Sascha Lobo. Das Schlimme, wenn man einen Artikel von Sascha Lobo als Aufhänger nimmt, ist, dass zwangsläufig erstmal darüber diskutiert wird, ob der Kerl nun ein Schaumschläger oder ein Held ist. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich bei vollstem Verständnis für beide Positionen gerne lese, was er schreibt. Was die Inhalte angeht, ist es zwar nicht unwahr, dass von ihm selten irgendwelche innovativen Ideen oder große Wunderdinge zu erwarten sind. Meist beschreibt er auch nur altbekannte Fakten und verpackt diese in eine seiner vielen – teils auch abenteuerlichen – Theorien. Das muss man nicht mögen, aber man sollte auch zugeben können, dass die Zustandsbeschreibungen von ihm (auf die ein oder andere Art) meist recht treffend sind und zudem – und das ist das wirklich bewundernswerte – hervorragend geschrieben. Hätten wir das damit?
In seiner SpOn-Kolumne Die Mensch-Maschine hat Lobo nun über das „geborgte Internet“ in Form der sozialen Netzwerke geschrieben. Ich bitte, beim Lesen nicht den wunderbaren Satz zu verpassen, in dem er Google+ bescheinigt, „stets bemüht“ zu sein, „die ihm übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit der Nutzer zu erledigen“.
OK, der Satz ist für mich als Freund schrägen Sprachhumors Grund genug, den Artikel zu lieben – aber darauf wollte ich natürlich nicht raus. Mir ging es eigentlich wirklich ums Thema. Lobos Theorie besagt im Wesentlichen, dass soziale Netzwerke eigentlich eine prima Erfindung seien, leider aber die wirkliche Freiheit in Form eigener Seiten, Blogs verdränge.
Inwieweit diese Verdrängung tatsächlich stattfindet, kann ich nicht beurteilen. Ich habe keinerlei Zahlen dazu, allerdings würde es mich tatsächlich nicht wundern, wenn ein gewisses Blogsterben im Jahr 2012 endlich mal nachweisbar ist. Das allein halte ich nicht für besonders dramatisch. Ich blogge jetzt seit fast 7 Jahren. Am Anfang wenig öffentlich, inzwischen ziemlich. Und ich habe in dieser Zeit verdammt viele Blogs kommen, fast genauso viele aber auch wieder gehen sehen. Wenn ich schätzen müsste, was dafür verantwortlich ist, so müsste man in den meisten Fällen wohl „eingeschlafen“ als Todesursache angeben.
Ein Blog ist zeitaufwändig, kostet Nerven und hier und da sogar mal Geld. Das macht man nicht dauerhaft, wenn man eigentlich bloß ein paar Leuten seine Lieblingsvideos bei Youtube zeigen möchte. Insofern mag es sein, dass die sozialen Netzwerke vielen Blogs das Wasser abgegraben haben, alleine: Nicht bei den Menschen, die wirklich Blogger sind – sondern bei denen, die sich einfach gelegentlich austauschen wollen.
Ich gebe Lobo Recht mit der Einschätzung, dass soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter zu streng reguliert sind, um sich dort wirklich auszutoben. Als ich mich bei Facebook angemeldet habe, war ich hochgradig verwundert, dass man da seine Seite nicht anpassen konnte, ja nicht einmal die Farbe wechseln!
Gut, dass ich blau ohnehin ganz gerne mag…
Sascha Lobo ist natürlich wie ich ein Mensch, der recht schnell die Freiheit beim Bloggen zu schätzen gelernt hat und für den Facebook sehr sichtbare Grenzen hat. Ich selbst würde heute noch nichtmal mehr zu overblog zurück oder einen Blog bei blogger eröffnen – zu gerne hab ich alles in der Hand bei meiner Seite. Aber – und den Fehler möchte ich Lobo unterstellen – geht die „Gefahr“ des Verlustes der Online-Identität bei Social Networks auch nur für Leute wie uns ans Eingemachte, Leute, die sich permanent online positionieren, austoben und darstellen. Für viele da draußen wäre es gar nicht so dramatisch, wenn Facebook den Account mal schließt. Sicher, man müsste alle Freunde nochmal unter neuem Namen adden, aber trotz der neuen Chronik ist Facebook immer noch mehr ein Gegenwartsmedium. Wie oft klickt man sich da schon zurück? Was von alledem ist wirklich wichtig?
