Gesehen: Gravity

Ich war gestern seit langer langer Zeit mal wieder im Kino und hab mir „Gravity“ angesehen. Der Film war mitnichten ein Zufall. Zum einen geisterte er mit einer Penetranz durch meine Filterbubble, dass ich unbedingt wissen musste, worüber sich alle das Maul zerreissen, zum anderen gab es auch keinen Aspekt an ihm, der mich nicht interessierte:

  • Ich mag Actionfilme
  • Ich mag Filme, die in unserer Zeit realistische Themen behandeln
  • Ich mag Filme mit innovativen Konzepten
  • Ich bin ein großer Freund der Raumfahrt
  • Ich mag die beiden Hauptdarsteller als Schauspieler (und oute mich auch hier gerne, dass ich in meiner Jugend durchaus auch ein wenig in Sandra Bullock verschossen war 😉 )

Und nun? Wie war’s?

Schön! Das muss gleich vorweg gesagt werden. Ich tanze da nicht so auf dem Vulkan wie Eugen Reichl, der minutiös die wissenschaftlichen Fehler des Films ausbreitet, bevor er sagt, dass er trotzdem toll ist. Obwohl ich diese Rezension absolut genial finde!

Nein, der Film war schön und obwohl ich kein überzeugter Kinogänger bin, muss ich auch sagen, dass dieser Film definitiv einer ist, der mit jedem Quadratmeter Leinwand gewinnt, weil er wahnsinnig viel auf Bilder setzt. Dass allerdings macht ihn sicher für ein breites Publikum schwierig. Denn das eingangs erwähnte innovative Konzept besteht bei Gravity vor allem daraus, einen durchaus im Action-Genre wildernden Film zu kombinieren mit endlosen emotional aufgeladenen, langatmig daherkommenden Bildern und sich zudem ganz auf 2 Schauspieler und eine streng lineare Handlung ohne großes Bohei zu beschränken. Es ist wirklich wahr: George Clooney und Sandra Bullock sind die einzigen Menschen, die in dem Film jemals ihr Gesicht bewegen müssen, nur zu Beginn sieht man ein Crewmitglied von hinten, bei allen weiteren Einstellungen gibt es allenfalls noch Leichen von anderen Menschen zu sehen.

Die Story ist schnell erzählt (Spoileralarm): Altgedienter Astronauten-Hase und unerfahrene Wissenschaftlerin reparieren gemeinsam das Hubble-Teleskop. Eine Trümmerwolke aus versehentlich zerstörten Satelliten trifft die Crew völlig unvorbereitet und lässt o.g. Hauptfiguren alleine mit einem defekten Shuttle im All zurück, die Kommunikation ist ebenso ausgefallen. Mittels JetPak schaffen sie es zur ISS, die jedoch ebenfalls zerstört ist. Die eigentlich von den beiden zur Rückkehr vorgesehenen Sojus-Kapsel ist bereits beschädigt und würde eine Landung nicht überstehen. Zu allem Unglück muss sich an dieser Stelle George Clooney auch noch melancholisch dreinblickend opfern, damit seine Kollegin es schafft. Mit einigem Hin und Her schafft sie es, mit der Sojus von der ISS zu einer chinesischen Raumstation zu gelangen, die allerdings ebenfalls kaputt und im Absturz begriffen ist. In deren Rettungskapsel gelingt dann die Landung auf der Erde.

Und ob man es glaubt oder nicht: Ja, das lässt sich spannend filmisch umsetzen.

Neben all der Action, die die in je 90 Minuten wiederkehrende Trümmerwolke bei der Flucht zurück auf die Erde verursacht, ist der Film vor allem ein Kammerspiel mit Sandra Bullock, deren Rolle in lebensfeindlicher Umgebung ihren Lebenswillen wieder entdecken muss. An der Stelle muss ich allerdings ein kleines Minus vergeben. Denn obwohl am Schauspiel eigentlich nichts auszusetzen ist: Für eine derart filmbestimmende Hauptrolle war die Figur doch recht oberflächlich und platt angelegt. Es hätte dem Film gut gestanden, dort noch ein wenig mehr in die Tiefe zu gehen. Raum dafür war in mehrfacher Hinsicht.

