Monthly Archives: Mai 2008

Wagners Jugend und die PKS

Wie so oft ist Wagners Kolumne am heutigen Tage ein Zeugnis moderner Kunst. Das ist recht wörtlich gemeint, denn modern ist es dieses Mal besonders: Wagner erzählt, dass die Jugend heute schlimmer ist als früher. Kunst ist es in meinen Augen deswegen, weil unter Kunst so schön subsummiert werden kann, was sonst in keine Schublade passt. Was bei Wagner ja irgendwie der Fall ist.

„Liebe schlimme Mädchen und böse Jungs,“,

so leitet er dieses Mal seine Kolumne ein, und gerichtet sind diese Worte offenbar an junge Gewaltverbrecher. Natürlich nur zu Beginn. Am Ende wird er wie üblich an den Leser schreiben. Diese Unkoordiniertheit scheint ja gewissermaßen System zu haben bei ihm.

„ihr seid zwischen 14 und 18, und in der aktuellen Kriminalstatistik kommt ihr ganz schlecht weg. Während die Gesamtkriminalität in Deutschland zurückgeht, nimmt die Gewaltbereitschaft bei euch zu – um 4,9 Prozent.“

Das ist beinahe korrekt. Offenbar hat man bei Bild die aktuelle PKS recht gründlich studiert, denn diese Zahl findet sich in keiner Übersicht der Publikation, sondern erst auf Seite 11. Wenngleich die Polizei in diesem Zusammenhang auch von der Gewaltbereitschaft spricht, so möchte ich doch anmerken, dass ein Anstieg der von Jugendlichen verübten (und natürlich bekannt gewordenen) Gewaltdelikte stattgefunden hat, jedoch bei einer reduzierten Anzahl an Tatverdächtigen (-0,4%). Ich will nicht kleinlich sein, aber bei Wagner liest es sich eben auch so, als wären 4,9% mehr Jugendliche gewaltbereit, und das ergibt sich zumindest aus dieser Statistik nicht.

„Auch bei Mädchen. Als ich 14 war, hatten Mädchen Zahnspangen. Um ihr Gebiss zu vervollkommnen, ihr Lächeln zu verschönern.Heute haben sie einen ausgeschlagenen Schneidezahn.“

Ich denke, es wird jedem klar sein, dass sich das nicht aus der aktuellen Kriminalstatistik ergibt, und ich habe leider auf die Schnelle keine Statistik zu ausgeschlagenen Schneidezähnen oder Zahnspangen gefunden. Schon gar nicht für das Jahr 1957, in dem Wagner 14 wurde.

„Was machte ich mit 14, 18 mit meinen Händen? Ich ballte sie nicht zur Faust. Ich hielt Händchen, machte Millimeter für Millimeter Petting, zählte mein erstes Geld, das ich als Schüler im Supermarkt verdiente. Ich streichelte mit meinen Händen meinen Motorroller. Gewalt zählte nicht zu den Problemen, die ich als 18-jähriger hatte.“

Das ist schön für Herrn Wagner. Ehrlich. Ich möchte Jugendgewalt nicht verharmlosen oder nur auf einen sozialen Faktor minimieren, aber ich hab so die Vermutung, dass die Statistik anders aussehen würde, wenn all diese Jugendlichen eine Freundin, einen Job und zumindest Geld für einen Motorroller hätten. Was ich sagen will: Die Umstände waren 1957 vielleicht ein bisschen anders.

