Jetzt mal ernsthaft zu #pegida und co.

Da das ja nun mit den Pegida-Demos eine Sache zu sein scheint, die noch ein Weilchen für Furore sorgen könnte und es heute Abend wieder so weit ist, wollte ich das Thema mal möglichst wenig polemisch angehen. Leider ist das ein verdammt schmaler Grat, auf dem man da wandeln muss. (Und „ernst nehmen“ im Sinne de Maizières wollte ich auch niemanden)

Zumindest ein paar tausend Menschen da draußen haben also Angst. Angst vor einer Islamisierung, wie sie es so schön nennen. Davor, dass „unsere Kultur“ – eine „jüdisch-christliche“ des „Abendlandes“ nicht von „Islamisten“ erdrückt wird. Sie fühlen sich von Regierung und Presse verraten und fordern Änderungen beispielsweise im Asylrecht. Eine betont fremde Religionsgruppierung wird also zum Problem erklärt und die Lösung soll im Wesentlichen Abschiebung heißen.

Ein klipp und klar rechtes Ansinnen. Mehr Volk, mehr Polizei, weniger Fremde und weniger Fremdes.

Nun aber wollen Pediga-Anhänger gar keine Rechten sein. Es geht ja auch um zum Beispiel Geflüchtete, denen es in Heimeinrichtungen auch nicht gut gehe. Heute wollen sie sogar Weihnachtslieder singen. Aha.

Nun ist es aber wirklich problematisch, menschenfreundlich zu wirken, dabei neurechte Thesen zu vertreten und jedem Medienvertreter zu unterstellen, er wäre Teil einer linken Lügenpresse. Und dabei mit Nazis gemeinsame Sache zu machen, sie also zumindest auf den Demos zu akzeptieren.

Ich habe in den späten 90ern, als ich mich selbst als Punk verstand, durch ziemlich abenteuerliche Familien- und Freundschaftszusammenhänge das „Vergnügen“ gehabt, eine Stunde mit einem selbsterklärten Neonazi sprechen zu können. Wir kannten uns von früher und wollten uns deswegen nicht auf die Fresse hauen, sondern lieber drüber quatschen. Damals waren „die Türken“ das große Problem. Alles Schmarotzer, nutzen die Deutschen aus, kriegen hier Kinder und damit Kindergeld und sind kriminell, etc. pp. Das Wort „Armutszuwanderung“ gab es damals noch nicht, es wurde noch offen von „Sozialschmarotzern“ geredet. Alle minderwertig, meinte der selbstbewusste Neonazi, Deutschland brauche „sowas“ nicht. Mein Einwand, dass dieses „alle“ ganz offensichtlich nicht haltbar sei, beantwortete mein ehemaliger Kumpel nicht etwa mit einem weiteren Negerwitz, sondern damit, dass er ja auch türkische Freunde hätte. Nur wären die halt ordentliche Menschen, hart arbeitend und so. Das, was man heute z.B. von Pegida-Anführer Bachmann auch hört: „Ich kenne ja auch Türken, aber die sind ok.“

Dieser Satz scheidet als Nicht-Nazi-Unterscheidungsmerkmal offensichtlich aus. Und das ist nicht nur wegen der an sich unzureichenden Anekdote der Fall. Das Alleinstellungsmerkmal von Rechtsextremisten war nie ihre Ausländerfeindlichkeit. Da ist die neue Rechte sogar sehr schlecht drin, denn die suchen den Schulterschluss mit anderen Nationen ganz gerne, wenn es gerade passt. Da solidarisieren sich Hardcore-Antisemiten gerne mal mit den Palästinensern und die Islamophoben betonen das Existenzrecht Israels. Wichtig ist halt nur, dass im eigenen Land alles sauber bleibt. Auch wenn das teils enorm inkonsequent ist. Was Neonazis und Ultrarechte in aller Regel eint, ist ein widerliches Menschenbild, das Leute nach Wertigkeit sortiert. Ob über ihren volkswirtschaftlichen Nutzen, ihre Nationalität, die Religion oder anhand rassistischer Maßstäbe. Deswegen ist es trotz persönlicher Befindlichkeiten immer eine Sache von Widerlichkeit, mit Nazis zusammen zu demonstrieren – egal, ob sie einem hier und da mal gut reinpassen. Die verkürzte Antifa-Parole „Wer mit der NPD marschiert ist ein Nazi!“ ist vielleicht sachlich nicht zu 100% korrekt – aber die korrekte Version „… ist mindestens ein ignoranter und Menschenrechte ignorierender Vollhonk und damit nicht besser als ein Nazi!“ ist halt ein wenig zu sperrig für Leute, die mit „Lügenpresse, Lügenpresse!“ schon zufrieden sind.

