Jahr der Veröffentlichung: 2021
Genre: Open-World-FPS
Stunden bisher gespielt: ca. 200
Setting: Du bist ein junger Mann oder eine junge Frau in Yara, einem karibischen Inselstaat, der vom Diktator Antón Castillo regiert wird. Als das Regime dich einziehen will, um das Programm zur Gewinnung von Viviro, einem yaranischen Krebsmedikament und Exportschlager, auszubauen, fliehst Du. Das Boot mit Flüchtlingen wird jedoch gestoppt und außer Dir kommen alle ums Leben. Du wirst wieder an der Küste angespült und trittst nun den Revolutionären der Gruppe Libertad bei und hilfst ihnen, Yara zu befreien.
Far Cry 6 ist für mich der Inbegriff von „Leider geil“. Das Spiel macht einige gute Kernelemente der Far-Cry-Reihe komplett kaputt und schafft es schon wieder, im Storytelling trotz eines abermals fantastischen Gegenspielers zu enttäuschen. Selbst die Grafik ist nicht mehr wie in einigen Vorgängern State of the Art, sondern für 2021 Mittelmaß. Trotzdem funktioniert für mich das Rezept der Reihe in Kombination mit einem abermals überlegen guten Gunplay dahingehend, dass ich das Spiel sehr gerne mehr als einmal durchgespielt habe.
Es ist wirklich schwer, hier was positives zu schreiben, denn im Gegensatz zu den Vorgängern hat sich fast alles verschlechtert. Was für mich nur den Schluss nahelegt, dass diese Vorgänger halt über alle Maßen gut sind und die Schwächen von Far Cry 6 Dinge sind, die man einem anderen Spiel vielleicht gar nicht so übel nehmen würde.
Denn für einen Open-World-Shooter geht die Story voll in Ordnung und die Charaktere sind zwar oft oberflächlich, aber durchaus divers und einzigartig. Dass man eine Menge Scheiß mit Mikrotransaktionen kaufen kann ist kein Trend, den ich befeuern will, aber ich hab meine Spielzeit gut ohne Extraeinkäufe füllen können und mir hat nichts gefehlt. Einer meiner größten Kritikpunkte ist, dass sie auf ein Perk-System komplett verzichtet haben und die Verbesserungen jetzt an Kleidung gekoppelt ist – was abgesehen von meiner persönlichen Vorliebe vielleicht auch einfach die dümmstmögliche Idee ist, wenn man nebenher gegen echtes Geld kosmetische Items verkaufen will. Mich stört vor allem, dass ich z.B. meine verbesserte Ausdauer eintauschen muss, wenn ich mehr Munition mitnehmen will. Ich meine: Wirklich? Ich weiß, so niedergeschrieben klingt das nach mehr Realismus, aber so wirkt das am Ende im Spiel nicht.
Was grandios und furchtbar zugleich ist: Die Map: Yara ist ein wunderschönes und in weiten Teilen auch sehr glaubhaftes Land. Aber für ein Spiel dieser Art ist es zu groß. Ich würde mir so eine riesige Map in einem vollgepackten Rollenspiel wünschen, das dichter besiedelt und tiefer in Sachen Nebenquests, Storytelling und Ressourcen ist; aber für einen Shooter, der den Zwischenraum zwischen zwei Checkpoints oder Außenposten hauptsächlich kosmetisch mit generischen Häusern und 12 immergleichen Items zum Aufsammeln füllt, ist Yara zu weitläufig. Da ist dieser Zwiespalt: Die schöne Landschaft lädt zum Verweilen ein, aber es gibt keinen weiteren Grund zum Verweilen.
Der Rest knallt halt wie er soll: Schießen funktioniert gut wie eh und je, mit einem besonderen Bonus: das Headshot-Geräusch. Ich komme mir selber blöd dabei vor, dieses völlig unrealistisch laute Knochenknacken als Indikator für einen tödlichen Kopfschuss wie so ein Sechzehnjähriger Splatter-Fanatiker zu feiern, aber seit Far Cry 6 vermisse ich das in anderen Shootern schmerzlich, es wertet das Spiel auf. Man hat alles, was Far Cry in den letzten Teilen auch hatte: Außenposten; kleinere Militäreinheiten wie Konvois, Checkpoints und Anti-Aircraft-Kanonen; dazu Rennen und auch die in meinen Augen sehr netten kleinen Puzzle-Rätsel, die in Far Cry 5 als Prepper Stashes eingeführt wurden. Das ist alles relativ generisch, aber zusätzlich zu doch einigen Nebenmissionen eine runde Sache, bei allem Hass auf Ubisoft. Alles darüber hinaus, die Spezialeinsätze außerhalb der Map, die seltsamen „Bandido Operations“, bei denen man sich durch ein paar Textbildschirme klickt, um Ressourcen zu bekommen oder Domino und Hahnenkämpfe, hätten meinetwegen nicht sein müssen, aber um ehrlich zu sein, haben sie mich auch nicht gestört und ich hab alles mal ausprobiert und mehr oder weniger gemocht. Passiert bei einem Spiel dieses Umfangs halt.
Und dann sind da die DLCs. Ich verstehe es nicht. Die Grundidee der „Inside the Mind“-Trilogie ist für Fans super: Man schlüpft in die Geisteswelt der Antagonisten der Teile 3 bis 5: Vaas Montenegro, Pagan Min und Joseph Seed. Welten, die die surreale Seite von Far Cry bedienen, voller Fantasmen und kruder Versatzstücke aus den Originalspielen. Im Grunde fantastischer Fan-Service, der alte (Anti-)Helden wieder auferstehen lässt, an der Lore weiterarbeitet … und dann bringen sie drei so identische DLC raus, dass sie quasi nur unterschiedliche Skins haben, verticken sie aber zu Beginn recht teuer und einzeln. Noch dazu sind es eher zwar Shooter, aber vom Aufbau eher rogue-like, also komplett weg davon, wie Far Cry normalerweise funktioniert.
Jetzt da ich das schreibe, habe ich erstmals das von Vaas durchgespielt und es ist eigentlich wie alles der Serie von der Sache her sehr kompetent und macht Spaß, es ist nur irgendwie unverständlich, warum Ubisoft da immer in die schlechtmöglichste Iteration eines guten Spiels abgleitet. „Between two Worlds“ habe ich noch nicht gespielt, hole es aber nach. Hab aber gehört, dass es wieder den anderen dreien ähnelt. Why? Ich hätte die Ressourcen für so ein Triple-A-Spiel definitiv anders verteilt, aber ich bin ja auch kein Developer.
Wie dem aber sei: Trotz aller Unkenrufe steckt wirklich auch viel nettes drin, ganz ehrlich. Das Gameplay an sich ist wie gesagt fantastisch und wenn man es im Sale bei Steam ergattert, kann man je nach Angebot sogar inklusive aller DLCs inzwischen für unter 30 € wegkommen und kriegt dann durchaus ein – das hatte ich noch nicht erwähnt: gepolishtes und quasi bugfreies – Game für mehr als 100 Stunden, je nachdem, was man davon alles spielt.