„In der Kriminalstatistik wird die Gewalt der Jugendlichen hervorgehoben. Sie schlagen um sich, sie treten Menschen ins Gesicht.“

Das mag alles sein, aber es ist nicht so, dass das andere Altersgruppen (nehmen wir Säuglinge mal davon aus) das nicht auch machen würden. So erschreckend die Zahlen bei Jugendlichen auch sein mögen. Leider kann ich in der Statistik keine genaue Angabe zur Altersverteilung bei Gewaltdelikten speziell finden, aber bei der alle Delikte umfassenden Anzahl der Tatverdächtigen finden sich unter den über zwei Millionen Verdächtigen etwa 277.000 Jugendliche. Man muss also auch hier richtig aus der Statistik lesen können: Wenn man einen Jugendlichen sieht, besteht zwar eine höhere Chance, dass er ungutes im Schilde führt, aber das Gesamtrisiko spricht eher dafür, dass mir ein Erwachsener etwas auf die Nuss gibt. So ist das mit Statistiken, die man nicht selber gefälscht hat 😉

„Ihr seid nicht mehr jung, wie ich es früher war. Ihr seid fremd. Ich verstehe euch nicht.“

Das ist wahrscheinlich eine grundsätzliche Generationenfrage. Frag mich mal jemand, ob ich Wagner verstehe…

„Ihr seid wie ein Vorbeben, kleine Steine bröckeln.“

Eine schöne Metapher, Herr Wagner. Aber… wofür?

„Aber wir müssen euch retten. Ihr dürft euch nicht die Köpfe blutig schlagen. Ihr seid unsere Kinder.“

Abgesehen davon: Das steht so ähnlich auch in einem Haufen ziemlich trocken geschriebener Schinken, die sich Gesetzesbücher nennen. Herr Wagner wäre überrascht, was noch so alles verboten ist. Zum Beispiel eine Verletzung der Privatsphäre. Oder Beleidigungen. Er könnte also auch bei Nicht-Jugendlichen, bei Kollegen und Vorgesetzten, vielleicht sogar bei sich selbst, fündig werden.

Dann folgt noch das obligatorsche „Herzlichst, Ihr Franz Josef Wagner“, das in diesem Fall eine grammatikalische Abnormität darstellt, die sich so wohl nur bei Wagner finden lässt. Ich denke, das reicht erst einmal zum Thema.

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Windows Special-Deleting im TV

Ich hätte gerne die Windows-Version, die die Freundin von Tony DiNozzo in der Serie „Navy CIS“ verwendet. Wenn man dort ein Bild anschaut und es dann löscht, löst es sich nach der Sicherheitsabfrage Pixel für Pixel vor dem Auge des Betrachters auf. Das ist ein cooler Effekt. Meines bringt immer eine Fahlermeldung, wenn ich geöffnete Dateien löschen will. Kennt jemand diesen Bug? 🙂
Was mich interessieren würde: Was für einen Pixelsalat würde dieses Spazial-Windows fabrizieren, wenn  man mehrere  Dateien auf einmal löscht? Sowas soll es ja auch geben.

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Nazis (1)

Es ist ja seit einiger Zeit so, dass sich Nazis der Symbole der linken Szene bemächtigen. Sie verändern sie in ihrem Sinne, und alles was dabei herauskommt, ist in der Regel billiger Abklatsch. Inzwischen gibt es „Autonome Nationalisten“, die sich in ebenso schickes Schwarz hüllen wie der berüchtigte schwarze Block. Es gibt Nazis, die sich eine Ideologie zurechtgezimmert haben, die es ihnen erlaubt, Ché-Guevara-T-Shirts (natürlich T-Hemden, sorry!) zu tragen, und auch sonst findet sich einiges skuriles.
Das alles ist wirklich kein Grund zu lachen, aber an gewissen Punkten kommt man nicht umhin. Ich bin vorher in einem Blog gelandet, den ich hier bewusst weder verlinken, noch sonstwie bewerben will, und dessen Stiftführer hat sich entschieden, dem Grundgedanken nachzuhängen, dass verschiedene Völker ja schon irgendwie ok sind, wenn sie nur bleiben, wo sie waren. Das ist ein alter Gedanke der so genannten „Neuen Rechten“, damit also noch nicht erwähnenswert. Idiotisch wird diese Ansicht aber insbesondere bei Gehirnakrobaten wie dem von mir gefundenen Töffel, der die Völker da haben will, wo sie schon immer (?) waren, aber den israelischen Staat (seit wann besteht dieser Staat nochmal?) bedingungslos anerkennen. Das mag widersprüchlich sein, aber man muss es ja nicht so genau nehmen. Dabei kann man sich mal eben rasch vom Vorwurf des Antisemitismus befreien, moderner wirken, und… ein neues Logo basteln:

Demnächst: Nazis gegen Hitler!

