Ich hatte neulich ein etwas seltsames Erlebnis. Eine Office-Schulung. Ja, für sich gesehen schon seltsam genug, aber natürlich beruflich bedingt und im Großen und Ganzen auch ok. Ich werde jetzt auch gar nicht zu sehr ranten über irgendwelche Detaileinstellungen in Word, die ich unschön gelöst finde, sondern ich will mal kurz meinen persönlichen Bogen zu Software an sich schlagen.
Denn was mir am meisten nachhängt bei der gar nicht mal so dramatisch schlechten Schulung war z.B. als der Datenschutzbeauftragte ungefähr gefragt hat:
„Wir kommunizieren viel mit Behörden. Wenn Microsoft an der Stelle künftig vermehrt KI einsetzt: Wie können wir da gewährleisten, dass die Daten nicht ausgewertet werden? Wir haben das Problem, dass wir uns in den letzten Jahren bei Cloud-Diensten einschränken mussten, weil die ‚böse‘ sind, gerade ist es die KI. Gibt es da Möglichkeiten?“
Die phänomenal schlechtmöglichste Antwort war:
„Die ist ja nicht böse. Das müssen Sie hinnehmen. Gewöhnen Sie sich dran!“
Ich meine: Wir sollen uns dran gewöhnen, dass die KI sensible Daten der Behörden (oder anderer Dritter) liest, benutzt und eventuell ändert?
Kleiner Zeitsprung: Ich hab 2007 mit Bloggen begonnen. Da hat man noch Web 2.0 zu allem gesagt, was Nicht-Informatiker ins Netz gestellt haben. Ich verdanke dieser Revolution damals neue Freunde, ein spannendes Leben, Fortschritte beim Schreiben und nicht zuletzt eine Stange Geld. Ich weiß, wie toll es ist, bei technischen Neuerungen dabei zu sein und ich will da auch nicht aufhören und der typische alte Mann werden, der auf alles neue verächtlich herabschaut, weil früher alles besser war. Aber bei Software frage ich mich wirklich oft, in welche Richtung wir da gehen – und ja, da gehört die Sache mit der KI natürlich ganz vorne mit dazu.
Ich teile einige der üblichen Kritikpunkte nicht oder nur teilweise. Ich denke z.B. schon, dass es sinnvoll ist, dass KI möglichst viele Daten zum Trainieren kriegt, wenn wir sie schon verwenden. Und ich finde KI in Kunst und Kultur nicht verwerflich und gar nicht so seltsam. Gerade in den derzeitigen Anfängen mit all den Irrungen und Wirrungen sollen doch lieber Noobs Musik komponieren und Bilder malen lassen als beinahe alles andere. Ich meine, der Typ von der Schulung fand die Idee toll, dass MS Office in Zukunft selber rausfinden wird, was für Dokumente wir erstellen wollen und dass Excel erahnen wird, was wir in Tabellen eintragen wollen. Bei allen Ängsten von kleinen Künstlern, dass die KI sie verdrängt: Dieses Szenario ist um Welten bedrohlicher. Sage ich jetzt als vielleicht doch nur zu alter Mann mit 43.
Ich finde wirklich, dass wir mit Software schon seit einer Weile einen ziemlich falschen Weg einschlagen. Und nein, ich bin nicht mehr wie früher mal der Meinung, dass es Zugangshürden geben muss. Zugänglichkeit an sich ist toll und ich verzweifele selber daran, wie meine Bank inzwischen ungefähr in dem Rhythmus, in dem ich auf mein Konto schauen will, neue Apps und Hürden einführt, um mich daran zu hindern. Aber bei allen tollen Innovationen passiert doch vieles nicht mehr im Interesse von uns Usern, oder?
Was hab ich wirklich davon, dass Word meine Texte im Hintergrund aus verschiedenen Einzeltabellen zusammensetzt? Wie viel Komfort würde ich wirklich einbüßen, wenn Excel nicht mehr zwanghaft versuchen würde, wissenschaftliche Tabellen in Kalenderformate umzuwandeln? Oder mein Lieblingsthema Spiele: Ich hab eine ziemlich umfangreiche Sammlung an quasi ausschließlich Singleplayer-Games, die fast alle nicht mehr benutzbar sind, wenn die Internetleitung spinnt und ich verliere sie ganz, wenn irgendwelche Firmen pleite gehen, bei denen ich mich nur zwangsweise angemeldet habe und die mich nicht interessieren. Das ist doch nicht mehr sinnvoll im herkömmlichen Sinne des Wortes.
KI dreht die Welt auf links wie das Internet vor 30 Jahren. Das aufhalten zu wollen scheint mir ehrlich gesagt nicht erstrebenswert. Diese Revolution wird phänomenalen Mehrwert schaffen, den ich mir nicht anmaße vorherzusehen. Aber ich finde auch nicht, dass das Internet heute ein besserer Ort ist als 2005. Und ich hoffe, dass wir das 2050 nicht über alles sagen müssen, in dem irgendein Chip steckt. Momentan fürchte ich aber, dass 2050 der Toaster in meiner Abwesenheit Mehl ordert und die Bude rhythmisch damit zubrotet, weil ich vergessen hab, im Profil meiner Sockenschublade meinen Urlaub zu hinterlegen.
Möchte ich einfach mal 100%ig so unterschreiben. Ich hab auch schon KIs benutzt, um mir Ideen geben zu lassen oder einfach ein simples Avatarbild für irgendein Forum generieren zu lassen. Aber ich hab trotzdem n Problem mit dem Gedanken, dass meine persönlichen Daten unkontrollierbar an irgendwelche Firmen übertragen werden.
Etwas andere Ecke, aber sehr passend dazu: Die Reaktionen aktuell auf die elektronische Gesundheitsakte. Man kann nicht einstellen, welcher Arzt was zu sehen bekommt?!? Und die Reaktionen darauf nur: „Ja ist doch alles nicht so schlimm!“. Also ich werde mich nicht daran gewöhnen, dass irgendein Betriebsarzt sehen kann, dass ich ggf. mal vor zehn Jahren psychologische Hilfe gebraucht habe, weil es mir dreckig ging.
@phil:
Ja, da hakt es definitiv auch enorm. Und ich finde das auch sehr passend, denn auch bei der ePA sind ja die Vorzüge eigentlich da. Es fehlt halt ein angemessener Umgang damit, bzw. eine sinnvolle Regelung, wo die Grenzen liegen. Und darum sollte man bei KI auch nicht umhin kommen, wobei ich die zaghaften Ansätze für Regulierungsideen momentan auch noch nicht so ganz ernst nehme, also daran glaube, dass daraus wirklich was sinnvolles erwächst.
„Bester“ Kommentar bisher zur ePA: „Wie, nach all den Jahren und dem Wiggel haben wir eigentlich nur das Äquivalent eines Dropbox-Folders in dem unstrukturiert PDFs rumliegen?“
Und KI … nunja, das wird erst richtig „lustig“ wenn KIs als neues Trainingsmaterial in großem Umfang nur noch von anderen KIs generierte Texte bekommen. In meiner IT-Blase nennen wir zumindest die aktuellen Large-Language-Model KIs eigentlich nur noch „die großen Vorurteilsverstärker“
(und mit dem was man zu meinen Studentenzeiten in den 90ern unter KI verstanden hat alles was jetzt gerade durchs Dorf getrieben wird eigentlich eh eher weniger zu tun, aber das ist eine andere Geschchte)