Überhaupt: Die Lügenpresse!

Ich als Linker hab wahrlich viel am Journalismus hierzulande auszusetzen. Und nicht nur als Linker. Auch als Taxifahrer, als Berliner, als Berufstätiger und als Autor, als Deutscher und auch als Leser. Irgendwas in mir zuckt immer mal wieder zusammen, weil ich vollkommen falsch eingeordnet oder verstanden werde. Und dass es sowohl unfähige als auch lügende Journalisten gibt – ja meine Fresse, was für eine Neuerung! Natürlich sollte man Medien verantwortungsbewusst konsumieren und sich seine Meinung nicht nach der ersten Schlagzeile bilden. Ich bin der letzte, der dem widerspricht. Aber stattdessen „das Internet“ zu empfehlen, ist an Blödheit nicht zu überbieten. Denn wo organisiert sich „hier“ bitte die „Wahrheit“? Wenn es nicht bei den etablierten Medien von Spiegel bis taz ist, wo dann? Bei Typen, die glauben, ihr haltet eure Fahnen verkehrt rum und die Bundesrepublik Deutschland gebe es gar nicht? Bei denen, die Reptilienwesen an der Macht sehen? „Im Internet“ finde ich auch jüdische Weltverschwörungen, salafistische Videos oder meinen kleinen Blog hier. Geht es nicht eigentlich darum, sich ein eingeschränktes Weltbild aus hoch subjektiven Quellen zusammenzuzimmern?
Und ich will ehrlich sein: In Teilen machen wir das vermutlich alle. Ich bewerte einen Bild-Artikel auch anders als den von einem bekannten Blogger, der mir nahesteht. Aber von der naiven Vorstellung, es gäbe eine (in meinen Augen übrigens extrem rechte) System- oder Lügenpresse, hab ich mich ungefähr mit 17 Jahren verabschiedet, zu zahlreich waren die Gegenbeweise.

Und da kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Ja, es gibt Meinungen, die nicht geschätzt sind und vorrangig nicht verbreitet werden. Und es tut bisweilen weh, wenn es eine liebgewonnene eigene Meinung betrifft. Manchmal bedeutet das, dass man zu Unrecht wenig Gehör findet. Fragt mal die Grünen, wie es ihnen in den 80er-Jahren mit dem von ihnen geforderten Naturschutz aussah! Manchmal aber bedeutet es auch, dass man einfach falsch liegt oder einem, diplomatisch ausgedrückt, defizitär untermauerten Glauben nachrennt.

Aber zurück zum Kernthema: Der Islamismus!

Eine schlimme Bande, diese Gotteskrieger, keine Frage! Die sind mir persönlich mit ihrem Welt- und Menschenbild nicht weniger suspekt als Nazis und von ihrer Einstellung her fürchte ich sie. Ehrlich! Ich halte nichts von denen. Aber dementsprechend würde ich auch nicht mit ihnen zusammen unter dem Motto „Religiös Erleuchtete Gegen die Faschisierung des Abendlandes“ (Regifa) gegen Nazis auf die Straße gehen.

Zudem: Die radikalen Islamisten … die muss man bekämpfen, keine Frage. Aber die sind die kleine Horde Spinner, die man sich immer irgendwie mit antun muss, wenn man mit verschiedenen Leuten zusammenlebt. Und soweit ich mitbekommen habe, sind bisher alle Anschläge dieser Idioten verhindert worden. Wo also ist die Regierung hier so unglaublich untätig, wie immer wieder gesagt wird? Wie weit „nicht-rechts“ kann man noch sein, um nicht zu sehen, dass zeitgleich der NSU auch dank völligem Staatsversagen zig Tote zu verantworten hatte? Und wo hilft die geforderte Abschiebung bekloppter Islamisten gegen die anscheinend locker 30% Konvertiten aus „braven Deutschen“?

