In der Schleife der Zahnfee

Ich und Ärzte. Schwierig.

Nicht, weil ich ich Ärzte nicht leiden kann. Im Gegenteil. Ich schätze die Damen und Herren in Weiß sehr und gerade als Asthmatiker entwickelt man schnell Respekt vor der modernen Medizin, so beinahe wundervoll kommen einem die Möglichkeiten vor, plötzlich angenehmer leben zu können. Und ich gehöre auch nicht zu den Neidhammeln, die den Typen ihren Porsche missgönnen, die sich durch ein dröges und ewiges Studium quälen, um letzten Endes von Idioten zugequasselt zu werden, dass im Internet aber steht, Furunkel am Arsch seien viel besser mit Granderwasser zu heilen.

Dass das nicht blind-blöden Gehorsam verlangt, ist mir klar. Hätte Ozie vor 10 Jahren ihrem Arzt vertraut, hätte ich sie nie kennenlernen dürfen und mein derzeitiger Hausarzt ist auch eher für Krankschreibungen gut. Aber er überweist einen auch, wenn man mal was ernstes hat.

Meine Erfahrungen sind dabei aber eigentlich nicht die schlechtesten gewesen, meine Ärzte waren immer in Ordnung. Selbst die Zahnärzte. Dass ich das so einschätze, ist nicht weiter verwunderlich, schließlich hatte ich eigentlich die komplette Kindheit und Jugend über keine Probleme mit meinen Zähnen.

Leiden können habe ich es dennoch nie. Im Taxi komme ich gut damit zurecht, fremden Leuten auf die Pelle zu rücken – Ärzte hingegen dringen mir immer ein wenig zu weit in meine Komfortzone ein. Ein Zahnarzt, der seine Finger in meinem Mund hat und mich zum Putzen ermahnt, ist für mich ähnlich angenehm wie eine fremde Frau, die einen Penis in der Hand hält und sarkastisch meint:

„Hmm, naja. Bisschen klein, aber’s wird schon gehen.“

Das ist einfach auch ohne entsprechende Komplexe unlustig. Eine echte Phobie ist es wohl nicht, aber extremes Unbehagen. Und, ganz im Vetrauen: ich hasse Unbehagen! Dementsprechend lief der Zahnarzt spätestens nach meinem Auszug aus dem Elternhaus unter ferner liefen – was sich natürlich nicht unbedingt positiv ausgewirkt hat. Mit der mangelnden Kontrolle fiel auch das Putzen sparsamer aus und mein Gebiss ist nun nicht mehr in allzu gutem Zustand. Verticke mein Röntgenbild gerne als Negativbeispiel.

Aber gut, ernstlich Probleme hatte ich damit nie. Mein Lächeln ist zwar nicht mehr schön, aber wer hat schon noch was zu lachen auf dieser Welt? Abgesehen davon: Eitel war ich nun wirklich nie. Im Grunde haben die Komplexe bezüglich meines Gebisses nur die des Übergewichts wegen verdrängt und ich finde es ja ok, wenn es öfter mal was neues gibt. Zahnschmerzen hatte ich allenfalls mal einen oder zwei Tage lang und als erwachsener Mensch kennt man ja mit der Zeit die wirksamen Schmerzmittel …

So lief das alles auch ganz schnuffig und für mich ausreichend zufriedenstellend. Bis neulich.

Ich weiß nicht, wer schon mal einen Abszess am Kiefer hatte, aber ich kann garantieren, dass es ungeachtet der eingenommenen Schmerzmittel kein Spaß ist. Hätte man mich davor gefragt, dann hätte ich das Zufrieren der Hölle zeitlich deutlich früher eingeordnet als mein Einverständnis, mir durch einen Zahn in den Kiefer bohren zu lassen, um eitriger Plörre den Ablauf in meinen Mund zu ermöglichen. Ich kriege nämlich schon einen Würgereiz, wenn ich Blut schmecke und bin bei Schmerzen allenfalls so hart im Nehmen wie ein kleines Mädchen. Nur war es eben weit schlimmer, was ich die 24 Stunden zuvor durchgemacht hatte. Um es diplomatisch auszudrücken: Ich glaube seitdem nicht mehr daran, dass ich mich mit Schmerzmitteln umbringen kann …

Da landete ich also notgedrungen in einer Zahnarztpraxis, kurz vor Feierabend, und hab mich der Welt und insbesondere der Ärztin ergeben. Im Grunde ging es mir nur darum, die Schmerzen loszuwerden, ich hätte die Aktion nach dem ersten Besuch für beendet erklären können. Abgesehen von der kompetenten (wenn auch nicht schmerzfreien) Hilfe hat mich damals schon die Organisation der Praxis erfreut. Keine Wartezeit – und das war kein Einzelfall. Selbst für mich als Nachtarbeiter passende Termine am späten Nachmittag zu finden war bisher nie ein Thema.

