Freitag = Polizeitag (9)

In letzter Zeit ist es ja auch wieder Thema geworden, ob Polizisten nicht eindeutig zu identifizierende Nummern bekommen sollen, die insbesondere bei den Einsatzhundertschaften auf Demonstrationen getragen werden müssen. Ich bin davon überzeugt, dass das sinnvoll ist.

Die Gegenargumente sind meist der Natur, dass die Polizei mit einem Haufen unbegründeter Klagen überzogen würde. Diese Möglichkeit muss man in Erwägung ziehen, aber das wäre zum einen wahrscheinlich eine vorübergehende Modeerscheinung, und zum anderen sind Polizisten nicht die einzigen, deren Verhalten im Grunde einer permanenten Überwachung unterliegt. Dass da bisweilen ein Verfahren klären muss, ob das Handeln gerechtfertigt war, gehört im Grunde mit zum Beruf. Es mag nicht schön sein, aber dass die Staatsgewalt auch der Kontrolle der Justiz unterliegen muss, sollte niemand in Frage stellen.

Man mag meinen, dass das eigentlich nie eine Rolle spielt. Ich möchte hier eine ewig alte Geschichte erzählen, die das Gegenteil beweist. Der Christopher Street Day 1998 war in Stuttgart eine ziemliche Melange aus Veranstaltungen, Gegen- und Gegen-Gegen-Veranstaltungen. Genau genommen gab es zum einen eine CSD-Parade, zum anderen eine Gegendemonstration örtlicher Nazigruppierungen und dagegen wiederum eine Gegendemonstration aus der Linken Ecke.

Die Nazis haben sich in der Nähe der Liederhalle eingefunden und mit dem selten bekloppten Spruch

„Deutschlands Zukunft sind die Kinder – nicht die Schwulen und die Inder“

für ihr Anliegen geworben. Dass ich mir das 12 Jahre lange merken konnte, macht ihn nicht besser.

Die Gegendemo war soweit ich mich erinnere relativ unspektakulär. Aber gut, letzten Endes bin ich mit vielleicht 200 anderen in einem Kessel gelandet. Da saßen wir also rum in der Mittagssonne und haben geschwitzt. Um uns rum etliche Cops, die dafür gesorgt haben, dass wir ja niemanden ungebührlich belästigen.

Nun ja, ist nicht schön, war in meinen Augen auch ungerechtfertigt – aber können wir mal als Strategie gelten lassen.

Mit der Zeit ist es aber echt stressig geworden. Man schwitzt, hat nichts zu essen oder trinken dabei… die üblichen Kessel-Probleme. Wie das mit den Toiletten geregelt war, weiss ich schon gar nicht mehr. Jedenfalls hatten die Cops ja nicht alle eingekesselt. Wir waren nur ein paar, wahrscheinlich nicht einmal der gefährlichste Haufen. Der übliche fußlahme Rest, der nicht vorausschauend genug oder schnell genug weg war. Ein paar Außenstehende haben sich natürlich um uns gesorgt, und so ist schon mal hier und da etwas Wasser reingereicht worden. Das war der Polizei natürlich nicht recht, aber es ließ sich schlecht vermeiden, da sie ihre ganze Aufmerksamkeit brauchten, um uns abenteuerlustige Querulanten, die wir da rumstanden/-saßen, in Schach zu halten.

Irgendwann kam ein netter Mensch von außen an den Kessel getreten und reichte über die Polizeikette eine Tüte von einem Bäcker zu uns herüber. Die Beamten in der Kette nahmen das verärgert zur Kenntnis und konnten aber – der Auftrag hieß ja rumstehen – nicht so recht was dagegen machen. Aber zum Glück waren ja auch nicht alle Polizisten derart gebunden, und so fasste sich ein Kollege der Uniformierten ein Herz und klärte die Situation. Mit mittelprächtigem Aufwand und großem Temperament zückte er seinen Schlagstock und zog ihn dem völlig überraschten Mann von hinten über den Rücken. Wahrscheinlich wäre mir diese Situation nicht im Gedächtnis geblieben, wäre der Schlag nicht derart brutal gewesen, dass der Schlagstock – noch einer aus Holz – unter dieser Last zerbrochen ist.

Angesichts dieser völlig unnötigen, zumindest stark übertriebenen Gewaltanwendung rumorte es im Kessel und ich denke, man muss keine irgendwie komischen politischen Weltanschauungen haben, um dieses Verhalten skandalös zu finden.

Sicher nicht leise und freundlich – aber dennoch nicht unangepasst, wie ich denke – habe ich mich mit zwei drei anderen an einen der Polizisten in die Reihe gewandt und ihn nach Name und Dienstnummer des Kollegen gefragt. Und die Antwort trägt bis heute massiv dazu bei, dass ich für offen erkennbare Nummern bin:

„Der? Sein Name ist Hase. Und seine Dienstnummer ist 123!“

Das möge beizeiten mal jemand antworten, der einem Cop eine übergebraten hat – und damit durchkommen…

Aufgeregt habe ich mich diesbezüglich neulich übrigens, als ich im Radio ein Interview mit der neuen Vize-Präsidentin der Berliner Polizei gehört habe, die sich zwar für Namensschilder ausgesprochen hat – damit die Polizei für Touristen weltoffener wirkt – aber gleichzeitig zu verstehen gegeben hat, dass es Regelungen geben sollte, in „Gefahrensituationen“ von einer Kennzeichnungspflicht abzusehen. Ist klar. Geht ja schließlich nur um eine Image-Geschichte!

