Wenn zwei sich streiten

… sitzt der gesunde Menschenverstand weinend in der Ecke.

In Köln ist gestern eine Demo von Hooligans gegen Salafisten eskaliert und hat damit für Schlagzeilen gesorgt. Ich, wie immer zu spät aufgestanden, hab mich gefragt:

„Hä? What the Fuck?“

Aber ja: Vereinsübergreifend hatten sich Hools verschiedener Fußballvereine zu einer Anti-Salafisten-Demo getroffen und das Ganze ist letztlich zumindest in Teilen eine Nazidemo gegen Ausländer geworden. Inklusive Krawallen und vieler vieler unschöner Szenen. Das ist natürlich scheiße, aber das ganze Sujet ist wieder einmal schwieriger als gedacht. Auch jetzt, nach vielen Stunden, komme ich über das WTF nicht hinaus.

Zum einen haben wir da den Salafismus, bzw. dessen neofundamentalistische Auslegung der heutigen Islamisten. Ein vermutlich in weiten Teilen wahnhafter Haufen Gotteskrieger, der teilweise allen Spielarten des Terrors aufgeschlossen ist, um den Planeten in die vorgestrige Zeit zurückzubomben.

Zum anderen sind da die Hooligans, doch auch hier vor allem jene, die sich innerhalb rechtsextremer Kreise bewegen oder gar auf organisierten Neonazistrukturen aufbauen.

Nun ist es schwierig, im Angesichte so großer Idiotie den größten Feind zu finden.

Hooligans an sich sind nicht zwingend rechts. Aber sie haben das Problem, dass selbst ihr ursprüngliches Weltbild (grob vereinfacht: Wir sind alle harte Kerle, kloppen uns gegenseitig und wer gewinnt, ist der King!) viele Parallelen zu rechtem Gedankengut in sich trägt und demnach von Neonazis prima instrumentalisiert werden kann und hier wohl auch wurde. Trotz allen Ehrenkodizes, die es vielleicht zur Gründungszeit der Gruppen mal gegeben haben mag.

Und dass die heutigen Salafisten den Islam so auslegen, dass die Ungläubigen getötet werden müssen, ist leider auch nur schwer zu verhindern, denn wie (zumindest fast) jede Religion tendiert auch der Islam zu einer deutlichen Abgrenzung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, was den Fundamentalisten immer irgendwie als Rechtfertigung für dieses oder jenes herhalten kann.

Und so gesehen ist es in meinen Augen absolut verständlich, gegen den Islam – und noch spezieller gegen die Salafisten – zu demonstrieren. Darüber hinaus ist es aber auch ebenso grundsätzlich falsch, dass sich irgendein Nazi oder auch nur Hool zum vermeintlichen Rächer aufschwingt.

Da es nach mehreren Jahrzehnten schlechten Fernsehprogramms ja offenbar immer eine schwarz-weiß-Entscheidung geben muss, möchte ich einen Lösungsvorschlag in den Raum werfen:

Sowohl Nazi-Hooligans als auch Salafisten sind uneingeschränkt scheiße. Und als Gegenentwurf möchte ich ein atheistisch-humanistisches Weltbild anbieten. Ob man Leuten den Tod an den Hals wünscht, weil sie an was anderes glauben oder eine andere Hautfarbe haben, ist egal – man ist in beiden Fällen ein Idiot.

Und als humanistischer Atheist kann man zumindest versuchen, weder ein Idiot noch ein Arschloch zu sein. Ich kann mit Hooligans prima leben, so lange sie sich untereinander kloppen. Ich finde das nicht toll oder erstrebenswert, aber im Grunde mit der persönlichen Freiheit vereinbar. Ich kann auch mit Moslems oder sogar Christen leben, so lange sie sich nur selbst ihrem eigenen Wahn unterwerfen. Ich finde das auch völlig bescheuert, aber so lange sie ihrer tatsächlich existenten Umwelt nicht zu sehr auf den Zeiger gehen, gönne ich ihnen diese Marotte. Ich kann grundsätzlich der Freund jedes Menschen auf diesem Planeten sein und bin das eigentlich auch, so lange er sich nicht dadurch disqualifiziert, dass er Fremden seine persönlichen Macken zur Vorschrift machen will. Ob das nun ein Ungläubiger ist oder die eigene Ehefrau.