Demnächst: Nazis gegen Hitler! Quelle: Nazi-Seite

Ich muss gestehen, dass mich das irgendwie an die „Nazis gegen Rechts“-Postkarte erinnert, die bei uns im Flur hängt. Ganz ganz ehrlich: Welch geistig unterpriviligierter Vollpfosten muss man sein, um mit etwas derartigem hausieren zu gehen?

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Übergeigung deluxe

Was kann bild.de besser als alle andere Medien? Richtig: Übergeigte Überschriften herstellen! Das Wort „übergeigt“ stammt hierbei von Kai Diekmann selbst, das mag mit ein Grund sein, weswegen es sich ein wenig unbeholfen anhört. Schließlich ist der Mann nur Chefredakteur von „Europas größter Tageszeitung“ und nicht etwa ein Profi. Gemeint sind übrigens Überschriften, die etwas behaupten, was der Artikel selbst nicht halten kann. Nun, diese „übergeigten Überschriften“ will also Diekmann auch selbst verhindern. Dann frage ich mich aber, was das hier ist:
Süßer die Geigen nie klingen...

Süßer die Geigen nie klingen…, Quelle: bild.de

Screenshot: bild.de

Einmal mehr kann ich, muss ich, Entwarnung geben: Til Schweiger lebt! Wahrscheinlich geht es ihm sogar gut. Denn das, was bild.de einen „Hubschrauberangriff“ nennt, stellt sich beim Lesen des Artikels als das Kreisen zweier Hubschrauber über dem aktuellen Filmset des Schauspielers heraus. Das hat offenbar die Dreharbeiten gestört, und der Hintergrund – so bild.de – ist unklar. Was an der Sache überhaupt dran ist, weiss ich erst recht nicht, aber ein Angriff auf Til Schweiger war es nicht wirklich, da bin ich mir sicher.

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Navy CIS und co.

Ich sehe in letzter Zeit gerne Navy CIS. Das – so muss ich es wohl schreiben – gebe ich zu. Ich mag die Charaktere, es macht Spaß, die mehr oder minder spannenden Geschichten zu verfolgen.Vom neutralen Standpunkt aus muss ich hier aber mal eines anmerken: Eigentlich sind Serien wie die diese ziemlich… beschissen!
Und nein, ich rede hier nicht von den manchmal billigen Special Effects, auch nicht von oft gut überbietbaren Schauspielern, sondern vom Inhalt. Ich habe nichts gegen spannende Krimis, und trotz anderer Erfahrungen kann ich sogar damit leben, dass die Cops immer die Guten sind. Das ist ok.
Es ist allerdings erschreckend zu beobachten, wie in fast jeder derartigen Sendung die Gewalt seitens der Polizei oder vergleichbarer Behörden propagiert, meistens geradezu glorifiziert wird. Denn jedes Mal, wenn dort Gewalt angewendet wird gegen noch nicht überführte Täter, dann stellt sich im Nachhinein heraus, dass es „richtig“ war, weil sich so etwas beweisen lies. Nicht dargestellt wird natürlich, dass sich selbst die größten Helden irgendwann einmal irren würden, und in so einem Fall der Zweck nie die Mittel heiligen würde. Natürlich geht es nie um sadistische Gewalt, sondern immer nur um zweckdienliche. Aber genau mit solchen (wenn auch fiktiven) Schilderungen kommt es dazu, dass viele Menschen sich solidarisieren mit Ermittlern, die Gewalt androhen (was de facto psychische Gewaltanwendung ist) oder gar anwenden.
Die Tatsache, dass Geständnisse unter Gewaltandrohung oder -anwendung oft nicht der Wahrheit entsprechen, wird natürlich unter den Tisch fallen gelassen.
Ich plädiere mit Sicherheit nicht dafür, dass nun alle Serien den höchsten Standards der Menschlichkeit entsprechen, denn das wäre in gewisser Weise auch wieder eine Art der Zensur. Aber ein bisschen differenzierter könnten manche Plots doch sicher dargestellt werden.
Das traurige Fazit kenne ich aber auch schon: Die Menschen sehen nun einmal lieber nette und manchmal mit gutem Grund ausrastende Cops. Schade, wirklich!

