Muss… kommentieren. Kann… nicht anders…

Habe gerade bei der taz ein Interview mit Heribert Rech zum bevorstehenden Nato-Gipfel gelesen, und ich muss einfach meinen Senf dazu geben. Es geht wirklich nicht anders. Die Originalaussagen lasse ich hier so stehen, zur Überprüfung: Hier sind sie bei taz.de nachzulesen.

Baden-Württembergs Innenminister Rech ist für die Sicherheit beim Nato-Gipfel verantwortlich. Welche Lehren zieht er aus dem Polizeieinsatz beim G-8-Gipfel in Heiligendamm?

taz: Herr Rech, wie hoch ist der Druck auf Sie, dass während des Nato-Gipfels alles perfekt laufen muss?

Heribert Rech: Der Nato-Gipfel muss gut und friedlich verlaufen. Natürlich fragt man sich, ob alles getan ist. Aber es gibt niemanden, der mir sagen könnte, wie man die Vorbereitungen noch optimaler hätte gestalten können. Der Gipfel setzt Maßstäbe, was Polizeitaktik und Einsatzbereitschaft angeht, gerade in technischer und logistischer Hinsicht.

Ich will ja nicht gleich zu Beginn rumunken, aber Frage und Antwort waren hier relativ unnötig. Aber gut, man kann ja noch einmal erklären, worum es eigentlich geht…

Was tun Sie als Innenminister, um auf die Gipfelgegner zuzugehen und im Vorfeld zu deeskalieren?

Der Innenminister kann nicht mit 3.000 gewaltbereiten Demonstranten reden, das ist immer noch Aufgabe der Polizei. In Baden-Württemberg ist das Thema Gefährderansprache, auch im Bereich von Hooligans, sehr weit forciert. Wir haben 100 Kolleginnen und Kollegen, die als Anti-Konflikt-Teams während der Proteste und auch schon im Vorfeld mit Leuten, die aus dem Ruder laufen könnten, reden. Sie treten nicht martialisch auf, sondern ohne Körperschutz, als Bürger in Uniform, teilweise auch in Zivil.

OK, so sieht es also aus: Der Innenminister kann nicht mit allen gewaltbereiten Demonstranten reden. Verstehe ich irgendwie. Aber die Polizei? Gut, 25.000 deutsche und französische Beamte sind im Einsatz beim Nato-Gipfel. Davon sind 100 vom Anti-Konflikt-Team. Also mit viel Wohlwollen 0,5%… ich frage mich sowieso, weswegen es eigens ein Anti-Konflikt-Team braucht, wenn doch die Polizeitaktik immer nur auf Wohlwollen und Konfliktlösung basiert. Aber immerhin treten diese ja „nicht martialisch“ auf, „ohne Körperschutz“ sogar. Was für ein Zugeständnis in einer in meinen Augen sehr fragwürdigen Situation auf einer Demonstration – wo einem als Bürger verboten ist,  Schutzkleidung gegen die (sowieso völlig inexistenten) Gewaltausbrüche seitens der Polizei zu tragen.

Der letzte vergleichbare Großeinsatz einer deutschen Polizei war der G-8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007. Damals häuften sich Falschmeldungen aus der Einsatzzentrale der Polizei. Kann man sich auf die Meldungen der Polizei in Baden-Württemberg verlassen?

Ich möchte Heiligendamm nicht bewerten. Da bin ich nicht der Experte, andere haben Schlussfolgerungen aus dem Einsatz gezogen.

Na, wenn das andere getan haben, dann ist ja super! Warum sollte Herr Rech das selbst tun? Weil er Schirmherr einer vergleichbaren Situation ist? Pah!

Auch Schlussfolgerungen zur Einsatzplanung in Baden-Württemberg?

Eine Folgerung war, dass wir keine Massencamps mit 10.000 bis 15.000 Teilnehmern zulassen. Das können rechtsfreie Räume werden. Was mögliche Fehlinformationen anbelangt – ich habe gestaunt, als ich gesehen habe, dass die Polizei in der Einsatzzentrale auf Knopfdruck sehen kann, wo welcher Polizist oder welcher Krankenwagen im Einsatz ist. Das Risiko von Fehlinformationen ist minimal.

Zu den ersten beiden Sätzen: Bewertet wird Heiligendamm nicht, aber aus dieser Nicht-Bewertung leitet man mal ab, dass man Camps verbietet? Weil sie „rechtsfreie Räume“ werden können. Ich würde eher „überwachungsfrei“ bevorzugen, aber dass das dasselbe ist, muss man ja – ob mit oder ohne Brechreiz – inzwischen immer wieder feststellen. Zum zweiten Teil der Antwort: Wie niedlich, die haben sie mit den Knöpfen spielen lassen?

Haben Sie Verständnis für die Camp-Organisatoren, die argumentieren, friedlich Demonstrierende empfinden massive Polizeipräsenz als Stress und brauchen deshalb Raum, wo sie sich erholen können?

