Yeaahh!

Vier kleine Worte haben gereicht, um die inländische Medienlandschaft zumindest ansatzweise umzugraben: „Und alle so: Yeaahh“

Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendein Leser meines Blogs noch nicht über diese Worte gestolpert ist in den letzten Tagen, aber das ist wieder mal so ein Thema, von dem ich die Finger nicht lassen kann. Falls der ein oder andere doch noch nicht wissen sollte, worum es geht, fange ich mal ganz von vorne an:

Seit der Geburt des Internets, und mehr noch seit der langsamen Etablierung des sogenannten Web 2.0, sind immer mal wieder Memen aufgetaucht. Memen sind, um den etwas arg theoretischen Wikipedia-Artikel zusammenzufassen  Informationseinheiten, die in einem gewissen Kontext Verbreitung finden. Zumeist handelt es sich hierbei um schlicht witzige Dinge, und wer sich die nicht uninteressante Liste von Internet-Memen (englisch) durchsieht, wird feststellen, dass er das ein oder andere Video oder Bild kennt und vielleicht selber mal kommentiert, beworben oder weitergeschickt hat. Ist ja auch erstmal egal, ob es dazu einen Namen gibt oder nicht.

Naja, die „Yeaahh“-Geschichte:

Es war wohl in Hamburg, als ein Unbekannter (der sich jetzt wahrscheinlich in den Arsch beisst, weil er de facto eine Sachbeschädigung begangen hat und sich damit wohl kaum noch melden können wird) ein CDU-Plakat „verschönerte“, indem er hinter die markigen Worte „DIE KANZLERIN KOMMT“ eben folgendes schrieb:

„Und alle so: Yeaahh“

Das fand ein anderer (nehme ich zumindest mal an) so witzig, dass er es fotografierte und bei Flickr online stellte. Ab da schlug das Web 2.0 zu: Das Bild wurde weiterverbreitet, ging über Nerdcore zu Spreeblick, wo es auch umgehend zu einem eigenen Song verarbeitet wurde. Den Rücksprung in die reale Welt schaffte die Geschichte dann wiederrum in Hamburg, wo bei einer Rede von Angela Merkel während einer Art Flashmob auch zu den unsinnigsten Sätzen wiederholt und laut „Yeaahh“ gerufen wurde. Im Netz selbst bloggte nun auch Lukas von coffeeandtv.de über die Sache und steuerte einen eigenen Song bei, und nun verselbstständigen sich auch die Flashmobs, sodass nach Hamburg Mainz und Wuppertal an der Reihe waren und der Abschluss wohl an diesem Samstag bei der Kundgebung hier in Berlin stattfinden wird. Dass ein Wahlkampfauftritt mal gestört oder kreativ mitgestaltet wird, ist nicht zu selten – wovon insbesondere Kleinparteien schärferen Profils sicher ein Lied singen können. Diese „Yeaahh“-Geschichte aber schaffte es immerhin bis in die Tagesthemen und ist meines Erachtens nach fast schon eine neue Dimension dieser Form der Vernetzung.

Der sicher nicht unkritisch gedachte Kommentar auf dem Wahlplakat führt nun über zig Umwege tatsächlich zu einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne, in die sich noch dazu alles reininterpretieren lässt, außer einer Unterstützung für die Union.

Anhänger der Piratenpartei greifen das Geschehen als Thema für sich auf, und Angela Merkel reagiert (zumindest laut den Tagesthemen) immerhin mit der nötigen Coolness und spricht von „meinen Freunden aus dem Internet“, was aber bei aller verständlichen Klippenumschiffung in diesem Fall nur einmal mehr die Unwählbarkeit dieser Frau zeigt. Jemand, der immer noch glaubt, es gebe „das Internet“, das – trotz dieses eindeutigen Gegenbeweises – scheinbar nichts mit der restlichen Welt zu tun hat, gehört nicht auf irgendeine Bühne der Zeitgeschichte in diesem Jahrzehnt! Und schon gar nicht auf eine des nächsten…

Im Übrigen ein schöner Anlass, hier noch mal eine 28minütige Berg- und Talfahrt in Form eines haarsträubenden und zugleich irre komischen „Gesprächs“ zwischen Schumacher, Tiedje und Lobo zu verlinken, die mich letzte Woche an meinem Verstand zweifeln ließ, weil hier nicht nur das Internet plötzlich eine einzelne Gruppe ist, sondern diese auch noch von Sascha Lobo regiert sein soll, was ich bei allem Respekt für seine sprachlich gewandten Konter in diesem Gespräch und gewissen tragbaren Grundeinstellungen für eine ganz und gar nicht gute Idee halten würde.

Die Diskussion darüber, ob man auch mit ganz offensichtlich (und nicht nur unterschwellig wie immer) sinnlosen Phrasen Wahlkampf betreiben oder mitgestalten sollte, ist sicher schon in vollem Gange, auch wenn ich das nicht sicher sagen kann, da mir die inzwischen 45.600 Google-Ergebnisse zu „und alle so yeaahh“ ein wenig zu viel zum Durchlesen waren.