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Armer Wagner

Franz Josef Wagner schreibt in seiner heutigen Kolumne an die armen Deutschen. An sich völlig korrekt bemerkt Wagner das Wunder, dass die armen Deutschen global gesehen gar nicht arm sind. Ein Fazit will ihm dabei nicht über die Lippen kommen. Wie auch? Auch Arbeitslose sind nunmal ein Klientel der Bild, und es dürfte die meisten Bild-Leser eher peripher tangieren, wie viel ein Lehrer in Bahngladesh umgerechnet verdient. Zumal ich mich immer noch frage: Wen, außer Touristen, interessiert diese Umrechnung eigentlich?
Was sagt es aus, dass ein Lehrer in Bangladesh umgerechnet 15 Euro monatlich verdient? Genau eines: Dass er es sich nie leisten können wird, in Europa Urlaub zu machen. Damit ist die Auskunft aber bereits ziemlich erschöpft. Denn natürlich kann sich der werte Herr Lehrer in seiner Heimat davon mehr als wie hier einen Kasten Bier von 15 Euro leisten.
Mir ist schon klar, was das bedeutet: Wenn die Gehälter sich global angleichen sollten, dann stehen „die Deutschen“ auf der „Verliererseite“ – das will Wagner doch eigentlich sagen. Er will sagen, dass wir doch froh sein sollen über Hartz IV und dergleichen. Derartige Kritik ist nicht grundsätzlich untragbar, peinlich finde ich jedoch dieses ständige Argumentieren mit Blumen und kleinen niedlichen Tierchen.
Diese vergleichende Logik ist eine der schlimmsten Angewohnheiten derer, die manchen die Luft zum Atmen am liebsten noch verkaufen würden.
Etwas schlimmeres findet man immer! Damit Fehler zu rechtfertigen, ist unbedacht und hält keiner ernsten Diskussion stand. Deswegen beendet Wagner seinen Text (indem er die deutschen Armen reich redet) mit dem Vermerk, dass viele Hauptschüler ohne Schulabschluss in die Welt gehen und die Armen von Morgen sind.
Wie üblich sollte man nicht einmal versuchen, da einen Zusammenhang herzustellen, aber logisch wäre nur eines: Wagner geht davon aus, dass es den Armen auch in Deutschland bald schlechter geht. Da könnte ich mich ausnahmsweise sogar drauf einlassen.
Ansonsten… Was war das denn eben?