Aber ich bin nicht mehr 16, mir wird vom Film nicht nur die Hauptdarstellerin im Gedächtnis bleiben. 😉

Auch wenn just die Hauptgeschichte (das dichte Trümmerfeld, die seltsam nahe beieinander liegenden Weltraumeinrichtungen) es ad absurdum führt, vermittelt der Film doch sehr überzeugend, was für ein unglaubliches Abenteuer der Weltraum noch heute ist, und welche Weite schon nicht einmal 1000 Kilometer über der Erdoberfläche herrscht. Neben der wahnsinnig subtilen Komik in einigen Situationen, die sich überraschend gut einpasst in das völlig unkomische Gesamtkonzept, hat mich vor allem auch die Umsetzung der Action fasziniert. Als die ISS durch die Trümmerwolke in ihre Bestandteile zerlegt wird, stand mir vermutlich das erste mal seit der legendären Eingangshallen-Schießerei in „Matrix“ der Mund offen. Das war so ein „BÄM! DAS ist Kunst! Nimm dies, van Gogh!“-Moment.

Darüber hinaus sei noch erwähnt, dass der Film abgesehen von den paar dramaturgisch notwendigen Kniffen tatsächlich verdammt nah an einer potenziell möglichen Realität arbeitet. Wer sich nicht zu gut mit ein paar grundliegenden Details auskennt, sollte den Film vielleicht sehen, bevor er die oben verlinkte Rezension liest. Allen anderen, die sich für den Film überhaupt inhaltlich und konzeptmäßig interessieren, wird es nicht einmal extrem wehtun, wenn sie den Ausgang des Ganzen kennen. Den kannte man bei „Apollo 13“ schließlich auch …

Im Ernst: Für mich war es ein toller Film und ich würde ihn weiterempfehlen. Aber ganz ehrlich – wirklich nur fürs Kino!

4 Comments

Filed under Vermischtes

4 Responses to Gesehen: Gravity

  1. elder taxidriver

    Techn. HInweis:
    Meine Frau ( ‚Du mit Deinem Sash‘..) möchte den Film auch sehen. Ich habe
    ihr das hier ausgedruckt.

  2. Ich ging nach den Vorberichtern mit NULL Erwartungen ins Kino und kam vollständig begeistert raus. Sicher, die wissenschaftlichen Fakten mögen teilweise nicht korrekt dargestellt werden, aber wir reden hier immer noch über einen fiktionalen Film, da müssen die nicht stimmen. Und wissenschaftlich präziser als „Armageddon“ oder „Star Trek“ war „Gravity“ allemal. 😉
    Die schauspielerische Leistung von Sandra Bullock fand ich persönlich absolut überzeugend, gerade wenn man die Schwiergkeit bedenkt, daß sie ja den größten Teil des Films quasi Monologe führen musste.
    Deinem Schlußsatz schließe ich mich an: nur für’s Kino! Selbst auf einem sehr großen TV-Gerät kämen die grandiosen Bilder aus der Weite des Alls nicht angemessen rüber.

  3. @elder taxidriver:
    Na dann hoffe ich doch, sie findet Gefallen daran. Gerne mit Grüßen. 🙂

    @Alexander:
    Nein, stimmen „muss“ gar nix. Mangelnde Plausibilität wirkt sich aber auf diejenigen Betrachter aus, die es besser wissen. Wenn im Film jemand bloggen würde und seine Texte z.B. mit MS Word hochladen, würde mich das ein wenig stören. Deswegen – und gerade, weil der Film es bewusst so genau nimmt an anderer Stelle – hab ich das erwähnt.
    Schauspielerisch fand ich’s auch super, mir ging es mehr um den Inhalt. Mehr als dass ihr Kind tot ist, erfährt man eigentlich nicht. Da wäre Platz für eine Ausarbeitung gewesen. Aber das ist alles Kritik auf verdammt hohem Niveau, ich will den Film nicht schlechtreden.
    Und das mit dem Kino ist einfach mal Tatsache. 🙂

  4. elder taxidriver

    elder taxidriver zu s. Frau:
    ‚ich hab’s noch nicht gelesen, war ganz gut?‘
    Frau: ‚War sehr gut‘.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert