für Widerstand besingt, ist eigentlich eine ganz alltägliche Selbstverständlichkeit. Idealen zu entsprechen, kann nicht funktionieren. Verweigern lässt sich allenfalls der Versuch, es zu tun. Ideale sind eben, nun ja, Ideale eben, unerreichbare Ziele.

Ich hatte in letzter Zeit wieder mal vermehrt Besuch. Nicht nur den derletzt angekündigten, ausnahmsweise war mein Social-Life-Level mal wieder weitgehend voll. Und dank einmal mehr unterschiedlichster Leute in meiner Bude oder meiner Gesellschaft habe ich mich mal wieder mit den Anforderungen des modernen Lebens beschäftigt. Und – ich mag da eine eingeschränkte Sichtweise haben, ich trage vergessenes gerne nach – es scheint so zu sein, dass sich unsere hierzulande geäußerten Ansprüche (natürlich ungeachtet einiger Ausnahmen) ans eigene Leben auf ein paar grundlegende Punkte verkürzen lassen:

  • Beruflicher Erfolg
    Wir wollen Arbeit. Und zwar nicht nur irgendeine, sondern eine, die uns Spaß macht und viel Geld bringt.
  • Eine Beziehung
    Wir wollen (mindestens) einen Partner, mit dem wir seelisch und sexuell auf einer Ebene sind und zufrieden unseren Alltag bestreiten können.
  • Ein funktionierendes Sozialleben
    Wir wollen viele und dennoch möglichst gute und aufrichtige Freunde, mit denen wir regelmäßig etwas unternehmen und die allerorten für quasi jeden Spaß zu haben sind. Dasselbe gilt natürlich für die Familie.
  • Freiheit
    Wir wollen im Grunde tun können, was wir wollen – und das möglichst oft.

Das ist natürlich nicht alles. Aber wir leben nun mal in einer Gesellschaft, in der zumindest weitgehend dafür gesorgt ist, dass wir nicht Hunger leiden müssen oder ärztliche Versorgung versagt bekommen. Weitgehend stehen uns zumindest irgendeine Behausung und fließend Wasser zur Verfügung. Wie gesagt: Ich weiß, dass es bei alldem auch Ausnahmen gibt, aber in großer Mehrheit sind die Wünsche jene, die oben aufgezählt werden.

Und ich würde sagen: das ist unrealistisch und wir sollten uns damit abfinden!

Ideale sind nicht unnütz, sie beflügeln die Menschheit seit jeher – in mal mehr, mal weniger schöner Ausprägung – Dinge zu erreichen, die zuvor unmöglich erschienen. Dennoch sind wohl schon die oben genannten Punkte für die meisten Menschen nicht erreichbar. Also nicht in Kombination. Ich hoffe wie viele andere darauf, dass das irgendwann mal klappt – aber ich rate davon ab, sich in diesen Wunschtraum reinzusteigern.

Einen guten Beruf nach oben genannter Definition zu ergattern ist sicher für viele möglich. Nebenbei eine Beziehung … naja, immerhin für die meisten der vielen vielleicht. Zusätzlich zum guten Job und einer funktionierenden Beziehung ein aktives Sozialleben zu betreiben, wird für die meisten schon schwierig, ohne nicht wenigstens bei einem der beiden anderen Punkte ein paar Abstriche machen zu müssen. Dann aber noch die Freiheit zu haben, zu tun was man will … mal ganz ehrlich: kann mir irgendwer auch nur einen Menschen nennen, auf den das zutrifft?

Ist es wirklich Zufall, dass die nach eigenen Aussagen glücklichen Künstler alle kein Geld haben, und Hollywoodstars auf der anderen Seite schneller geschieden werden als besagte Künstler ihre Klamotten wechseln?

Ich vermute: nein.

Ideale sind Ideale, weil sie unerreichbar sind. Um die oben genannten Punkte halbwegs miteinander in Einklang zu bringen, bräuchte man einen zeitunabhängigen Job mit weniger als z.B. drei Arbeitsstunden (wochen-)täglich, der 100 € pro Stunde bringt. Darüber hinaus tolerante Partner und einen Freundeskreis, bei dem einen nicht ein einziger neidet, dass man so viel verdient. Und verprellen können müsste man sowohl den Chef, als auch Partner und Freunde – um wenigstens halbwegs frei zu sein. Dafür müsste Kollege Zufall schon einen ganzen Kübel Glück über einem ausschütten. Und zwar dauerhaft und auf Kosten anderer.

Sich auf dem ein oder anderen Gebiet mal freizuschaufeln ist gut. Tut gut. Stärkt das Selbstbewusstsein und gibt neue Kraft. Aber die oben genannten Ziele sollten nicht verwechselt werden mit dem, was jeder braucht, um glücklich oder zumindest zufrieden zu sein. Diese Ansprüche sollte man getrost ignorieren.

Und da ich ja immer schreibe, wie absolut gut es mir geht, will ich hier auch den Anfang machen:

  • Beruflicher Erfolg
    Ja, ich bin Taxifahrer und inzwischen Autor. Das ist volle Kanne geil und macht beides einen Höllenspaß! Aber mein Arbeitsaufwand steht in keinem Verhältnis zum Verdienst. Den ein oder anderen Luxus habe ich, sicher, aber wenn ich beide Jobs zusammenrechne, dann würde ich mich wundern, wenn ich auf über 3 € Verdienst pro Stunde komme.
  • Beziehung
    Da liegt zweifelsohne mein Glück. Ich fürchte zwar immer, dass ich mich mehr darauf konzentrieren müsste, aber ich würde meiner Beziehung 10 Punkte von 10 erreichbaren geben. Und wenn Ozie nur 8 von 10 geben sollte, lägen wir vermutlich immer noch weit über dem Durchschnitt.
  • Sozialleben
    Meine Schwäche. Ich komme nicht dazu, mich bei Freunden zu melden und hab viel zu selten Besuch. Obwohl ich ein geselliger Mensch bin. Mal kommt mir die Arbeit  – und damit das Geld – in die Quere, mal verpeile ich es einfach. Ich hab einige gute Freunde, aber die haben es entsprechend nicht leicht mit mir.
  • Freiheit
    Mit der sieht es ganz gut aus, ich hab da mehr Möglichkeiten als der Durchschnitt. Trotzdem muss ich viele Einladungen absagen, weil das Geld nie reichen würde oder eben mal abwinken, weil mir meine Beziehung wichtiger ist.

Und ich hab’s dabei echt noch leicht. Würde meine Arbeit plötzlich doppelt oder dreifach so viel Geld abwerfen wie bisher, dann könnte ich das alles unter einen Hut bringen, nahe den oben genannten Idealen leben. Aber mal ehrlich: „nur“ das Gehalt verdreifachen … arg viel besser kann man als halbwegs bodenständiger Mensch doch nicht mehr definieren, was Utopie ist.

Und das ist auch der – mit diesem Eintrag wohl sachlich erklärte – Grund, weswegen ich kaum Neid verspüre, wenn ich höre, dass andere Menschen z.B. besser verdienen. Denn das alleine sagt gar nichts aus. Die entsprechenden Leute haben spätestens beim Punkt „Freiheit“ Einschnitte hinzunehmen, die ich nicht akzeptieren könnte.

Unzufrieden sind wir alle, zumindest irgendwie ein bisschen. Ob wir zu wenig Geld haben oder unsere Freunde nur unser Geld wollen. Ob wir Single sind oder dank unseres Partners eingeschränkt werden, unsere Freiheit auszuleben. Ob wir dank Arbeitslosigkeit viele Leute treffen können oder die Leute nicht mehr zu uns kommen, weil wir wegen der Arbeit keine Zeit mehr haben … irgendwas ist immer.

Ich will mit diesem Eintrag gewiss nicht zur Lethargie aufrufen. Die meisten Verbesserungen müssen nach wie vor erkämpft werden. Aber ich rate dazu, gelassen zu bleiben, wenn wir mal wieder nur unseren eigenen (meist: den kapitalistisch vordefinierten) Ansprüchen nicht genügen. Dieses „irgendwas“, das immer ist, sind nämlich eigentlich wir selbst. Wir als Menschen und die Menschen um uns herum. Und wir sollten uns davor hüten, uns selbst als Fehler in einer sonst theoretisch perfekten Welt zu sehen.

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