Es stimmt, dass die eigene Identität im sozialen Netzwerk der Wahl nur mangelhaft sicher untergebracht ist, allzu sehr dramatisieren würde ich das indes nicht. Auch als Blogger bin ich abhängig von der Zuverlässigkeit meines Hosters, davon, dass auch in Zukunft noch Blogsoftware geschrieben wird, davon dass unsere Regierung gestürzt wird, bevor sie eines ihrer vielen Zensur- und Idiotieabkommen irgendwann mal umsetzt – und überhaupt ist jeder Strom- und Netzausfall irgendwie existenzbedrohend. Man muss noch nicht einmal online sein: Fast ein komplettes Jahr Tagebucheinträge habe ich verloren, als ich im Jahr 2001 eine Festplatte fallengelassen habe.
An Facebook und co. wird es wahrscheinlich nicht liegen, wenn die Blogosphäre (darf man das noch sagen?) untergeht. Denn letztlich sind soziale Netze für sich gesehen inhaltsleer. Geteilt werden dort immer noch vielfach Texte aus anderen Zusammenhängen: Berichte, Artikel, Kolumnen. Aus Magazinen, Zeitungen und – ja, genau! – Blogs.
Im Gegensatz zu der Behauptung vieler Marketingweisen dieser Welt, dass man heute einen Blog nicht mehr ohne Social Media-Dienste führen könne, ist es in Wahrheit wohl eher so, dass die Twitters und Facebooks ohne Blogs ziemlich leer wären. Und nicht jeder muss eine eigene Zeitung schreiben oder seine Frisur auf 5 Kanälen gleichzeitig finden. Manche Sorgen muss man sich wohl wirklich nur machen, wenn man Sascha Lobo heißt.
Ich habs ja schon immer geahnt, jetzt wurde es bestätigt: die Saschas haben ihr eigenes Netzwerk! Wahrscheinlich gehört der Sascha-Backbone auch noch dazu …
@ednong
Du kennst Sascha Networx Inc. nicht? 😀
@Sash
Ich denke, die sozialen Netze trennen die Spreu vom Weizen. Seit ich blogge, pflege ich keine eigene HP mehr, weil diese immer für mich nur Mittel zum Zweck der Verbreitung meiner Pamphlete war. Dank Dropbox pflege ich auch nicht mehr die Bildergalerie, die ich ebenfalls auf meine HP für einen geschlossenen Nutzerkreis gepflanzt habe, sondern schicke nur noch Links auf entsprechende Dropbox-Alben. Oder manches Bild landet bei Facebook.
Aber die Beobachtung, dass die Leute, die früher nur mauen Content produziert haben, jetzt eher bei Facebook zu finden sind, teile ich. Aber der gute Content, der kommt zumeist nicht aus dem Kreise Facebook, sondern von extern. Facebook ist für mich die Kneipe, in der man sich trifft und über die Erlebnisse des Tages, außerhalb der Kneipe, redet. Und natürlich sickert da mal ein Kneipenereignis rein, aber das ist doch eher gering.
Insofern folge ich deiner Schlussfolgerung, dass Blogs nicht aussterben werden, sondern eine gesunde Konsolidierung stattfindet. Egal ob bei einem großen Bloghoster, wie ich ihn nutze, oder wie bei dir mit eigenem Server im Backend. Wichtig ist und bleibt der Inhalt, der produziert wird und dass dieser seine Rezipienten – auch in den sozialen Netzen – findet.
@ednong:
Jaja, Netzwerk!!! Boing Boing!
@Der Maskierte:
Da stimme ich zu. Ich wollte die allgemeine Trennlinie auch nicht zwischen selbst- und fremdgehosteten Blogs ziehen. Ebenso wie ich Lobo zustimme, der HP und Blog einfach gleichsetzt. Es geht hier mehr darum, dass es eine einzelne Plattform ist, auf dem man selbst (oder eine kleine Gruppe) auswählt, was an Inhalten dort veröffentlicht wird.
Spreu vom Weizen trennen ist aber eine schwierige Begrifflichkeit, da es in meinen Augen kein Besser oder Schlechter zwischen diesen Gruppen gibt. Für die meisten Leute ist ein Blog keine Option, die teilen halt gerne gute Sachen von anderen und lassen sie in ihre Kommunikation miteinfließen – nur weil man selbst kein Produzent in dem Sinne ist, hat das ja nichts auszusagen, außer eben dass man kein Produzent ist.
@Sash
Mit Spreu vom Weizen trennen meine ich eher: Die Blogs werden weniger zur Fremdcontent-Wiedergabe genutzt werden, als dass Sie der Content sind, der in sozialen Netzen verteilt wird. Während also früher jemand seinen Blog für die lustigsten Netzfundstücke genutzt hat, teilt er diese heute in Facebook und betreibt keinen Blog mehr. Blogs werden also wieder mehr Content-Generator, Facebook wird Content-Verteiler.
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