Nach der zweiten Nachuntersuchung kam das Thema erstmals wirklich auf das, was bei mir noch alles machbar wäre, bzw. „nötig“. Dass mich eine Zahnärztin nach einer schmerzhaften Behandlung überzeugen könnte, ab jetzt doch regelmäßig zu kommen – ich hätte es nicht für möglich gehalten. Aber so war es. Vielleicht war es ihr Pragmatismus, das Ausbleiben böser Vorwürfe oder doch nur Sympathie. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich auf dem besten Wege bin, mir meine Beisserchen erneuern zu lassen. Gestern erst hatte ich wieder einen Termin und dieses Mal habe ich das erste Mal jemanden ohne Betäubung bohren lassen.

(Mal abgesehen davon, dass die Zähne schon fast hinüber waren: die Betäubungsspritzen ins Zahnfleisch finde ich ekliger als sich Habaneros ins Auge zu reiben. Und ich weiß, wovon ich rede. Zudem hatte ich auch mit Betäubung immer Schmerzen, wenn es an den Nerv ging.)

Es ist nicht so, dass mich die Sache nicht weiterhin vor harte Prüfungen stellt. Es müssen einige Zähne gezogen werden, ich war quasi überrascht davon, wie viele ich überhaupt habe, als ich das gelesen habe. Und das stellt mich wegen der Schwere des Eingriffs vor psychologische, organisatorische und ggf. finanzielle Hürden. Aber ich bin zuversichtlich. Und das hab ich letzten Endes wirklich nur meiner Zahnärztin zu verdanken. Auch wenn ich mir des begrenzten Nutzens dieses Links bewusst bin, wollte ich ihn doch einmal gesetzt haben:

Praxis Dr. Kornelia Schleife
Niemegker Straße 7
12689 Berlin

Website

12 Comments

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12 Responses to In der Schleife der Zahnfee

  1. Gute Zahnärzte sind mehr als Gold wert. Ich habe auch 4 Anläufe gebraucht und mehrere Jahre eine kleine, aber feine Phobie herangezüchtet. Irgendwann ging es nicht mehr, ich landete aus irgendeinem Grund in der jetzigen Praxis und durfte da zu Beginn beinahe wöchentlich antanzen. Das ist jetzt 3 Jahre her. Im Moment habe ich das 1. Mal einen „Wir sehen uns in 3 Monaten wieder“-Abstand… Herrlich. Und das auch nur, weil mein kleiner Türke noch so unglaublich motiviert und nett ist. Und erklärt und macht. Und vor allem ein wenig über den Tellerrand hinaus schaut. Wirklich Gold wert.

    Wenn ich mal nach Berlin ziehe, komme ich auf den Link zurück. 😀

  2. @Svü:
    Na dann auch Dir alles gute dabei! 🙂
    Man hat es ja nicht leicht mit seinen Phobien und Befindlichkeiten. Aber ich bin – wie erwähnt – guter Dinge.
    Ich glaube aber auch ganz ehrlich, dass solche Ärzte nicht einmal selten sind. Man muss wahrscheinlich einfach Glück haben und dann passt das schon …

  3. Ich hab auch gepflegte 15 Jahre vom Zahnarztbesuch Abstand genommen, nachdem meine letzte Zahnärztin unbedingt ihren neuen Porsche durch unnötige Eingriffe – wie meine damalige Kieferorthopädin mir versicherte – finanzieren wollte. Zum Glück hab ich erstklassige Beißerchen und bin auch bei der Pflege nicht nachlässig.

    Dennoch fiel auch mir vor einiger Zeit auf, dass ein Zahn sehr temperaturempfindlich wurde. Und nachdem unser betriebseigener Angsthase, der schon wegrennt, wenn man mit der Büroklammer auf ihn zeigt, mir einen Zahnarzt wärmstens empfohlen hat, bin ich auch in guten Händen gelandet. Und siehe da, die böse Karies war an einem Zahn nicht weit entfernt vom Nerv.

    Seither marschiere ich auch brav einmal im Jahr – Zitat meines Arztes „Mehr ist bei Ihren Zähnen echt Luxus – und für Luxus haben wir kein Geld, nicht wahr?“ – hin und freue mich dann sein Gejammer zu hören, ich möge mir doch nachts Schokolade auf die Zähne schmieren, so verdient er nichts an mir. 😀

    Aber ja, ein guter Zahnarzt ist wirklich sein Gewicht in Gold wert.

