„Immer für Dich da“

ist natürlich Quatsch. Schon alleine die unterschiedlichen Konzepte von „immer“, die so in der Welt rumgurken. Das könnte von „in alle Ewigkeit“ bis „immer wenn’s mir auch gerade passt“ alles bedeuten. Und während erstes selbst für hypothetische allmächtige Götter nach einem anmaßenden Versprechen aussieht, ist zweites nicht einmal romantisch, wenn man die Ethik von Jason-Statham-Filmen anlegt. Gesagt hab ich’s gerade trotzdem wieder, denn man sagt ja auch mal gerne nette Dinge, wenn deren genaue Definition zumindest fragwürdig ist.

Ozie war den Tag über krank, vermutlich war irgendein Lebensmittel angeschlagen. Wir haben zwar eigentlich das gleiche gegessen, aber so genau weiß man’s nicht.
Natürlich hat mich das den Tag über beschäftigt. Ich mag’s nicht, wenn es Menschen schlecht geht – und schon gar nicht, wenn ich die betreffenden Menschen wirklich liebe. Und wenn Ozie krank ist, dann bedeutet das eben auch mal etwas weniger Schlaf, ständige Rufbereitschaft und dass ich gelegentlich mal einen frischen Tee aufsetze oder einfach mal eine Viertelstunde vorbeikomme, obwohl ich selbst noch was zu tun hätte. „Immer“ bedeutet für mich wohl „immer, wenn’s mir irgendwie möglich ist“. Das kennen natürlich insbesondere die Eltern unter den Lesern sicher gut und auch ich hab das sicher irgendwie von meinen Eltern mitbekommen.

Ich schreibe das jetzt – wo es Ozie sowieso schon wieder deutlich besser geht – eigentlich nur, weil ich nach meiner Rückkehr an den eigenen PC festgestellt habe, dass inzwischen unser Jahrestag ist. Genau genommen müsste es jetzt (9. Oktober, 3.30 Uhr) exakt 9 Jahre her sein, dass panische Mitbewohner mich aus dem Bett getrommelt haben, weil die Polizei vor der Türe stand und einen Verantwortlichen für die Party haben wollte, an der ich seit zwei Stunden nicht mehr teilnahm, weil ich in meinem Bett überraschenderweise nicht allein geblieben war in dieser Nacht.

Im Nachhinein haben wir erst den Abend des 9. Oktobers als Beginn unserer Beziehung festgelegt, weil wir uns da entschlossen haben, dass das nicht Sache einer Nacht bleiben sollte. Die tatsächliche Entscheidung zu einer Fernbeziehung fiel freilich erst noch später.

Aber ja, das ist neun Jahre her. Mehr als viele Für-immers dieser Welt gehalten haben. Inzwischen durchschnittlich ein Drittel unserer Lebenszeit. Tendenz: steigend. Und immer noch sorge ich mich, wenn Ozie auch nur Kopfschmerzen hat; und sie lässt mich nicht aus den Augen, wenn mir mal der Arbeitsfrust über den Kopf wächst. Und das ist kein dummer kleiner Spaß unter Erwachsenen, sondern ehrliche Anteilnahme.

Viele da draußen scheinen zu glauben, dass lange glückliche Beziehungen reines Glück sind. Oder gottgewollt. Meiner Erfahrung nach ist das das Glück der unwichtigste Teil. Von der Inexistenz Gottes mal ganz abgesehen. Beziehungen sind neben aufrichtiger Zuneigung und Liebe ebenso ein Produkt von Arbeit. An sich selbst, aneinander und gemeinsam an anderen Dingen. Der „langweilige Alltag“, der so viele Beziehungen zerstört, ist unausweichlich. Völlig egal, ob man zu Beginn einer Beziehung nur entweder in Schnellzügen oder bei Tandemsprüngen mit dem Fallschirm vögelt: am Ende spielt es leider auch eine Rolle, ob man sich einig wird, wer die Spülmaschine ausräumt. Manche Dinge lassen sich nicht mit einem dahingehauchten „Ich bin immer für dich da!“ lösen – was aber nicht heißt, dass diese deswegen zu unterbleiben hätten.

Ich liebe Ozie heute selbstverständlich weit mehr als ich das vor neun Jahren getan habe. Und trotzdem haben wir uns vor zwei Tagen ganz pragmatisch über eine neue Anschaffung unterhalten und dabei die Frage erörtert, wie sich das im Falle einer Trennung gestalten würde. Einfach, weil das ebenso „für immer“ auch eine theoretische Alternative sein könnte. Das klingt kaltherzig, tatsächlich lässt sich über sowas aber vermutlich nur in Beziehungen reden, in denen alle Karten auf dem Tisch liegen und kein Partner wirklich ein Interesse an einer Trennung hätte, die somit also alles andere als kaltherzig sind.

Ich hab vor neun Jahren nicht beschlossen, mit meiner Frau mein restliches Leben zu verbringen. Und sie hatte das ebensowenig mit mir geplant, das weiß ich. Und genau deswegen ist das für uns beide ok und um so erstaunlicher, faszinierender, geiler, besser, fantastischer ist es, dass wir das heute vorhaben. Und unser Bestes geben, damit das auch so wird. Unser Engagement umfasst dabei keineswegs nur Für-immer-Sprüche, sondern ist manches Mal ein komplizierter Interessenausgleich. Das klingt unromantisch, ist es vielleicht auch, und trotzdem eigentlich viel besser als die undurchdachten Versprechungen der frühen Verliebtheitsphase.

Neun Jahre. Und ich sitze gerade in einem anderen Zimmer als Ozie und freue mir einfach einen Ast, dass sie seit sie schlafen gegangen ist noch keine Notwendigkeit hatte, mich anzurufen, weil ihr irgendwas fehlt. Dabei würde ich geradezu freudig aufspringen und ihr einen Tee machen oder zum Kuscheln vorbeikommen. In Wirklichkeit ist aber vermutlich genau das – Tee machen und kuscheln – nicht wirklich das, was man Liebe nennen sollte. Sondern diese unglaubliche innere Zufriedenheit, die einen ergreift, wenn man weiß, dass es dem Partner gut geht.

Ich jedenfalls bin bereit für weitere neun Jahre. Oder für immer – je nachdem, was man darunter versteht.

3 Comments

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3 Responses to „Immer für Dich da“

  1. Hach!

    Wenn man dann endlich auch den zweiten Part kennt, ist das irgendwie noch schöner zu lesen 🙂

  2. Herzliche Glückwünsche, Euch beiden.

    Möge das „Für immer“ möglichst lang anhalten 😉

  3. @Svü:
    🙂

    @ednong:
    Danke. 🙂

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