Rückblick: Sash als Paketfahrer

Marcus hat in den Kommentaren gefragt, ob ich nicht meine Bewerbung bei einem Paketversender publik machen wolle. Warum nicht? Aber so richtig spannend war es eigentlich nicht.

Aber gut, gewissermaßen war es auch ein Schritt auf dem Weg zum Taxifahren.

In Stuttgart habe ich ja Behinderte durch die Stadt gegurkt, und in den letzten beiden Monaten zudem für einen Sicherheitsdienst Überweisungsunterlagen für Banken durch ganz Baden-Württemberg. Als ich nach Berlin gekommen bin,war klar, dass ich auch hier irgendwas im Transport-, bzw. Beförderungsgewerbe suche.

Aber ich wäre ja nicht der Sash, wenn ich nicht mit völlig unzureichendem Wissen mal eben 600 km wegziehen würde. Ich hatte in Stuttgart ja meinen P-Schein (ohne Ortskunde) gemacht und hatte die Hoffnung, dass ich in Berlin im Behindertenfahrdienst bei meiner mehrjährigen Erfahrung und einem durchaus ernsthaft positiven Arbeitszeugnis einen Job finden würde.

Die Ernüchterung war natürlich groß, als ich lernen musste, dass der P-Schein ernstlich an die Ortskunde gekoppelt ist, und ich nicht einmal feste Touren wie in Stuttgart ohne Schein fahren kann. Ich hatte mich bei einem Behindertenfahrdienst beworben, und der Job klang mit 1300 brutto gut bezahlt und soweit ok. Genommen hätten sie mich offenbar – P-Schein aber natürlich vorausgesetzt. Mist!

Also habe ich mich andersweitig umgesehen, und da lag dann Pakete ausfahren nahe. Dafür braucht man keinen P-Schein, und ein paar seriöse Angebote mit angemessener Bezahlung fanden sich durchaus. Man darf ja auch nicht vergessen, dass ich in Stuttgart rund 1050 € brutto im Monat hatte.

Also hab ich das Netz und auch die ein oder andere Zeitung durchforstet und bin auf ein Angebot gestossen, bei dem sie auch 1300 € bieten, 40 Stunden die Woche oder so zum Pakete ausfahren. Nach einem Anruf bin ich dann auch mal dort aufgeschlagen und was sich mir da geboten hat, war schon sowas in der Kategorie „widerlich“. Die Firma lag in Heinersdorf, ziemlich am Rand, fast schon auf dem Land. Gefühlt zumindest. Der Laden selbst war in einem Hinterhof zwischen verwaisten Häusern mit eingeschlagenen Scheiben zu finden und sah eigentlich auch nicht besser aus als selbige. Soweit ich gesehen habe, bestand der Betrieb im wesentlichen aus einer Flotte von rund 10 halblebigen Autos und einer kleinen Lagerhalle mit angeschlossenem Büro. So wie man in schlechten deutschen Filmen mit niedrigem Budget einen Unterschlupf eines Waffenschiebers darstellt. Das Büro war verqualmt, nackter Putz an der Wand, und neben ein paar Aktenschränken, Schreibtisch und PC fiel vor allem die durchgewetzte Couch-Garnitur auf, die sicher irgendwann zu Wirtschaftswunderzeiten sehr modern war.

Die Angestellten waren durchweg männlich, so bestand die Wanddekoration überwiegend aus Kalendern und Pin-Up-Postern. Der Chef bat mich, mich zu setzen und fragte als erstes danach, ob ich nicht auch ein eigenes Auto hätte. Nein. Naja, egal, eines hätte er noch zur Verfügung, dann solle ich halt das nehmen. Ob ich mich auskennen würde? Nein. Naja, wenn ich kein Navi hätte, dann… da hat er mir ein aus einem Stadtplan aus DDR-Zeiten ausgeschnittenes Papierfragment in die Hand gedrückt und gemeint, das wäre so in etwa mein Gebiet. Grob zwischen Hohenschönhausen und Lichtenberg, das lernt man schnell.

Bezahlung, ja da gäbe es verschiedene Möglichkeiten. Wenn ich wolle, könne ich auch mein ALG aufstocken, aber nein und doch und… eigentlich hatte er keine Idee, was er mit mir macht, meinen Namen konnte er sich nicht merken und ich solle doch einfach mal mit einem Kollegen mitfahren. Jetzt gleich.

Das war nun etwas blöd, weil ich an dem Tag wirklich keine Zeit hatte.

Na dann halt morgen. 7 Uhr? Na klar.