  4. @Der Maskierte:
    Ja, wenn es so läuft, isses spitze.

  5. Kat

    „Zudem hatte ich auch mit Betäubung immer Schmerzen, wenn es an den Nerv ging.“

    Genau das hab ich mir neulich von meinem Zahnarztspezialisten erklären lassen. Weil ich mir nicht erklären konnte, warum bei manchen die Spritzen nichts nützen. Und das liegt seiner Aussage nach an der Entzündung. Dadurch wird die Region basisch (oder das Gegenteil?). Auf jeden Fall ändert sich das da und dann wirkt das Schmerzmittel nicht mehr. Er empfiehlt eine Stunde vorher hochdosiert Ibuprofen, das regelt den ph-Wert runter, dann wirkt auch die Spritze.

    Ich wünsch dir alles Gute bei deinen weiteren Zahnarztbesuchen. Und ich kann dir aus eigener Erfahrung und Beobachtung sagen, dass ordentliche Zähne extrem gut wirken.

  6. Anonymous

    Hach ja, ich hätte da auch noch eine Geschichte. Es gab mal eine Zeit, in der mir – wie sich dann heraus stellte – ein einziger nicht behandlungsbedürftigen Zahn verblieb. Alle anderen mussten entweder raus (ok, dann doch nur 4) oder teils in mehreren Terminetappen aufgebaut werden, weil sie teils bis in die Wurzeln offen waren.
    Soweit kommen konnte es natürlich nur, weil im Alltag kaum Schmerzen vorhanden waren und die Zahnärzte meiner Kindheit entsprechende Abschreckungsarbeit geleistet haben, jedoch nicht gegen schlechte Zähne, sondern gegen Zahnarztbesuche. Passendes Beispiel: Am Ende konnte ich einzig mit der Einwirkung eines Zahnstochers auf einen frei schwingenden Nerv ein deutliches Schmerzempfinden auslösen, während ich mal bei der Teilung und Entnahme eines Backenzahns rund 1,5 Stunden schweißgebaded auf dem Stuhl lag und danach tagelang Muskelkater im Bauch hatte.

    Als es im Alltag dann doch eher unerträglich wurde (mehr optisch als schmerzlich, jedoch auch das zunehmend), habe ich endlich einen Zahnarzt gefunden, der diese Bezeichnung auch verdient hat. Ich habe das erste Mal in meinem Leben erfahren, dass dieser doofe Spruch (och, nach der Spritze spürt man doch gar nichts mehr) doch wahr sein kann. Es hat zwar manchmal 3-4 Spritzen in der selben Region gebraucht bis es endlich gewirkt hat, aber hey, endlich mal schmerzfreie Behandlungen. Vorher wurde ich immer nur nach dem Motto „Spritze reinhauen, wird schon passen“ betäubt. Der positive Höhepunkt war eine ebenfalls sehr zeitinensive Teilung und Entnahme eines Backenzahns, bei dem auch noch eine Wurzel abgebrochene Wurze rausgepopelt werden musste und ich war dabei zeitweise geneigt aus Langeweile einzuschlafen. Einzig die Kiefermuskeln haben das ewige extreme Aufhalten als störend empfunden und natürlich war die Nachwirkung bei nachlassender Betäubung an dem Tag recht heftig.

    Aber man sieht: Die richtige Betäubung ist echt was wert. Und noch genialer ist ein Arzt, dem es wichtig ist, dass sein Patient möglichst schmerzfrei ist. Dennoch gab es hier auch unterschiedliche Tagesformen. Manchmal wirkte erst der 5. Versuch und Vormittage scheinen bei mir ganz unmöglich zu sein. Obwohl der Termin fast nur aus Reinigungsarbeiten ohne Bohrungen bestand, war der Stuhl hinterher – wie schon Jahre zuvor beim Feld-Wald-und-Wiesen-Arzt – von oben bis unten vollgeschwitzt.

    Und heute besteht meine Beißer sicher mehr aus Zahnersatz als aus körpereigenen Stoffen. Dennoch habe ich keinen einzigen Euro zuzahlen müssen (günstige Produktion + gute Zusatzversicherung machts möglich). Und das beste: Immer noch schmerzfrei, endlich wieder richtig lächeln, endlich Spaß an Zahnhygiene und Nachsorgeuntersuchungen. Dennoch hätte ich es nachträglich lieber erst gar nicht so kommen lassen sollen und mir gleich gute Ärzte suchen sollen. Noch ist zwar alles in Ordnung, aber sollte sich in Zukunft mal wieder Probleme bekommen, wird es wohl nach und nach auf künstliche Wurzeln hinaus laufen.