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Immer wieder dieser Gott…

Ich sehe mich ja gerne hier und in anderen Blogs um, und dabei fällt mir auf, dass es eine riesige Anzahl religiöser Blogs gibt. Die meisten Besucher werden schon festgestellt haben – oder zumindest vermuten – dass ich kein religiöser Mensch bin. Warum?
Ich denke, hier ist ein geeigneter Platz, das einmal mehr auszuführen. Teile dieses Textes stammen aus einem alten Text von mir, ein zwei Freunden wird er also bekannt und langweilig vorkommen 😉
Die ganze Welt in der wir leben, ist seit Jahrtausenden mehr oder weniger bestimmt von Religionen unterschiedlichster Art und Ausprägung. Inzwischen, im 21. Jahrhundert, lässt zwar in vielen Gegenden der Glauben nach, aber die größten Kriege werden noch immer unter Berufung auf Gott oder Allah geführt.
Das alleine kann kein Grund sein, sich von der Religion abzuwenden, schliesslich sind es zumeist nicht die Religionsbegründer, die sich dem Kampfe verschrieben haben. Ich kann mit Religiosität im Allgemeinen dennoch nicht viel anfangen, dazu bin ich ein zu rationaler Mensch.
Ich bin kein Psychologe, aber ich habe mir dennoch meine Gedanken über den Sinn und Unsinn und das Entstehen von Welt und Glauben gemacht, und ich sehe die Hauptursache in der Komplexität der Welt, die einen Menschen ab einem gewissen Punkt (der sicher bei jedem ein anderer ist) Rätsel aufgibt.
Der Horizont der Menschen, ja der Menschheit, ist begrenzt. Der Mensch auf seiner Suche nach dem umfassenden Wissen braucht Dinge, die er bennenen kann, die er kategorisieren kann. Und wenn eben was nicht in seinen Erfahrungshorizont passt, dann ist es nun einmal der bequemste Weg, das jemandem in die Schuhe zu schieben, der über alles einen Überblick hat. Schliesslich hat der Mensch Angst. Angst, sein Leben wäre sinnlos, Angst, es könnte etwas schlimmes passieren. Angst vor dem Tod. Glaube gibt Sinn, euphemisiert schlechte Erfahrungen als notwendig und nimmt mit verschiedenen post-mortalen Szenarien die Angst vor dem Tod. Damit sind die Urängste der Menschen gebannt. Es ist für mich also durchaus nicht verwunderlich, dass Menschen Religionen erschaffen haben Ich halte die Zeit allerdings für reif, dieses Hilfsmittel als aufgeklärter Mensch wieder abzulegen.
Bevor Vorwürfe der Intoleranz laut werden: Jeder darf glauben, an was er will! Ich habe nichts dagegen. Aber es soll bitte niemand irgend jemandem mit Realitäten drohen. Was die Realität ist, das vermag niemand zu sagen – auch die Naturwissenschaft wahrscheinlich nicht. Diese Welt ist zu komplex für einzelne Menschen, und sobald man sich auf Aussagen anderer verlässt, kann schon ein unüberschaubares Konstrukt von Irrtümern dahinterstecken, das man selber nicht entknoten kann, weil einem das Fachwissen fehlt.
Ein grundsätzliches Problem ALLER Religionen ist der Absolutheitsanspruch. Viele stellen es einem zwar frei, ob man daran glaubt, aber so SEIN tut es schon…
Zugegeben: Viele halten es mit den Naturwissenschaften ebenso – was ich ebenfalls als problematisch sehe. Vielleicht wird der Mensch nie in seiner Geschichte das ganze Universum und ein eventuelles Drumherum erfassen können. Naturwissenschaften haben einen Vorteil im Wettkampf mit den Religionen um die beste Welterklärung: Sie sind wandelbar. Neue Erkenntnisse können eingebaut werden, alte Interpretationen können über den Haufen geworfen werden, weil sie nicht einer moralischen Seite verpflichtet sind. Und: Sie folgen der menschlichen Logik, dem einzigen Werkzeug, das zu verwenden wir in der Lage sind bei dieser Problematik. Sie mag unvollkommen sein, ist aber ein Ansatz. Und nur Naturwissenschaften können mit ihren experimentellen Untersuchungen bieten, was keine Religion je können wird: Wiederholbarkeit, vielleicht die einzig mögliche Form dessen, was gemeinhin ein Beweis genannt wird.
Glauben kann ich natürlich immer an etwas, auch wenn es nicht beweisbar ist. Seltsam ist meiner Meinung nach, dass sich die meisten Gläubigen an größeren Glaubensrichtungen anhängen. Wieso glaube ich ausgerechnet etwas, das hundert-, tausendfach vor mir schon geglaubt wurde? Was veranlasst mich dazu, ein eigenes Weltbild aufzugeben zugunsten eines vorgefertigten? Ich hatte zunächst die Vermutung, es könne sein, dass man den vielen alten Aufzeichnungen Vertrauen schenkt, woraufhin sich mir aber die Frage stellte: „Warum sind diese Schriften aber plausibler als moderne wissenschaftliche Arbeiten?“ Und somit ist Religion meist ein großer Feind der Individualität. Denn letztlich gibt es in jeder Religion Riten, Regeln und Normen an die sich ein Gläubiger zu halten hat – einer der wichtigsten Gründe, warum ich mich nicht damit anfreunden kann. Wir haben von allen Seiten her Regeln auferlegt bekommen. Die besten von der eigenen Vernunft, dazu gesellschaftsvertragliche, staatliche, und die, denen das noch nicht genug Bevormundung ist, klammern sich meiner Meinung nach dann noch an religiöse Regeln.
Eine ganz einfache Frage an die Religiösen dieser Welt lautet von meiner Seite aus:
„Warum hat sich noch kein Gott wirklich zu erkennen gegeben?“
ALLEN Menschen gegenüber. Warum müssen diese Wesen stets den Anspruch haben, man müsse auch ohne Beweis an sie glauben? Da bekommt der Mensch ein Gehirn, das logisch denken kann, das in der Lage ist, abstraktesten Theorien zu folgen, und all das, um eben damit Gott nicht erfassen zu können? Die Götter haben ja offenbar eine Möglichkeit, mit Menschen zu kommunizieren (woher sonst alle schriftlich niedergelegten Werke?) – manche sind gar allmächtig. Was hindert sie daran, das zu nutzen? Warum gelangen in diesen Genuss nur Leute, die „besondere Fähigkeiten haben“? Bei den kleineren Religionen meist auch noch welche, bei dem jeder höheren Macht klar sein sollte, dass sie nicht ernst genommen werden…
Der eine oder die andere mag vielleicht verweisen auf die großen Naturphänomene. Gewiss: Es gibt Dinge, die wir uns nicht erklären können. Noch! Vielleicht auch für immer. Warum ist das ein Problem? Wir verstehen vieles auf der Welt nicht. Die meisten wissen nicht einmal, wie der Motor in ihrem Auto funktioniert. Das interessiert ein Leben lang nicht, dann sehen sie ein helles Leuchten am Himmel, die Meteorologen sagen: „Nää, Polarlichter waren’s nich!“, dann muss es plötzlich Gott gewesen sein – weil man nicht damit leben kann, dass da etwas war, für das wir keine Erklärung haben. Je nachdem, wie die Phänomene ausfallen, war es dann Werk eines guten Gottes oder eines Teufels.
Meiner Meinung nach ist ein Glaube an eine höhere Macht stets verbunden mit einer gewissen Bequemlichkeit. Im Notfall ist immer ein höheres Wesen daran schuld – egal ob für Gutes oder Schlechtes. Der Extremfall ist dann das Abgeben von Verantwortung an diese Mächte.
Wie kann ich als Gläubiger eigentlich irgendwo widersprechen?
Denn: Wenn nunmal etwas gottgewollt ist: Warum es ändern? Wenn ich mein Leben in kleinen Details selbst im Griff habe (gehe ich nach rechts oder nach links, warte ich auf den Bus oder laufe ich?), warum nicht auch den Rest meines Lebens? Was ist so beunruhigend an der Tatsache, dass ich mein Leben komplett frei gestalten kann? Meine eigene Unzulänglichkeit? Ach bitte, jeder macht Fehler – und aus denen kann man lernen!