Als ich ankam, wurde ich hierhin und dahin geschoben und dann einem Kollegen zugeteilt, der sich nicht wirklich dafür begeistern konnte, Babysitter zu spielen. Das Auto war schon fast vollgeladen, und so ging es dann auch bald los. Der Kollege war eigentlich ein netter. Er ist dann recht schnell aufgetaut und hat mir von Tücken im Austeilungsgebiet (die Landsberger Allee mit all ihren verschachtelten Nebenstraßen) bis zur Bedienung der Geräte und dem Ausfüllen der Zettel eigentlich alles erklärt. Zudem, dass wir im Namen von Hermes Pakete für Quelle und Konsorten ausfahren. Ein paar dieser Pakete hab ich selbst an Kunden übergeben können und somit sogar ein bisschen helfenderweise anpacken können. Der Chef, so erfuhr ich, würde immerhin pünktlich zahlen und ja, so schlecht wäre es nicht. Sei halt hartes Business und man müsse sich schon ranhalten, den Zeitplan zu schaffen. Naja.

Die Tour war irgendwann vorbei und mir ging es so lala. War alles noch ziemlich neu, ich hatte keine Ahnung, wo wir überhaupt waren und und und. Woher ich denn eigentlich wisse, welche Pakete ins Auto müssen? Naja, die lädt man morgens selber ein. Und wo und wie? Kommste am Montag früh, 6 Uhr und dann zeigen wir dir das.

Ich also wieder hingefahren und gefragt, wo ich mal gucken könne.

Die Antwort war dann der entscheidende Grund, weswegen ich beschlossen habe, drauf zu scheissen. Ich wurde nämlich relativ rüde vom Chef angegangen, was ich denn eigentlich jetzt hier wolle, und wenn ich nicht vorhätte, jetzt zu fahren, dann könne ich auch gleich wieder gehen. Er wüsste so jetzt auch nichts mit mir anzufangen. Also bin ich gegangen mit den Worten im Ohr, ich solle einfach vorbeikommen, wenn es mir dann passen würde.

Die Entscheidung, nicht mehr hinzugehen hat mich viel Geld gekostet und zudem die Frage erneut aufgeworfen, was ich eigentlich hier in Berlin machen will – aber falsch war sie nicht.

Ich bin ein Mensch, der sich entschlossen hat, sein Leben mit mehr oder minder als prekär eingestuften Arbeitsverhältnissen zu finanzieren. Das mache ich bewusst, und ich finde es nicht grundsätzlich schlimm. Die paar Euro mehr am Monatsende wären natürlich gut, aber sonst…

Aber auch wenn es der kapitalistischen Logik etwas entgegensteht: Ich erwarte dafür was. Nämlich wenigstens eine faire Behandlung und die Chance, meinen Job auch gut zu machen, indem man mir zeigt, was ich zu tun habe. Wenn dann die Atmosphäre stimmt, dann arbeite ich auch für 7 € brutto die Stunde und fühle mich wohl dabei. Aber das ist das Minimum. Ja, und so habe ich die Arbeit also nicht angenommen. Der Rest sollte bekannt sein: Ein paar Monate Arbeitslosigkeit, währenddessen Erwerb des Staplerscheins. Dann eine Woche Zeitarbeit mit dem abschließenden Ziel, es jetzt doch mit dem P-Schein zu versuchen. Dann ein weiteres Dreivierteljahr Arbeitslosigkeit, während ich bei meinem jetztigen Arbeitgeber auf die Ortskundeprüfung hingearbeitet hab. Ich kann damit leben.

2 Comments

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2 Responses to Rückblick: Sash als Paketfahrer

  1. Marcus

    Astreiner Bericht, von dem man durchaus etwas lernen kann…..nach meinen ganz speziellen Traumjob suche ich im übrigen auch noch. Gibt es eigentlich auch irgendwo Berichte über deine Zeit im Behindertenfahrdienst?…..ich muss zugeben, wenn man schon im Berlin ca. 1300 Brutto für soetwas Angeboten bekommt, klingt das schon recht verlockend.

  2. @Marcus:
    Werde ich vielleicht noch nachholen. Da wird es allerdings schwieriger, das zusammenzufassen, da ich da immerhin 4 Jahre gearbeitet hab, und da natürlich einiges erlebt habe.
    Und: Ja, das Geld war definitiv ok. Brutto hab ich auch jetzt nicht mehr. Aber ich arbeite ja in einem Job, in dem ich mehr Netto als Brutto hab…

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