  7. @Kat:
    Gut zu wissen. Ich hab das ohne Nachfrage immer auf eine Unterdosierung geschoben. Und klar wirken ordentliche Zähne gut, ich bin trotzdem gedanklich aus diesem Äußerlichkeiten-Karussell ausgestiegen mit der Zeit. Meine Qualitäten liegen ungefähr seit meinem 10. Geburtstag nicht mehr in meinem äußeren Erscheinungsbild und damit kann ich erstaunlich gut leben 🙂

    @Anonymous:
    Das kommt mir doch hier und da bekannt vor. 😉
    Schön, dass es bei Dir gut lief, ich bin ebenso hoffnungsvoll. Und wie gesagt: Das Schlimme bei mir ist, dass ich die Situation an sich unangenehm finde. Eine gewisse Gewöhnung setzt zwar inzwischen langsam ein, aber es ist auch nur ein Hinnehmen. (Gewisse) Schmerzen kann ich nicht leiden und bei Menschen in meiner Intimsphäre bin ich auch verdammt wählerisch. Gehört nicht zu den schönsten Seiten meiner Persönlichkeit, ist aber sicher schwer zu ändern.
    Wenn jetzt die Narkose eine sinnvolle Möglichkeit ist, dann werde ich das nutzen. Trotz Zusatzkosten. Bei 10 Zähnen bedeutet das eben auch die Ersparnis eines oder mehrerer Termine, damit eine Reduktion der Zeit, mehr Arbeitsmöglichkeiten und damit mehr Geld für mich. Könnte am Ende ein Nullsummenspiel sein mit dem nützlichen Nebeneffekt, deutlich weniger Angst und Schmerzen zu haben.
    Ich muss aber auch ganz klar sagen: es war so wie es war und es war ok. Ich müsste einiges nicht durchmachen jetzt, wenn ich immer brav zum Zahnarzt gegangen wäre und mir brav die Zähne geputzt hätte. Insbesondere dank der Wartezeiten bei meinem alten Zahnarzt hab ich in den letzten 10 Jahren sicher einige Tage Lebenszeit andersweitig nutzen können und das ist der Preis dafür. OK. Ist akzeptiert und vielleicht halte ich es in Zukunft anders. So ist das Leben: Die eine Entscheidung war richtig, die andere eben nicht. Passiert.

  8. antagonistin

    Ohje, Du Armer. Ich hab zwar zum Glück bislang nix Schlimmes gehabt zahntechnisch, bin aber trotzdem sehr extrem zahnarztphobisch. Letztes Jahr mussten 2 Weisheitszähne raus, ich hatte es lang rausgezögert und ernsthaft in Erwägung gezogen, die Kohle für ne Vollnarkose zu investieren. Stattdessen hab ich den Kieferchirurgen gefragt, ob er mir vorab einen Tranquilizer verpassen kann, weil ich so massiv Angst habe. Hat er getan. Oxazepam heißt der Wirkstoff, er hat mir ein Rezept gegeben und mir gesagt, ich solle 20 Minuten vorm Eingriff 2 Tbl. davon nehmen. Kurzum: ich war breiter als breit, entsprechend tiefenentspannt und der Eingriff war entsprechend easy.

    Das Zeug ist sicher nichts für die kleine Zahnbehandlung, aber für Phobiker vor ner größeren Aktion offenbar ein häufiger verwendetes Mittel. Vielleicht fragst Du Deine Ärztin mal danach, bevor ein größerer Eingriff kommt.

    Ich drück die Daumen. Du schaffst das. 🙂

  9. Na, hoffentlich freut sich die Zahnärztin über die Veröffentlichung ihrer Adresse im Internet!

  10. @breakpoint:
    Also ich hab nur gutes geschrieben und außerdem ihre eigene Seite verlinkt. Da vermute ich nun wirklich nicht, dass das ein Problem sein könnte.

  11. Thorsten

    Na, ich hoffe du hast eine gute Zusatz-Versicherung. Ich habe eine schlechte, und deswegen durfte ich die letzten 2 Jahre etwa 6000€ investieren – danke nochmal an meinen „alten“ Zahnarzt, dass er teilweise falsch behandelt hat, und damit Zähne zerstörte. Immer schön so etwas…

  12. @Thorsten:
    Ich will ehrlich sein: Ich habe gar keine. Aber ich habe auch keine Ansprüche. Wenn ich der Zahnärztin Glauben schenken darf, dann kostet mich der Spaß neben den Kassenbeiträgen vielleicht 500 €.
    Das ist keine kleine Sache für mich, muss ich ehrlich zugeben, aber wenn das am Ende stimmt, dann ist es mir das auch wert.

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