Meine Meinung zu Aussagen von Gläubigen (bisweilen etwas ironisch, nehmt es mir nicht übel):

„Religion ist wichtig, um den Menschen Moral zu lehren.“
Dazu gibt es zu sagen: Selbst wenn sich aus der Religion heraus die Moral entwickelt haben sollte, dann heisst das noch lange nicht, dass man deswegen die Religion heute noch braucht. Ich als Atheist bin durchaus in der Lage, mir moralische Leitsätze zurechtzulegen, die dafür sorgen, dass ich auf der Welt mit allen anderen gut auskomme. Dazu brauche ich niemanden, der mir droht, was nach meinem Tode sonst mit mir passiert. Mir reicht die Erklärung, dass ich in diesem Leben ein Problem mit meinen Mitmenschen bekomme.
Wir sind heute mit soviel mehr Erfahrungen beladen als die Leute vor ein paar hundert Jahren, vielleicht können wir das inzwischen auch mal ohne einen Befehl von Oben.
Zudem sehe ich es als problematisch an, da die Religionen uns eben nicht nur Weisungen erteilen, wie wir mit anderen Menschen gut auskommen, sondern durchaus auch Regeln, die in einer heute existierenden Welt ihren Zweck verloren haben. Das wiederum zeigt, dass selbst die Grundsätze der Religionen menschengemacht sind – und die meisten bemühen ein Weltbild, das stark an seiner Aktualität eingebüßt hat.