Und diese Fragen sind natürlich berechtigt, da die Bundestagswahl – bei allen Kritikpunkten an ihrer Praxis oder gar ihres Sinns – zur Zeit zumindest die wichtigste Form der politischen Mitbestimmung in diesem Land ist. Darf man hier einen auf gaga machen?

Meine Meinung dazu ist eindeutig: Ja!

Denn selbst die Kommunikation einer ablehnenden Haltung ist immer noch ein politisches Statement, und dass auch ein gewisser Humor immer seinen Platz in der Politik gehabt hat, ist nicht  zu verleugnen. Klar stösst das dem einen oder anderen bitter auf, aber andere würden sich sonst gar nicht für Politik interessieren, und das einzig traurige ist, dass am Ende dieser erheiternden Episode deutscher Wahlkampfidiotie wahrscheinlich wieder das Internet für die Verflachung des Niveaus herhalten muss, obwohl hier nur Inhalte transportiert werden, die nach wie vor von Menschen aus Fleisch und Blut erschaffen, diskutiert und auch aufgenommen werden.

Und wenn ich so über meinen Artikel zum Brief von Frank-Walter Steinmeier nachdenke:

„Und alle so: Yeaahh“ hätte als Kommentar eigentlich völlig gereicht.

21 Comments

Filed under Medien, Politik, Vermischtes

21 Responses to Yeaahh!

  1. Stimmt das: Die Kanzlerin kommt morgen in die Arena in Treptow? Äh, was werden alle so sagen?

  2. @Klaus:
    Scheinbar… ich hatte mich ehrlich gesagt gar nicht erkundigt, wo Merkel genau hinkommen will. Das ist eh nicht meine Uhrzeit…

    Äh!? Ich meine: Yeaahh! 🙂

  3. Also ich arbeite morgen um die Uhrzeit. Vielleicht krieg ich ja ’ne Fahrt in die Eichenstraße … 😉

  4. @Klaus:
    Ich weiss jetzt nicht, ob ich mich wirklich darauf freuen würde…

  5. Stell Dir vor, der Pofalla steigt bei mir ein und alle so…

  6. Leini

    Yeaahh 😀

  7. Aro

    Für eine Fahrt vom Kupfergraben zur Eichen würde ich sie aber noch nicht wählen.

  8. Michael

    Klaus :Stell Dir vor, der Pofalla steigt bei mir ein und alle so…

    Den würde ich fragen, ob er noch alle Tassen im Schrank hat.
    Der fand es wunderbar, daß im Hunsrück noch Mittelstreckenraketen stationiert sind. Die würden ja die pakistanischen Raketen abschrecken. Naja, wenn ich mir das recht überlege, muss ja wohl stimmen. Oder habt Ihr schon mal eine hierherfliegen sehen?

  9. @Klaus:
    Na gut, vielleicht wird es ja doch… YEAAHH!

  10. @Leini:
    Du hast das Rätsel von Klaus gelöst! Juhu! Schade, dass Klaus bei seinen Rätseln nie Gewinne verspricht 😉

  11. @Aro:
    Ich bin da auch ganz froh über das Wahlgeheimnis… denn auch wenn ich meiner einen Stimme nicht unbedingt unglaubliches zusprechen würde, aber auch Heiligensee – Schönefeld wäre keine CDU-Stimme wert…

  12. @Michael:
    Der Ansatz stimmt hundertprozentig. Ihr könnt auch alle froh sein, dass ich mich jeden Morgen am Sack kratze, und so dafür sorge, dass Deutschland von den Abermillionen rosa Elefanten verschont bleibt!!! Echt jetzt! 😀

  13. Klasse. Einfach nur klasse! 😀

  14. Von der gestrigen Recherche inspiriert, bin ich heute tatsächlich mal so um Zwei rum in der Eichenstr. vorbeigefahren. Und man glaubt es nicht, sogar eine Fahrt zum Brandenburger Tor abgestaubt. Und ich so…

  15. Mi-Go

    Und alle SO: Jeaaaahhh… 😀

    Die geschichte beweist mal wieder das man nicht irre sein MUSS um in Deutschland leben zu können… Aber es hilft unheimlich.

  16. @Paramantus:
    Und sowas vor einer Wahl…

  17. @Klaus:
    Das ist ja schonmal nicht schlecht. Oder um es anders zu sagen:
    Yeaahh! 😉

  18. @Mi-Go:
    Hihi, du hast Deutschland gesagt. Hihi! Gnupf! Hihi!
    Äh, was meintest du gleich? Hihi! 🙂

  19. Mi-Go

    Nu Ja… Ich bezweifle mal das man hier in good old D-Land ohne eine gesunde Portion Irrsinn (es mag da regionale Schwankungen geben. Nich wahr Sash 😉 ) überleben kann… Wofür diese Geschichte (für mich) mal wieder ein Klasse Beispiel ist.

    So frei nach dem Motto: Sind wir nicht alle ein bisschen: Jeaaaahhh.

  20. @Mi-Go:
    Ich stimme definitiv zu 🙂

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