13 Comments

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13 Responses to Freitag = Polizeitag (9)

  1. Michael

    Vor- und Nachteile unserer George Orwell Gesellschaft:
    So blöd es ist, permanent von irgendwelchen Kameras beobachtet zu werden, dieser Schläger, ich meinte „Polizist“ wäre in youtube gelandet.
    Dann wäre es auch völlig egal, ob der Heinz Müller oder Egon Berufverfehlt heißt, der Innenminister hätte ein großes Erklärungsproblem.

  2. Immer wieder traurig so etwas zu lesen.
    Und ich bin froh, nicht die Verantwortung eines Polizisten tragen zu müssen.

  3. die verantwortung.. welche verantwortung den in diesem fall ?
    hätten ja molotow cocktails in der tüte sein können oder wie ?

    Das finde ich richtig krass…habe schonmal hier in Berlin am 1.mai glaube da war ich 16 bin ja noch ziemlich jung also vor knapp 4 Jahren erlebt wie ein Hobbyfotograph von einem Polizisten niedergeschlagen wurde weil er ne brennende Mülltonne aus nächste nähe fotografierte.

  4. Das mit der Verantwortung war nicht unbedingt auf diese Situation bezogen 🙂

    Aber ich bin auch durchaus dafür, dass sie Identifizierbar sind. Natürlich kämen falsche beschwerden, aber die kann es in jedem anderen Job auch geben.

  5. @Michael:
    Das mit den Kameras kann ich nur zum Teil bejahen. Schließlich hat die Polizei derzeit ja auch das Privileg, sich bei solchen Aktionen vermummen zu dürfen. Da helfen bei gleicher Uniform auch keine Kameras mehr. Wenn’s nicht gerade der 2,10 m große Dicke aus Einheit 3 ist…

  6. @Rinjah:
    Bei allem ungesunden Ärger, den ich mit den Gesellen hatte: Ja, ich will den Job auch nicht machen, ich spreche dem Job die Existenzberechtigung nicht völlig ab und in einigen wenigen Momenten bin ich auch echt auf verdammt nette Cops gestoßen, die tatsächlich unterwegs waren, um einfach nur was gutes für die Gesellschaft zu tun.
    Es ist aber einfach nur ärgerlich, dass ich inzwischen – selbst wenn ich durch meine gelegentliche Anwesenheit auf Demos ein bisschen mehr gesehen hab als der Durchnittsmensch – locker ein Buch über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von Polizisten schreiben könnten.
    Wie das bei Leuten ankommt, die nicht in der Lage sind, gewisse Situationen differenziert zu betrachten, kann man sich ja vorstellen.

  7. @dome:
    Der Gedanke mit einem „gefährlichen Gegenstand“ in der Tüte ist ja gar nicht sooo abwegig. Wobei man vielleicht erwähnen sollte, dass das Baguette noch rausgeschaut hat.
    Ich hatte wegen ein paar Fotos schon eine Hausdurchsuchung und die verprügelten Freunde kann ich gar nicht mehr zählen. Die Fälle, in denen ein Anlass bestand, geht gen Null.
    Ist ja kein Zufall, dass ich hier die Sammlung an Polizei-Geschichten aufgemacht habe.

  8. ja das glaube ich dir…
    es ist doch wie überall es gibt solche und solche..
    die einen Polizisten haben den Job gemacht weil sie was für die
    Allgemeinheit tun wollen und die anderen weils vllt ne gute Rente gibt.. oder es ein sicherer Job ist wie auch immer… und ich denke
    mal auf ner demo trifft man meistens nicht die die was für die allgemeinheit tun wollen 🙂

    Bin aber auch dafür das sie ne Nummer drauf haben sollten…

  9. cohn structa

    Bei diversen Einsätzen im Bundesgebiet gibt es zwei Einheiten, die gerne vorgeschickt werden: die Augsburger und die Berliner – beide für sagen wir „Härte gegenüber dem Feind“ bekannt.
    Andere Bereitschaftspolizisten dürfen dann den Parkplatz bewachen (Zitat eines befreundeten Jägermeisters)
    Ich als Polizeipräsidentin fänd das dann auch doof, wenn meine Knaben Nummern tragen… wie uncool.

  10. @cohn structa:
    Ich hoffe eben nur, dass sich hier nicht einfach Coolness durchsetzt…

  11. Martin

    Ich war beim „Gipfel“ in Rostock… Die Berliner Jungs waren auch dort…
    Die haben Spass am prügeln und schrecken auch vor dünnen Mädchen nicht zurück… Auch eine FRAU MIT KINDERWAGEN! durfte den Kessel der immer mal wieder gebildet wurde nicht verlassen… die linken Chaoten sind schon krass… ob es Sinn macht ebenso krasse Personen mit Schild und Knüppel zu bewaffnen ist hier die Frage… die sind nicht ohne Grund so schwer identifizierbar… Das Gerede geht wohl seit der „Freiheit statt Angst“ Demo… Für mein Empfinden also etwas zu lange wenn die Minister wirklich etwas ändern wollen…

  12. @Martin:
    Dass es seine Zeit dauert: OK. Wenn das allerdings im Sande verlaufen sollte – was mich nicht wundern würde – dann wäre es echt arm.

  13. Martin

    WIR sind eben NICHT Deutschland 😉

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