„Ich bin mir sicher, dass Gott mir aus meiner Not geholfen hat!“
Manchmal treffen Ereignisse zusammen, Zufälle eben (siehe unten). Nur, weil man in den letzten Monaten zu Gott gebetet hat, hat man eine neue Arbeit gefunden? Wäre es wirklich anders gewesen, hätte man alle Anstrengungen getätigt, nur das tägliche Gebet durch etwas anderes ersetzt? Kann man es wissen? Wenn ich jetzt feststelle, dass ich im letzten Monat mehr Sex hatte, und mein Kühlschrank jetzt nicht mehr so laut brummt… besteht da ein Zusammenhang? Offenbar sind zukünftige Chefs beeindruckter von Selbstgesprächen als Kühlschränke vom Geschlechtsverkehr! Sachen gibt’s!
Ich denke, der Glauben an eine Hilfe von Oben kann durchaus etwas bewirken, allerdings mehr als Form der Hilfe zur Selbsthilfe. Im oben genannten Fall kann es ja so sein, dass man entspannter zum Vorstellungsgespräch gegangen ist, weil man sich sicher war, dass Gott mit im Boot sitzt. Dann aber wäre Gott dennoch nicht real vorhanden, sondern lediglich eine Projektion der Menschen.

„Es gibt keine Zufälle.“
Da muss ich klar sagen: Halte ich grundsätzlich für falsch. Es ist bekanntlich eine ganz entscheidende Frage, wonach man sucht. Zum Beispiel die berühmte Suche nach der Zahl 23: Wenn man die Mathematik nur weit genug ausreizt, dann kann man jede Zahl aus der 23 und ihren Faktoren, Ziffern und der Quersumme berechnen und so in seinem kompletten Leben von den Illuminaten verfolgt werden, ganz gleich ob es sie gibt oder nicht. Wenn man jetzt der Behauptung nachgeht, dass das vielleicht gewollt sei, dass man das merkt: Was ist mit all den zufälligen Übereinstimmungen, die nie jemand erfährt? Gibt es vielleicht in Indien einen Menschen, der gleich alt ist wie ich und das selbe tut wie ich und so heisst wie ich? Wohnen in meiner Nachbarschaft vielleicht 100 Leute mit den selben Initialen? Wenn ich es nie rausfinde, war das dann auch göttlicher Wille? Wenn ja, was unterscheidet den göttlichen Willen vom Zufall? Wenn ein Gott Ereignisse schafft, die man nur mitbekommt, wenn man danach sucht, dann liegt die Definition doch wieder in unserer Hand.
Beispiel: Es ziehen etliche Hurrikans über die USA hinweg. Kathrina traf New Orleans – was im Laufe der Zeit einfach wahrscheinlich war – und homophobe Sektenanhänger sahen darin eine Strafe für ein bevorstehendes Schwulenfestival. Ein Monat später wäre es vielleicht die nachträgliche Rache gewesen, zwei Monate später wäre eine Synagoge oder so eingeweiht worden… der Mensch neigt dazu, Kausalketten zu erschaffen, wenn ihm etwas nicht geheuer ist. Es gibt da ebenso noch die Behauptung, Shakespeare hätte als höchste Kunstvollendung enorm viele Alliterationen in seine Werke eingebaut. Auch hier deckt sich die Menge mit der Zahl, die zufällig auftreten würde, und zwar sehr sehr genau. Ein Super-GAU in einem AKW passiert statistisch alle 10000 Jahre, trotzdem hat es bis zum ersten keine 40 gedauert. Zudem gewinnen wöchentlich hunderte Menschen im Lotto, obwohl die Chancen für jeden einzelnen gegen Null gehen – und unter den Gewinnern sind sogar Atheisten.

