In letzter Zeit ist es ja auch wieder Thema geworden, ob Polizisten nicht eindeutig zu identifizierende Nummern bekommen sollen, die insbesondere bei den Einsatzhundertschaften auf Demonstrationen getragen werden müssen. Ich bin davon überzeugt, dass das sinnvoll ist.
Die Gegenargumente sind meist der Natur, dass die Polizei mit einem Haufen unbegründeter Klagen überzogen würde. Diese Möglichkeit muss man in Erwägung ziehen, aber das wäre zum einen wahrscheinlich eine vorübergehende Modeerscheinung, und zum anderen sind Polizisten nicht die einzigen, deren Verhalten im Grunde einer permanenten Überwachung unterliegt. Dass da bisweilen ein Verfahren klären muss, ob das Handeln gerechtfertigt war, gehört im Grunde mit zum Beruf. Es mag nicht schön sein, aber dass die Staatsgewalt auch der Kontrolle der Justiz unterliegen muss, sollte niemand in Frage stellen.
Man mag meinen, dass das eigentlich nie eine Rolle spielt. Ich möchte hier eine ewig alte Geschichte erzählen, die das Gegenteil beweist. Der Christopher Street Day 1998 war in Stuttgart eine ziemliche Melange aus Veranstaltungen, Gegen- und Gegen-Gegen-Veranstaltungen. Genau genommen gab es zum einen eine CSD-Parade, zum anderen eine Gegendemonstration örtlicher Nazigruppierungen und dagegen wiederum eine Gegendemonstration aus der Linken Ecke.
Die Nazis haben sich in der Nähe der Liederhalle eingefunden und mit dem selten bekloppten Spruch
„Deutschlands Zukunft sind die Kinder – nicht die Schwulen und die Inder“
für ihr Anliegen geworben. Dass ich mir das 12 Jahre lange merken konnte, macht ihn nicht besser.
Die Gegendemo war soweit ich mich erinnere relativ unspektakulär. Aber gut, letzten Endes bin ich mit vielleicht 200 anderen in einem Kessel gelandet. Da saßen wir also rum in der Mittagssonne und haben geschwitzt. Um uns rum etliche Cops, die dafür gesorgt haben, dass wir ja niemanden ungebührlich belästigen.
Nun ja, ist nicht schön, war in meinen Augen auch ungerechtfertigt – aber können wir mal als Strategie gelten lassen.
Mit der Zeit ist es aber echt stressig geworden. Man schwitzt, hat nichts zu essen oder trinken dabei… die üblichen Kessel-Probleme. Wie das mit den Toiletten geregelt war, weiss ich schon gar nicht mehr. Jedenfalls hatten die Cops ja nicht alle eingekesselt. Wir waren nur ein paar, wahrscheinlich nicht einmal der gefährlichste Haufen. Der übliche fußlahme Rest, der nicht vorausschauend genug oder schnell genug weg war. Ein paar Außenstehende haben sich natürlich um uns gesorgt, und so ist schon mal hier und da etwas Wasser reingereicht worden. Das war der Polizei natürlich nicht recht, aber es ließ sich schlecht vermeiden, da sie ihre ganze Aufmerksamkeit brauchten, um uns abenteuerlustige Querulanten, die wir da rumstanden/-saßen, in Schach zu halten.
Irgendwann kam ein netter Mensch von außen an den Kessel getreten und reichte über die Polizeikette eine Tüte von einem Bäcker zu uns herüber. Die Beamten in der Kette nahmen das verärgert zur Kenntnis und konnten aber – der Auftrag hieß ja rumstehen – nicht so recht was dagegen machen. Aber zum Glück waren ja auch nicht alle Polizisten derart gebunden, und so fasste sich ein Kollege der Uniformierten ein Herz und klärte die Situation. Mit mittelprächtigem Aufwand und großem Temperament zückte er seinen Schlagstock und zog ihn dem völlig überraschten Mann von hinten über den Rücken. Wahrscheinlich wäre mir diese Situation nicht im Gedächtnis geblieben, wäre der Schlag nicht derart brutal gewesen, dass der Schlagstock – noch einer aus Holz – unter dieser Last zerbrochen ist.
Angesichts dieser völlig unnötigen, zumindest stark übertriebenen Gewaltanwendung rumorte es im Kessel und ich denke, man muss keine irgendwie komischen politischen Weltanschauungen haben, um dieses Verhalten skandalös zu finden.
Sicher nicht leise und freundlich – aber dennoch nicht unangepasst, wie ich denke – habe ich mich mit zwei drei anderen an einen der Polizisten in die Reihe gewandt und ihn nach Name und Dienstnummer des Kollegen gefragt. Und die Antwort trägt bis heute massiv dazu bei, dass ich für offen erkennbare Nummern bin:
„Der? Sein Name ist Hase. Und seine Dienstnummer ist 123!“
Das möge beizeiten mal jemand antworten, der einem Cop eine übergebraten hat – und damit durchkommen…
Aufgeregt habe ich mich diesbezüglich neulich übrigens, als ich im Radio ein Interview mit der neuen Vize-Präsidentin der Berliner Polizei gehört habe, die sich zwar für Namensschilder ausgesprochen hat – damit die Polizei für Touristen weltoffener wirkt – aber gleichzeitig zu verstehen gegeben hat, dass es Regelungen geben sollte, in „Gefahrensituationen“ von einer Kennzeichnungspflicht abzusehen. Ist klar. Geht ja schließlich nur um eine Image-Geschichte!