Ich habe heute die US-Wahl verfolgt. Das muss sich vielleicht bei einigen erst setzen, ich bin selbst noch am Überlegen, weswegen. Nein, Gründe gibt es natürlich. Dagegen, den Ausgang dieser Wahl überhaupt zu beachten, spricht natürlich vor allem einmal das Wahlsystem selbst. Ein System, das kleinere Parteien schlicht unterdrückt, eines bei dem 1.000 Stimmen in Florida mehr zählen können als 1.000.000 in New York, das ist eigentlich zu blöd zum Ernstnehmen. Und da die Wahl grundsätzlich zwischen zwei stinkreichen Patrioten mit guten Beziehungen zur Wirtschaft gefällt wird, die nicht einmal nein zu Schußwaffen sagen dürfen, könnte man sagen, dass auch die personelle Ebene höchstens zum Sackkratzen animieren sollte.
Aber das ist halt nicht alles.
Immer noch ist der US-Präsident einer der mächtigsten Männer auf diesem Planeten. So traurig es sein mag, dass das System an dieser Stelle nie einen vernünftigen Menschen zulassen wird, kann es doch ein paar Millionen Menschenleben kosten, die Stelle mit einem bildungsresistenten Vollhonk wie dem letzten Bush-Sprößling zu besetzen. Gewiss wird Amerika nicht durch die Wiederwahl von Obama zu dem Vorreiter in der Welt, den das Land in sich selbst immer sieht – aber vielleicht wurden dadurch ein paar Kriege vermieden. Und den Gerüchten nach ist Krieg ja auch selten so toll, wie er im Fernsehen immer rüberkommt.
Was aber viel beeindruckender war als der Verlauf an sich (ich habe nicht lange gezweifelt, dass Obama es packt), das war das Fernsehen. Und – jetzt mal frei raus und ohne Recherche, was die vielleicht sonst so verbrechen – fette Props an CNN!
Diese Nacht habe ich die Hoffnung in den Fernsehjournalismus wiederentdeckt – mit dem traurigen Nebeneffekt, dass die in den deutschen jetzt wohl endgültig hinüber ist. Wunderbar, dass im ZDF zu diesem Anlass ein Bildschirm mit Twitter gezeigt wurde, die obskuren Versammlungs- und Talkrunden waren bei gelegentlichem Umschalten so doof wie eh und je. Und CNN?
Fakten, Fakten, Fakten. Stundenlang geballte Infos über die Wahl, permanenter Informationsfluss – überraschend pragmatisch und erfrischend kenntnisreich rübergebracht. Alleine die Arbeit des Moderators an der interaktiven Tafel, auf der er in Sekundenschnelle mehrere Zahlen aus Staaten und Countys gut informiert und mit technischer Brillianz rausgeholt hat. In dieser Nacht war CNN sicher besser als jeder Newsticker im Netz, jede Übersichtsseite. Gleichzeitig aktuell, gut aufbereitet, durchaus unterhaltsam und mit enormem Aufwand haben die da einfach locker mindestens 6 Stunden Live-Fernsehen gemacht, das man sich ansehen konnte. Man ist immer über Hochrechnungen, Ergebnisse und alles was eigentlich ging, auf dem Laufenden gehalten worden, während in Deutschland irgendwelche Ex-Politiker darüber getalkt haben, wie sie damals Obama kennengelernt haben. Wenn man nicht gerade deutsche Fußballspieler in den USA nach der eigenen Karriere befragt hat …
Vor allem ein Gefühl blieb: Während dieser für eine Sendung unglaublich langen Zeit fielen die deutschen Sender immer dadurch auf, dass sie die Zeit rumkriegen wollten – bei CNN wurde extra schnell geredet, um so schnell wie möglich alle Informationen loszuwerden. Und wenn ich zu so einer Veranstaltung eines wissen will, dann sind es Fakten aus den Wahllokalen und nicht, was Frank-Walter Steinmeier irgendwelchen Kandidaten so alles knuffiges wünscht, wenn sie es nicht schaffen sollten.
Es gibt vielleicht wenige Punkte, auf die mein Ergebnis heute Nacht zutrifft, auf den Fernsehjournalismus zur Wahl jedoch sicher:
USA – Deutschland
1 – 0
war das nicht die ARD? aber ansonsten kann ich dir nur beipflichten 😉
Tja, bei denen läuft ja auch die Finanzierung anders, während bei uns die GEZ-apo dafür sorgt, dass du 20€ jeden Monat latzt, selbst wenn du keinen Fernseher hast. Für die Grundversorgung und so, du verstehst schon.
Mannmannmann, da bekommt man echt die Wut..
@DerInderInDerInderin
Immer mal langsam mit die jungen Pferde, gell? GEZ-Bashing kann auch irgendwann unpassend sein.
Zum einen vergibt Sash seinen Punkt für ein spezielles Fernsehereignis (ich habe CNN auch schon unerträglich gesehen, so mit „Breaking News“ zu jeden x-beliebigen Popel-Thema). Zum anderen: Wer schonmal in einem amerikanischen Hotelzimmer nachts wachlag und sich durch die vorhandenen 436 Programme geklickt hat, wird spätestens nach 1-2 Stunden völlig entnervt von den Commercials gewesen sein. Super-alternative Finanzierung, oder? Die qualitativ hochwertigen Programme mit wenig Werbung gibts nämlich nur gegen Einwurf kleiner Münzen im pay-TV.
@oLLi:
Hab ich beides mal reingezappt. Aber nicht lange …
@DerInderInDerInderin:
Naja, dass die ÖR zu viel Geld haben war nicht gerade der Eindruck, den sie heute Nacht vermittelt haben.
@Nihilistin:
Ich hab den einschränkenden Satz nicht ohne Grund geschrieben. Dass das oft ziemlich nervig ist, kann ich mir vorstellen. Und mich nervt ja schon die Eigenwerbung …
Besonders toll fand ich ja, als das ZDF endlich auch einsah, dass Obama gewinnen würde. Aber nur, weil das alle US-Sender schon seit zwanzig Minuten sagten. Warum eigentlich haben sie selbst erst nochmal zwanzig Minuten später gemerkt.
Vorher hatten sie noch gelabert, dass die Ergebnisse ja aus den einzelnen Counties kommen und daher ungenauer seien als Hochrechnungen in Deutschland. Dass die US-Sender wissen wie (voraussichtlich) unumkämpfte Counties gewählt haben und daraus dann eine Hochrechnung für den jeweiligen Staat machen sobald die umkämpften Ergebnisse da sind haben sie glaube ich selbst nicht verstanden.
@Oni:
Ja, ich hab an dem Morgen nicht mehr darauf gewartet, bis das deutsche Fernsehen das vermeldet hat. Mir war klar, dass es erstmal nur eine Hochrechnung war, aber die war in sich stimmig, gut erklärt – es war da eigentlich klar.
Keine Ahnung, mit wem die währenddessen im ZDF noch getalkt haben 😉
„Parteien werden unterdrückt“ Nur gut, dass man in den USA keine Parteien, sondern Personen wählt.
du schreibst wirklich sehr differenziert, gefällt mir!
für mich stand abama auch von anfang an fest. eine katastrophe wäre das geworden, wenn die republikaner gewonnen hätten. auf diese weise hat obama nochmal mehr zeit gewonnen, seine reformen durchzusetzen =)
@dunia:
Ja, die Zeit wird er wohl auch brauchen …