„Gott hat zu mir gesprochen.“
Die Menschheit macht seit Jahrtausenden etwas sehr bedeutendes – abgesehen von essen, trinken, jagen und sich selbst das Leben schwer – sie nimmt Drogen.
Drogen sind wahrscheinlich der beste selbst nachvollziehbare Beweis, dass sich das menschliche Gehirn durch Einflüsse von außen täuschen lässt. Dinge zu sehen, zu hören und zu fühlen, die nicht allgemein wahrgenommen werden, sondern persönliche Auslegung des Gehirns sind, ist ein Phänomen, das ziemlich häufig vorkommt.
Im Bereich der Naturreligionen mag der ein oder die andere darauf verweisen, dass die „heiligen Pflanzen“ von Gott, den Geistern etc. dazu geschaffen wurden, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, aber was ist mit der Moderne? Synthetisch hergestellte Drogen mit wesentlich mehr Wirkung – geschaffen von Menschenhand? Was macht den Glauben attraktiver, dass ein unheimliches Wesen mit mir spricht anstatt der Tatsache, dass sich mein Gehirn von irgendetwas hat beeindrucken und überrumpeln lassen? Ist es vielleicht doch nur die Angst vor der Tatsache, dass man nicht perfekt ist? Dass das eigene Gehirn fehlerhaft ist?

Dann diese Lieblingsfrage von Schöpfungsjüngern:
„Wie sollte der Urknall aus dem Nichts heraus entstehen?“
Eine gute Frage, aber eine Antwort darauf hat niemand.
Aber wie wäre es mit der Gegenfrage: Wie ist Gott entstanden?
Wenn ich davon ausgehen kann, dass ein Gott in Ewigkeit oder im ewigen Nichts existiert und dann daraus eine Welt erschafft, dann kann ich auch davon ausgehen, dass die Welt so aus dem Nichts heraus entstand. Wissenschaftliche Erklärungen reichen (noch?) nicht soweit, um sicher zu beschreiben, was in einem Umfeld war, in dem keine der heute bekannten physikalischen Regeln galt. Theoretisch ist dort also alles möglich, vielleicht auch Materie aus Nichts. Bescheuerter als der Glaube an ein Wesen, das in dieser feindlichen Umwelt den ganzen Kram auch noch selbst erledigt, ist es nun wirklich nicht.

Bisher habe ich noch keinen einzigen Grund gehabt, an einen Gott zu glauben. Und bevor jemand auf die Idee kommt: Nein, auch mir sind schon wunderbare Dinge wiederfahren!
Ich halte mich für einen sozialen, gewissermaßen „guten“ Menschen, und wenn ich ehrlich bin, dann erschreckt mich die Tatsache ein wenig, dass einige meiner Artgenossen wahrscheinlich nur nett sind, weil sie sich dafür ein Ticket ins Paradies erhoffen. Ich halte Religionen schlicht für ein Überbleibsel aus der nicht gerade zivilisierten Vergangenheit meiner Spezies.

Ich hoffe, ich habe meine Meinung klar zum Ausdruck gebracht ohne Menschen persönlich angegriffen zu haben. Mir geht es nicht darum zu behaupten, dass religiöse Menschen schlecht oder dumm sind – unter den Idioten mischen auch genug Atheisten mit, und es gibt genügend clevere aber gläubige Menschen.
Ich hoffe, ich habe klar erläutert, was mich stört an Religionen, und dass die Kritik nicht grundsätlich auf einem „Find ich aber doof!“ beruht, sondern einen Hintergrund hat.
Ich weiss natürlich sicher: Wer strikt gläubig ist, wird mit mir schwer einer Meinung sein, ich hoffe aber, dass das nicht daran hindert, vernünftig zu miteinander umzugehen.

Natürlich freue ich mich über Kommentare.

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