Jeder hat mal diffuse und schwer nachvollziehbare Ängste. Die gestehe ich auch den Pegida-Demonstranten zu. Aber die Zeit läuft, es ist nicht mehr so, dass letzte Woche dort DIE EINE neue Erkenntnis verbreitet wurde. Zu allen wichtigen Themen liegen Daten vor. Zahlen zur Ausländerkriminalität, Studien über den Erfolg des Zuwanderungsmodells, Hintergrundinfos über den Islam und Islamisten, Wahlergebnisse in Deutschland oder sprachwissenschaftliche Erkenntnisse über das Vokabular der Pegida. Man sollte das ruhig abwägen, verschiedene Quellen befragen und kritisch sein. Wer aber auch jetzt – nach etlichen Wochen – immer noch nur zum verschwörungstheoretischen Schluss kommen sollte, dass quasi alle anderen böse sind und man selbst einer der einzigen Aufrechten ist, die – trotz Nazibegleitung – an einer Pegida-Demonstration teilnehmen müssen – der outet sich wirklich als rechter Vollpfosten und hat die Angriffe verdient, die hierzulande (!) über ihn hereinbrechen.

Und bevor irgendwer aus der Pegida-Ecke irgendwas von „Meinungsdiktatur“ oder „Zensur“ brüllt: Mir ist klar, dass sowas bescheuert wäre und zudem nicht funktionieren würde. Ihr dürft demonstrieren, das ist euer gutes Recht. Man wird Euch deswegen eben für Idioten halten, aber das ist weder mein, noch ein Demokratieproblem, sondern das, was ihr fordert: Meinungsfreiheit! Ich halte es da gerne mit einer meiner Lieblingsbands, und insbesondere mit diesem Refrain:

„Dummheit kann man nicht verbieten
und doch kann man etwas dagegen tun:
Was gegen Dummheit hilft, ist Bildung,
gegen Verbote sind die Dummen oft immun.“

– Dritte Wahl.

9 Comments

Filed under Politik

9 Responses to Jetzt mal ernsthaft zu #pegida und co.

  1. Thomas

    Hi Sash,

    da wage ich mich mal aus meinem stillen-Leser-Dasein heraus:
    für wahr, für wahr…

  2. „Zumindest ein paar tausend Menschen da draußen haben also Angst. “

    das wird immer behauptet, aber auch das kann man ja mal hinterfragen. haben die wirklich angst? oder ist es nicht viel mehr „kein bock“? kein bock auf fremde kulturen, leute, die irgendwie anders sind, und auf die man vlt rücksicht nehmen muss.
    es fürchtet doch niemand wirklich um leib und leben, sondern man findet islam, türken usw. doof. man will viel lieber deutsche trinkhallen, kirchen, bäckereien und christstollen, anstatt dönerbuden, moscheen, ramadan und türkische bäckereien.

  3. @Thomas:
    Schön zu sehen. 🙂

    @Mausflaus:
    Angst und „Kein Bock“ liegen oft erstaunlich nahe beieinander und fühlen sich bei den entsprechenden Leuten hier und da ähnlich an. Aber natürlich geht es gerade hier viel um simple Abneigung und Unwollen.

  4. Wahlberliner

    Danke für diese gute Zusammenfassung des Pegida-Problems, Sash. Den Zusatz von Mausflaus finde ich auch sehr treffend, denn aus diesen Kreisen von „Kein Bock“ rekrutiert sich vermutlich auch ein Großteil der Menge der Pegida-Demonstranten.

