Verstrahlungsoptimierung

Ich weiß nicht, wie sich meine Leserschaft so aufteilt, aber ich vermute, es lesen doch einige hier mit, die wie ich im Westen der Republik ihren Ursprung haben. Und denen muss ich jetzt unbedingt mal was von meinem letzten Besuch in der Röntgenklinik erzählen. Ich weiß nicht, ob die ganzen „Ärztehäuser“ und „Gesundheitszentren“ und wie sie alle heißen, ausschließlich – und vor allem immer noch – eine reine Ost-Geschichte sind, aber zumindest ich kannte das so aus Stuttgart bisher nicht.

Hier sind nämlich (neben den durchaus auch verbreiteten Einzelpraxen) Ärzte oft noch gemeinsam untergebracht. In extra dafür errichteten Gebäuden sind mindestens fünf, meist jedoch eher zehn verschiedene Praxen verschiedener Fachbereiche untergebracht. Und – so zumindest mein Gefühl – die Praxen selbst sind oftmals erschreckend effizient organisiert, allerdings natürlich auf Kosten der Individualität. Würde mich also nicht wundern, wenn das wirklich zu 100% ein Erbe des realgescheiterten Sozialismus‘ wäre.

Trotz z.B. eklatantem Ärztemangel bei uns in Marzahn hab ich bei einer von meiner Ärztin empfohlenen Radiologie am Telefon schnell mal erfahren, dass ich „gerne jetzt gleich“ vorbeikommen könnte. Ohne Termin. Klar, Wartezeiten gibt es, aber so Fälle wie meine Zahnärztin, bei der die nie über 20 Minuten (an sehr schlechten Tagen) rausgeht, sind wohl bundesweit selten. Insbesondere für Kassenpatienten. 😉

Nun ja, ich musste mich nochmal röntgen lassen – die Sache mit dem Pleuraerguss neulich. Nachkontrolle, was halt so anfällt. Ich hab bei der Praxis vorher angerufen, weil ich wissen wollte, wann die Auslastung – und damit die Wartezeiten – möglichst gering wäre. Die Wahl fiel auf den nächsten Mittag und ich wurde nicht enttäuscht: Um 11:57 Uhr hab ich den Laden betreten, um 12:27 Uhr war ich wieder draußen.

Die Handhabung des Ganzen allerdings war mir dennoch fremd, denn tatsächlich wurden den Leuten beim Aufrufen immer ohne nähere Information eine Kabine zugewiesen. Die waren dann, wie ich schnell feststellte, auch leicht auffindbar. Und ja: Anstatt nun in einem Behandlungszimmer zu landen, stand man in einer von ungefähr fünf parallelen Kabinen, die an eine Schwimmbadumkleide erinnerten. Eine Bank, ein Kleiderbügel, ein Spiegel. Davor ein kleines Schild, das zum Entkleiden aufforderte. Das war’s. Ein Quadratmeter. All die Kabinen führten in einen Röntgenraum, und in diesen wurden nach und nach die Patienten ohne großen Pathos der Reihe nach geschleust. Da bereits bei der Anmeldung geklärt war, was wo genau durchleuchtet werden muss, reichte nun eine Helferin, die mal eben in zwei Minuten alles abgehandelt hat. Mit einer Präzision, die ihresgleichen sucht.

Beeindruckend fand ich beispielsweise, wie innerhalb von ca. 6 Sekunden folgende Geräuschkulisse die Aufnahme an sich begleitete:

„So. Luft anhalten.“ Klick. Klick. Klick. „Weiteratmen.“

Die Klicklaute, alle drei keine Sekunde auseinander, waren:

Klick 1: Die Assistentin verlässt den Röntgenbereich und schließt die Tür.
Klick 2: Das Bild wird angefertigt.
Klick 3: Die Assistentin öffnet die Tür und betritt den Raum wieder.

Das ist fraglos unpersönlich und wird sicher von vielen auch störenderweise so empfunden. Ich persönlich mag das. Ich noch nicht alt genug, um des netten Gesprächs wegen zum Arzt zu gehen und ich bin pragmatisch veranlagt. Mir kommt das also sehr entgegen.