Religion und Rassismus sind zwei fast annähernd gleich dumme und inzwischen überholte Gedankenkonstrukte, die der Welt schaden. Und sie schenken sich nichts. Wo die Religiösen an der Macht sind, morden und foltern sie und schließen Menschen aus ihrem Rechtssystem aus (nur als Beispiel: Homosexuelle). Und wo die Rassisten an der Macht sind, werden „Fremde“ getötet. Manchmal auch nur passiv, man sehe sich nur die Flüchtlingskatastrophen an den Grenzen der EU an.

Nun, gestern in Köln gab es keine direkte Auseinandersetzung zwischen Nazis und Salafisten, sondern nur Nazis. Dementsprechend verurteile ich, was dort passiert ist. Bei einem Aufeinandertreffen hätte ich vermutlich beiden nur viel Spaß gewünscht …

(Ja, man wird vielleicht etwas zynisch bei so vielen Idioten um einen herum …)

6 Comments

Filed under Medien, Politik, Vermischtes

6 Responses to Wenn zwei sich streiten

  1. Nicole

    Einmal mehr sprichst du mir aus der Seele. Ansonsten kann man wohl nur noch auf diesen, sehr gut rechechierten, Beitrag hinweisen:

    http://www.der-postillon.com/2014/10/radikale-vollidioten-protestieren-in.html

    Es juckt zwar in den Fingern, mehr zu schreiben. Aber manche Dinge sollte man besser nur denken.

  2. @Nicole:
    Danke! 🙂
    Schön, nach dem Aufstehen bei solch einem Artikel ausgerechnet so einen Kommentar zu lesen. Made my day!

  3. IchAuch

    Sehe ich auch so. Mein Lebensmotto (bezüglich Vorurteilen etc.) lautet: Gib jedem selbst die Chance zu zeigen ob er ein Arschloch ist oder nicht. Und das würden die Personen der genannten Gruppen mit ziemlicher Sicherheit ziemlich schnell bewiesen – außer sie gehen nicht damit hausieren was sie per Definition zur Eingliederung in diese Gruppen ermächtigt.

    Das Grundproblem ist eigentlich bei allen Themen die Ansicht es gäbe nur schwarz/weiß, ja/nein, für uns/gegen uns… Da ist Religion, unabhängig des Namens und der Ausprägung des imaginären Führers, natürlich weit vorne dabei. Und alle anderen (extremen) Themengruppen haben genau das selbe Problem. Diese nervige Angewohnheit ein Spektrum an Meinungen nur als Dipol zu betrachten. Nimm ihnen ein Spielzeug weg und sie würden das selbe Problem woanders ausleben. Bis sie mal irgendwann merken, dass genau das zu ewigem Streit und Krieg führt und Menschen trennt anstatt sie miteinander etwas erreichen zu lassen. Aber das – fürchte ich – wird leider nie ganz aussterben. Das geht beim Sport, beim Geschlechterkampf (aka Feminismus), Regionalität/Nationalität, … gerade so weiter. Spalter werden leider immer die Menschen finden die sie instrumentalisieren können.

  4. @IchAuch:
    Da stimme ich zu. Allerdings glaube ich auch, dass Feminismus nicht wirklich in diese Liste passt. Es ist zwar wahr, dass sich unter dem Label auch einige fragwürdige Akteure tummeln, aber ich würde dem Feminismus allgemein keine Schwarz-weiß-Malerei unterstellen. Auch wenn einem als Mann viele Gedanken zunächst überzogen vorkommen mögen.

  5. Wahlberliner

    Aber die Kommentare beim Postillon (gestern Nacht warens schon über 1100) zeigen auch, dass „Teile und Herrsche“ leider immernoch funktioniert. Und anstatt wirkliche Missstände anzuprangern, zerfleischt sich der Pöbel gegenseitig… :-/

  6. Ich hab das ja auch nur am Rande mitbekommen. Viel schlimmer fand ich dann noch die Sichtweise, die sich diese Menschen selbst zurechtlegen, um ihr Tun zu rechtfertigen. Ich möchte da jetzt nicht unbedingt drauf verlinken, um denen nicht auch noch das Gefühl zu geben, dass andere Menschen das gut finden, was sie tun, aber mit ein bisschen Recherche bei google kann sich da jeder selbst ein Bild von machen. Stichwort „hogesa“ bringt schon ziemlich viel.

    Andererseits würde so ein Link deine Akte bei diversen Geheimdiensten wohl interessanter machen. „Atheistisch, linksnah, rechtsnah, WTF?“ 😀

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