Friedliche Demonstranten haben beim Anblick der Polizei keinen Stress. Mit Leuten, die behaupten, von der Polizei gehe Gewalt aus oder allein das Vorhandensein von Polizei sei Gewalt, würde ich gerne mal über ihr Verständnis von Rechtsstaat diskutieren. Die Polizei gewährleistet überhaupt erst, dass demonstriert werden kann.

Hier schlägt’s wirklich Dreizehn! Ich bin als friedlicher Demonstrant durchaus schon enorm gestresst gewesen durch unsere Staatsmacht. Da brauche ich nichtmal soweit ausholen, dass ich detailverliebt schildere, welch sadistisches Grinsen manch „Ordnungshüter“ im Gesicht hat, wenn er mir mal aus der zweiten Reihe schön in den Magen schlagen konnte, sondern es reicht eigentlich, sich mal anzusehen, welche Kampfkraft von einer Einsatzhundertschaft ausgeht, die nie auch nur einen Zweifel daran aufkommen lässt, wer hier Herr im Haus ist. Was insbesondere bei friedlichen Demos echt daneben ist. Über das Verständnis „von Rechtsstaat“ will ich mich mit Herrn Rech allerdings sicher nicht unterhalten, denn jemand, der der Meinung ist, Demonstrationen könnten nur dank der Polizei stattfinden, der verliert meiner Erfahrung nach ein bisschen die Bodenhaftung. Ich darf hier demonstrieren, wo und wie ich will. Und die Polizei brauche ich dazu gar nicht! Dafür haben sie vor ein paar Jahrzehnten so ein lustiges Grundgesetz gedruckt, und wenn das von den betroffenen Stellen ernst genommen werden würde, dann bräuchte man sich gar nicht mal unterhalten.

Wäre es für Sie eine schlechte Bilanz, wenn rund um den Gipfel viele Menschen grundlos in Gewahrsam genommen werden? In Heilgendamm gab es über 1.000 Fälle. Über 90 Prozent der Verfahren sind später eingestellt worden.

Wenn Verfahren eingestellt werden, heißt das nicht, dass die Ingewahrsamnahme nicht gerechtfertigt war. Ich kann zudem keine Bilanz auf hypothetischen Annahmen ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Ingewahrsamnahmen stattfinden und dass sie juristisch hieb- und stichfest sind. Für uns sind sie ohnehin die Ultima Ratio.

Manche Menschen müssen leider mit diesen „hypothetischen“ Bilanzen rechnen, weil sie beteiligt waren. Aber gut, nicht der Herr Rech, das ist klar! Und an den Journalisten: Hätte man nicht noch ein bisschen nach dem „Verständnis von Rechtsstaat“ reden können?

Werden in den Gefangenensammelstellen bessere Bedingungen herrschen als in denen in Heiligendamm? Dort beschwerten sich Insassen über überfüllte Zellen, in denen 24 Stunden am Tag das Licht brannte.

Ich kritisiere die Gefangenensammelstellen in Heiligendamm nicht. Jeden, der unsere kritisiert, den lade ich im Vorfeld ein, sie sich anzuschauen.

Schön, dass sie die Sammelstellen nicht kritisieren, Herr Rech! Wen interessiert’s denn? Aber das ist es ja: Warum überhaupt so viel Stress, es geht ja eh nur um ein paar Spinner. Leider hab ich gerade keine Zeit, mir Gefangenensammelstellen anzusehen – aber ich hätte einen netten Gegenvorschlag: Wenn da alles so supi ist, dann lassen sie doch – im Gegensatz zu Rostock 2007 – einfach dieses Mal die Anwälte rein zu ihren Mandanten. Steht übrigens auch so oder so ähnlich in einem netten Buch. Die sind zwar alle so trocken zu lesen, aber ich bin sicher, da können sie noch viel draus lernen!

Schade, dass ich nicht da unten bin… viel Glück an die, die da sein werden!

(Für die Nostalgiker: Mein Blogeintrag nach dem G8-Gipfel 2007)

2 Comments

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2 Responses to Muss… kommentieren. Kann… nicht anders…

  1. der Schwob in der Familie

    Der Sicherheitsaufwand ist ja fast so extrem wie in Heiligendamm, bloss dass sie NATO diesmal keine Firma gefunden haben, die den Rein einzäunen, und in der Kriese konnte man auch nicht ganz Ba-Wü und Frankreich einschliessen, weil es einfach nicht genug Stahl gab.
    Es wird wohl so wie immer sein. Der blau/grün/schwarze Block macht Randale, Attac kritisiert alles, was dem Spiegel nicht passt und die Menschen die auf die Strasse gehen wollen, dürfen das ganze nicht.

    „Nicht entflammbar ist keine Herrausforderung!“

  2. So kann man’s zusammenfassen 0.o

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