    Als Hobby-Verschwörungstheoretiker (und ohne diese Verschwörungstheorien selbst allzu ernst zu nehmen!) könnte ich in diesem gesellschaftlichen Konflikt ja auch die Fortführung des „Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: – Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.“, wie es Reinhard Mey so schön zusammengefasst hat, sehen. Und das geht so: Perfiderweise lässt sich eine zerstrittene Menschenbevölkerung, in der einzelne Menschengruppen Angst vor irgendwas haben, leichter regieren lassen (bestenfalls natürlich so, dass jeder zu irgend einer Gruppe mit Angst vor etwas hat).
    Nun gab es also das Dritte Reich, und den dort vorhandenen Judenhass bzw. Antisemitismus. In sofern verlangt es mir doch einen gewissen Respekt ab, wenn derselbe perverse Stunt wie damals – diesmal mit einer anderen Religion als Ziel des Hasses, und auch noch länderübergreifend in der gesamten westlichen Welt (von der Ghandi ja mal meinte, dass es eine gute Idee wäre, wenn diese sich zivilisierte), nochmal gelingt. Und dann auch noch in einem Nachkriegsdeutschland, in dem es immer hieß „Nie wieder!“ – aber der Trick besteht hier eben darin, diesmal nicht jahrhunderte alte, unkonkrete Ressentiments zur Basis der Hetze zu nutzen, sondern sich jetzt die Texte, auf denen die „Ziel-Religion“ basiert, selbst herzunehmen, und darin gewalttätige Stellen zu finden, mit denen man Angst vor der Religion schüren kann. Oder vielleicht sogar auf diesen Textstellen basierend eine Gruppe von Dummen zu finden, die gewaltbereit genug sind, sie finanziell auszustatten, damit sie genügend andere dumme, gewaltbereite Anhänger für ihre Sache rekrutieren können und sich dementsprechend als Bedrohungsszenario etablieren lassen. Voilà, schon haben wir „IS“ oder „ISIL“ (Ich will den Namen der Pharaonin, Ehefrau des großen Osiris, nicht beschmutzen, deshalb lasse ich den hier mal weg) – und es wäre wirklich nicht das erste mal, dass irgendwelche Geheimdienste oder andere „Schlapphutorganisationen“ derartigen Schindluder treiben… (Ich sage nicht, dass es so ist, aber es *könnte* so sein – doch wenn es so wäre, ließe sich das natürlich nicht beweisen…)

    Unter diesem Gesichtspunkt wäre Pegida sogar eine wünschenswerte Strömung, denn dadurch funktioniert „Divide et Impera“ wieder ein Stückchen besser, und zudem lenkt es von den kriminellen Machenschaften ab, die Herr Edward Snowden für uns hat enthüllen lassen (und die anscheinend zumindest, und wohl auch nicht nur, der EU-Kommission gehörig auf die Nerven gegangen sind, wie heute auf Heise nachzulesen war).
    Aber gut, das ist dann schon wieder ein anderes Thema, deshalb schließe ich den Kreis hier mal, und sage nochmal mahnend, im auf das Dritte Reich zurückblickenden Sinne:

    Nie wieder!

  5. Da kann Ich nur froh sein dass Ich die Tage nicht zu Hause in Dresden bin und mir den Schwachsinn nicht ansehen muss.

    Aber es stimmt was du sagst, man kommt trotz massiven Beweisen für das Gegenteil nicht gegen diese Betonköpfe an. Bei manchen hat sich diese Meinung so manifestiert dass dagegen kein Kraut gewachsen ist.

    Man kann nur hoffen dass sich das bald wieder beruhigt.

    Grüße aus Kaiserslautern

    Philipp

  6. Marco

    Zu diesem Thema hat auch ein Dresdner Kollege eine Meinung – die mit deiner nicht übereinstimmt, aber möglicherweise (erschreckenderweise?) die in Dresden herrschende Stimmung wiedergibt.

  7. @Marco:
    Ich weiß. Und da trifft all das von oben zu. Mag sich nicht jeder als Rechter sehen – aber einfach rechte Meinungen zu propagieren und selbst vollkommen schwammige Forderungen zum Umgang mit „Unzufriedenheit“ stellen entbindet einen halt nicht davon, die Konsequenzen zu Ende zu denken. Vorherrschend wird das immer noch nicht sein. Denn selbst Pegida speist sich inzwischen auch aus Touristen – was bedeutet, dass der Zuwachs vor der Tür geringer ist als der wahrgenommene.

  8. Chris

    Wurde wegen seiner Meinung zu Pegida auch eben dieser Dresdener Kollege aus deiner Blogroll auf gnit entfernt?

  9. @Chris:
    Ja. Vorerst. Kann sich wieder ändern, ich bin da nicht nachtragend. Aber tagesaktuell auf sowas verlinken muss ich nicht.

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