(ein unsortierter Text über sortierte Daten)
Ozie ist vorher in einem Gespräch über Datenschutz, Payback-Karten und dergleichen auf eine interessante Geschichte gestoßen. Was den Einzelhandel angeht, sind wir heute wieder genau da, wo wir vor 30 Jahren auch waren. Diesen Gedanken fand ich interessant, denn natürlich hat sich die Welt um einiges gewandelt. Aber was die Kundenwerbung und -bindung angeht, trifft das witzigerweise zu. Zumindest für den Kunden. Also oberflächlich.
Genau genommen ist nichts wie früher, aber wir sollen es glauben. Habe ich zumindest den Eindruck. Es geht um eines meiner Lieblingsthemen: Computer und Datenschutz. Nervt die meisten hier wahrscheinlich schon ein bisschen, aber ich will es dennoch erklären.
Vor 30 Jahren waren Supermärkte noch nicht DER Ort zum Einkaufen. Es gab diese ganzen kleinen Läden – wahrscheinlich kommt das Wort Einzelhandel irgendwo aus dieser Umgebung – aber ich kann es nicht sicher sagen.
In diesen kleinen Läden – die zumeist um die Ecke lagen – hatte man seinen Kaufmann, der einen mit der Zeit kannte, der wusste, was man gerne isst, und der einem auch gerne mal den Wein B empfohlen hat, weil Wein A – den wir am liebsten trinken – so ähnlich schmeckt.
Heute haben wir Supermärkte teilweise internationaler Ketten. Das ist immer ein bisschen unpersönlicher als beim Kaufmann um die Ecke, wobei man als Stammkunde durchaus auch in solchen Läden merken kann, dass das Ende der Fahnenstange nicht ein „Ihr schon wieder“ der miserabel bezahlten Aushilfskraft ist.
Und die – natürlich völlig uneigennützige 😉 – Beratung übernehmen heute die Payback- und HappyDigits-Anbieter dieser Welt. Ozie ist heute im Intranet ihrer Firma auf eine Studie gestoßen, die genau das sagt: Die Auswertung der gesammelten Daten steckt beileibe nicht mehr in den Kinderschuhen. Wenn ich häufig Maggi-Fertigmischungen kaufe, aber bei der Würz-Soße regelmäßig auf ein anderes Produkt ausweiche, dann ist es nicht allzu unwahrscheinlich, dass mir mit der Zeit Werbung ins Haus flattert, die die Vorzüge der Maggi-Würze näher erläutert.
Das kann ich nicht mit persönlichen Daten untermauern, weil ich Werbung in diesen Eimer werfe, der in unserem Hausflur praktischerweise gegenüber der Briefkästen (dem Erfinder dieser Einrichtung ein dickes Lob!) hängt.
Ich finde den Gedanken auch nicht sonderlich schlimm, denn das einzige, was mich an Werbung wirklich ärgert, ist die Menge und die Stupidität derselben.
Das Schlimme ist eigentlich auch nicht, dass diese Daten erhoben werden, sondern dass die meisten Menschen sich nicht bewusst sind, welche Auswirkungen das haben kann. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht nicht in 5 Jahren, vielleicht auch nicht in zehn. Vielleicht aber eben auch doch.
Klar, man ist nicht mehr so blöd und gibt seine Kontodaten jeder x-beliebigen Website. Man hat eine Firewall auf dem PC, die richtet den Rest. Damit kann ja eigentlich nichts schlimmes mehr passieren…
Mal abgesehen davon, dass eine Firewall nicht zwingend Sicherheit bedeutet, ist es das nicht. Immer wenn es um Datensammlungen geht, wird gegen Kritik daran argumentiert, dass es ja nicht schlimm sei, wichtiges ist ja nicht dabei. Analog zur „Ich hab ja nichts zu verbergen“-Argumentation bei staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre. Dabei ist das gerade einfach nur Glück.
Die Firmen gehen eben nicht gerne damit hausieren, was sie an Daten alles sammeln, deswegen sind folgende – von mir heiß erwarteten Werbesendungen bisher noch nicht aufgetaucht – aber sie könnten… irgendwann mal:
„Frau Fuchtel, im letzten Halbjahr haben sie dreizehn Euro für 60 Tampons einer No-Name-Firma ausgegeben. Haben sie schon darüber nachgedacht, dass sie für 9,99 Euro bereits eine 40er-Packung unserer neuesten „Super-Saugi-Plus-Stopfen“ erwerben können, die sie laut dieser Studie (Link) doppelt so lange nutzen können, weil sie während ihrer Entwicklung in der Testphase auch andalusische Seekühe luftdicht verschlossen haben? Dazu gibt es einen Gutschein fürs „Fetti-Frust-Fitness-Center“ gratis. So können sie der Pornosammlung ihres Mannes endlich das Wasser reichen.“
„Herr Fuchtel, wir erlauben uns, sie darauf hinzuweisen, dass ihre Frau ausser menstruieren scheinbar nichts anderes im Sinn hat. Damit sie auch diese schweren Stunden (oder Wochen – haha) entspannt hinter sich bringen, können wir ihnen unser Men-Super-Plus-Paket empfehlen, mit dem sie ihr Lieblingsbier noch einmal um 12 Cent billiger bekommen – oder ihnen zum bisherigen Preis nicht die übliche No-Name-Plörre beschert, sondern bestes „Dübel-Pils“. Dazu gibt es völlig gratis die Pornosammlung „Feuchte Träume im Wasserbett“, die schon 58% ihrer männlichen Familienmitglieder als „sehr befriedigend“ bewertet haben, und die laut unserer Statistik ihre Filmesammlung „Top of the 90s“ anspruchsvoll ergänzt. Das alles gibt es bereits ab 65 €/Monat…“
Zu weit hergeholt? Abwarten…
Aber keine Sorge: Ich will niemanden bekehren. Es liegt bis auf die eventuelle Schnüffelei des Dr. Wolfgang S. völlig in unserer Hand, was wir preisgeben von uns. Wir sollten uns dessen aber bewusst sein.
