Übereilter Aktionismus

Man sagt jungen Menschen gerne vorschnell nach, sie würden ihre Taten manchmal nicht genug bedenken. Mit dem Vorwurf hab ich oft leben müssen, sicher nicht immer zu Unrecht. Gerade ist mir aufgefallen, dass ich inzwischen das zehnte Jahr an einem um ca. 7 cm tiefergelegten Schreibtisch sitze.

Und das ist einem ziemlich übereilten Aktionismus geschuldet. Als ich vor etwas mehr als 9 Jahren in die zukünftig beste WG aller Zeiten gezogen bin, war nämlich der Schreibtisch ein großes Hindernis. Das zusammengeschweißte Gestell dieses Arbeitstieres entwickelt bei Umzügen regelmäßig eine gewisse Sperrigkeit. Dieser war nicht der erste. Erworben hatte mein Vater ihn irgendwann ums Jahr 1995 herum – für symbolische zwei Mark, als bei ihm im Betrieb die Büros saniert wurden.

Das also vermutlich schon einige Jahrzehnte alte Möbelstück ließ sich anno 2003 nicht einmal unter Zuhilfenahme der Umzugsphilosophie meines Bruders* in mein Zimmer bugsieren. Das Bettgestell haben wir als Ganzes hineinbekommen, der Schreibtisch ließ sich zu lange bitten. Irgendwann sind wir dann zu unserem neuen Vermieter, haben ihn um eine Flex gebeten und uns umgehend und ohne weitere Gedanken an die Arbeit gemacht. Das Ergebnis war zwar nicht schön, aber praktisch. Wahrscheinlich sogar im Hinblick auf die danach noch folgenden Umzüge in ein anderes Zimmer und schließlich nach Berlin.

Und so sitze ich heute noch dran. Täglich stundenlang. Ich liebe ihn und er ist nach wie vor eines von vielleicht drei Möbelstücken, denen ich ohne nachzudenken zutrauen würde, mich zu tragen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns irgendwann trennen, ist natürlich groß. Inzwischen ist es nurmehr ein Stahlrohrrahmen und eine Platte. Die Hängekästen sind längst dem Sperrmüll anheim gefallen. Und wenn es soweit ist, wird es wohl ok sein. Worauf ich aber eigentlich rauswollte: nächstes Jahr im September ist es dann eine volle Dekade, die ich es nicht bereut habe, ein wenig in Aktionismus verfallen meinen Schreibtisch zerflext zu haben. Man sollte also auch diesen Entscheidungen eine Chance geben, würde ich sagen. 🙂


*Wenn’s mit G’walt net gehd, gehd’s mit no meh G’walt!

7 Comments

Filed under Haushalt

7 Responses to Übereilter Aktionismus

  1. der Schwob

    Bei Umzügen war das nie mein Motto…jedenfalls nicht in meiner Erinnerung. Bei Umzügen gilt nur : „Einfach über’s Geländer!“

  2. @der Schwob:
    Jetzt wollte ich einmal darüber hinwegtäuschen, dass das deine Einstellung zu allen anderen Problemen ist, und jetzt kommst Du wieder an …
    PS: „Einfach übers Geländer!“ – LOL! 😀

  3. Sehr amüsant zu lesen dein Beitrag. Toll!
    Bitte weiter so!

  4. Tjeika

    *lach* Was man aus einem Schreibtisch textlich so alles herausholen kann… toll!

  5. @Franziska:
    Danke! 🙂

    @Tjeika:
    Na wenn ich was kann, dann kleine Dinge episch erzählen … 😉

  6. Naja,
    einfach übers Geländer paßt auch zu allen anderen Gelegenheiten …

    … wenn man denn nicht saubermachen muß unten 😉

  7. @ednong:
    Stimmt. 🙂
    Aber der Spruch kamn anno dazumal so gut, weil es darum ging, wie wir ein Klavier durchs Treppenhaus kriegen sollen. Passend dazu der zweite Evergreen dieses Transports: „Halt mal kurz.“

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