Alter schützt vor Wagner nicht

Wir schreiben den 7. August 2008. Der Asphalt der deutschen Hauptstadt glüht. Gefühlte 60 Grad in der Sonne. In dieser Stadt wird heute ein Geburtstag gefeiert, der meiner Meinung nach sicher viel zu viele Menschen zum Gratulieren veranlassen wird.
Franz Josef Wagner, preisgekrönt und als „Gossen-Goethe“ bezeichnetes Gewächs fragwürdiger Jounalismus-Schule in Deutschland wird 65. Der Mann, der sich nicht zu schade ist, Kindern das Schulschwänzen zu empfehlen, weil sein eigener Schulabbruch seiner Karriere nichts anhaben konnte. Eine Traumkarriere, in der er Krisengebiete bereiste, Schundblätter schuf, Schundblätter leitete, und aktuell einmal täglich für ein Schundblatt ein paar Zeilen zu Papier bringt.
Ein Mensch wird 65, dessen beachtliche Führungsqualitäten so ausgeprägt waren, dass sich seine Untergebenen mit einer anonymen Schmähseite ins Internet flüchteten. Ein Mann, der Lobeslieder singt auf die Hintern von Präsidentengattinnen, der Straftäter verprügeln möchte, der Rassismus predigt, weil ihm angeblich mal ein Mädel ausgespannt wurde.
Wäre dies eine Wagner-Kolumne, so hätte ich sie mit „Lieber Franz Josef Wagner“ beginnen müssen, und selbst wenn ich ihm die Pest an den Arsch wünschte, mit einem „Herzlichst“ schließen müssen. Glaichzeitig dürfte ich die Hälfte des Textes aber nicht an den Adressaten wenden, sondern an die Leser, die Gesellschaft oder Gott. Sie hätte kürzer sein müssen, aggressiver. Ich hätte mehr auf noch unwichtigeren Details herumhacken müssen, und vielleicht ein „Ich finde sie zum Kotzen!“ anfügen müssen.
Mache ich aber nicht, denn ich bin nicht Wagner. Ich will auch nicht Wagner sein. Jeden Tag lese ich seine Kolumne und raufe mir die Haare und kann es kaum fassen, was er wieder schreibt – aber wenn man ihn fragen würde, dann wäre er wahrscheinlich stolz darauf. Seine „Post von Wagner“ ist wahrscheinlich die meistgelesenste Kolumne dieses Landes, und dafinitiv ein ziemlich schockierender Einblick in einen von Tristesse und Alkohol umnachteten Geist, der es verdient hat, mal Feierabend zu haben. Meinetwegen heute. Aber nicht zum Feiern!

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