Aber – und der Seitenhieb muss sein! – das Problem an solchen Systemen ist, dass sie auf den Mittelwert hin optimiert werden. Irgendwelche Ausnahmen machen da schnell „Ärger“. In meinem Fall war das wie üblich meine Größe. Natürlich wurde ich vor der Aufnahme ordnungsgemäß an die Wand gestellt und die Kamera entsprechend ausgerichtet. Nach dem ersten von eigentlich zwei Bildern kam die Assistentin dann aber doch kopfschüttelnd wieder rein und raunte:

„Nee, das müssen wir nochmal machen. Das war jetzt doch etwas tief. Sie sind ja aber auch groß!“

Dennoch: Auch wenn man mit Strahlenmehrbelastungen nicht scherzen sollte: Das ist mir dann doch lieber, als nach vier Wochen Anmeldezeit drei Stunden im Wartezimmer zu verbringen.

5 Comments

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5 Responses to Verstrahlungsoptimierung

  1. Eardy

    Also Ärztehäuser sind hier im Bonn-Koblenzer Berreich nicht selten, allerdings erscheinen sie mir lange nicht so effizient und verzahnt wie bei euch. Allerdings bin ich auch nicht gut dafür geeigntet das zu beurteilen, bin ich doch vielleicht alle 10 Jahre einmal beim Arzt ^^

  2. Wahlberliner

    Ja, oft sind bei diesen Ärztehäusern auch gleich noch Apotheken, Krankengymnastikpraxen und was weiß ich noch alles dabei. Sehr praktisch. Wobei das einzige, was ich als „Ostbegriff“ dafür kenne, das Wort „Polyklinik“ ist.
    Auch in der westdeutschen Kleinstadt aus der ich komme gibt es ein paar solcher Ärztehäuser – da sind dann zwar eher nur 3 oder 4 Arztpraxen drin, aber die Häuser insgesamt auch kleiner. Und miteinander vernetzt gibts da auch nicht, jeder macht halt sein eigenes Ding, und wenns zu einem anderen Arzt weiter geht, kann das durchaus auch einer am anderen Ende der Stadt sein, wo sie Dich hinschicken.

  3. arno.nyhm

    das mit den x Umkleidekabinen und dem fixen Röntgen kenne ich aber auch so mit fixer und präziser Fließband-Arbeit

  4. egal

    Nennt sich hier „Überörtliche radiologische Gemeinschaftspraxis“ und ist im Ruhrgebiet häufig anzutreffen. Vor ein paar Monaten hatte ich das Vergnügen.
    Am Empfang sitzen drei Personen, eine davon nimmt mit Headset Anrufe an und wenn keine Anrufe da sind, bedient sie die Leute in der Schlange mit.
    Die machen von Röntgen über CT und MRT alles mögliche. Und ja, dort gibt es auch die Schwimmbad-Kabinen zum entkleiden, zumindest bei den Fließband-Untersuchungen. Röntgen geht nunmal schnell. Ich habe damals eine speziellere Untersuchung mit Kontrastmittel bekommen, dann liegt man da noch 5 Minuten usw. Da gab es nur zwei Kabinen, die haben nur alle 20 oder 30 Minuten einen neuen Patienten.

    Die sind alle recht schnell, aber nie wirklich gehetzt oder genervt, wenn jemand doch mal 1 Minute länger braucht. Ein freundliches „Guten Morgen“ mit einer kompetenten Erklärung, wie die Untersuchung abläuft und ein abschließendes „Haben Sie noch Fragen?“ und alles ist gut.

  5. Polikliniken, wie man das nennt, sollen, habe Ich mir sagen lassen, hier im Osten tatsächlich sehr viel mehr verbreitet gewesen sein sollen, hab Ich mir sagen lassen.

    Was für ein Satz?!?

    Aber stimmt, Ich kenne das vom Westen drüben auch nicht umbedingt so.

    Grüße aus Dresden

    Philipp

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