Und da sind wir beim leidlichen Thema Computer. Wie ihr seht und lest, bin ich ein Mensch, der sein Privatleben recht öffentlich lebt. Ich blogge hier und da über die WG und mein Privatleben, tue meine politische Meinung der Öffentlichkeit kund… aber ich weiss darum Bescheid! Ich bin mir bewusst, dass ein Mensch, der es gelernt hat, mit dem Internet umzugehen, binnen 3 Minuten meinen Namen herausfinden kann. Wenn überhaupt. Ich bin mir bewusst, dass ein zukünftiger Chef lesen könnte, dass ich in manchen Dingen ein anspruchsvolles Kerlchen bin, in anderen wieder nicht. Und das, glaube ich, ist einfach noch nicht verbreitet genug.
Ich wäre nicht so bekloppt, es hier zu erzählen, wenn mich Neidgefühle plagen, weil die Natur mich mit einem zu kurzen Geschlechtsorgan ausgestattet hat, oder mich gar strafrechtlich relevant zu äußern.
Aber solange Leute nicht unterscheiden können zwischen Festplatte und Internet, Datei und Programm, Firewall und USB… so lange wird es immer wieder Menschen geben, die unachtsam genug sind, Dinge der Welt mitzuteilen, die sie eigentlich nicht einmal ihrer Freundin mitteilen würden. Und diese Menschen sind es dann im Besonderen, die versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Datenschutz eigentlich kein Schwein interessiert – weil sie nicht einmal wissen, was es zu schützen gilt.
Ozie hat erzählt, dass ihre Mutter anno dazumal gegen Windows war, weil damit auch Menschen einen PC bedienen könnten, die nicht wissen, wie er funktioniert. Da stimme ich ihr zu! Nicht, weil ich inzwischen Linux nutze, nicht weil ich „PC-kundig“ bin, sondern weil ich glaube, dass es eine Menge Menschen gibt, die sich, ihre Ideen, ihre Privatsphäre in Gefahr bringen, weil sie keine Ahnung haben, auf was sie sich einlassen.
Ich bin kein PC-Hasser, ich bin es nie gewesen und werde es wahrscheinlich nie sein. Ich liebe diese Teile für so viele Dinge! Aber mir ist bewusst, was für ein Werkzeug ich damit in Händen halte – bzw. unter meinem Tisch stehen habe. Ich will auch niemandem den Umgang mit PC’s verbieten oder schlechtreden – aber ich bin der Meinung, dass die Menschen, die Computer nutzen – bei der Arbeit und auch privat – wissen sollten, was sie machen.
Genau da aber sehe ich einen gefährlichen Trend. „Intuitive Benutzung“ ist so ein Schlagwort, das seit Jahren durch die Branche geistert, und das in Zukunft eine noch wesentlich größere Rolle spielen wird. Man wird in Zukunft immer blöder sein können, und dennoch die Möglichkeit haben, Computer zu benutzen, um seine Meinung kundzutun, seine Bankdaten zu verraten und dabei zu glauben, das würde schon niemand merken.
Erste Auswüchse dieses Trends (in umgekehrter Form) waren sicher die „Script-Kiddies“, die es ohne jede Programmier-Erfahrung geschafft haben, mit „selbst programmierten“ Viren etliche Computer lahmzulegen und enormen Schaden zu verursachen. Dann gibt es natürlich auch noch Leute, die bei ebay etwas ver- oder ersteigert haben, und dachten, es wäre ok, damit nur einen Scherz gemacht zu haben. Bis sie merken, dass auch das eine Auswirkung auf das „reale Leben“ haben kann.
Ich sage es ja selbst immer wieder: Eine absolute Sicherheit – in allen Bereichen – wird es nie geben. Ich finde es nur schade, dass immer wieder auf unterstem Niveau gestritten werden muss, wenn es um Datenschutz geht, nur weil einige der Hauptakteure – die manchmal das Verschicken von Mails mit 60 Jahren mühsam gelernt haben – ebenso wie ein großer Teil der Bevölkerung nicht einmal eine Ahnung haben, worum es bei dem Thema überhaupt geht.
So, das war ein langer Text, und ich hoffe, dass ihr mir dennoch eine gute Nacht wüscht 😉