Gefahr, Gefahr!

Ich weiss, dass in „meiner“ Straßenbahn – der M6 – vor einiger Zeit ein Übergriff stattgefunden hat. Wie sollte es mir auch entgehen, wo ich zwar die Boulevardblätter meide, aber die Polizeipressemeldungen abonniert habe?

Dass die BVG Sicherheitspersonal einsetzt, ist mir also ebenso wenig unbekannt wie auch die Tatsache, dass man selbiges so gut wie nie antrifft. Ich kenne die Fürs und die Widers bei all der Debatte um die Sicherheit in diesem Land und ich bin immer noch dagegen.
Ich weiss: Es passiert eine Menge Scheisse in diesem Land, eine Menge Scheisse in Berlin, und wenn in unserem Haus Windeln aus dem Fenster geschmissen werden, dann darf man davon ausgehen, dass auch in Marzahn eine Menge Scheisse passiert.

Aber Sicherheit schränkt ein.

Gewiss: Es ist eine Gratwanderung, und die Menschen bewerten es unterschiedlich. Aber ebenso wie der ein oder andere unter uns „unbegründet“ Angst hat, fühlen sich andere „unbegründet“ eingeengt.

Mir ist das heute einmal mehr bewusst geworden. Ich hab meine Schicht beendet und mir zur Feier des Wochenendes einmal mehr ein Feierabendbier an der Tanke geholt. Ich trinke gerne ein Bier in der Bahn auf dem Heimweg, und bei der geschätzten Zuschauerzahl von etwa 4 Leuten sollte ich damit auch nicht unangemessene Werbung für den Alkoholkonsum machen. Aber das ist natürlich kein Grund, die Hunde zurückzupfeifen:

Zwei Stationen nach mir stiegen 2 Sicherheitsleute „im Auftrag der BVG“ ein. Ich muss ihnen das eigentlich Selbstverständliche zu gute halten: Sie haben nichts gemacht.
ABER: Sie haben die Situation in der Bahn kurz überschaut und dabei festgestellt, dass da ein 2-Meter-Brecher mit Bierflasche sitzt und sich zielstrebig sowohl neben, als auch hinter mich gesetzt. Da mich die Evolution noch nicht mit Augen im Hinterkopf ausgestattet hat, kann ich es nur vermuten, aber ich meine: Ja, sie haben geschaut, was ich mit meinem Smartphone so alles anstelle.

Und das ist zum Kotzen!

Keine Frage: In einer brenzligen Situation bin ich froh im den ein oder anderen „professionellen“ Helfer. Aber es kann nicht sein, dass zahllose Menschen tagein tagaus mehr oder weniger bespitzelt werden, nur weil sie vielleicht gerade nicht ins Klischee der braven Überwacher passen! Zumal diese Profis den Anschein erweckt haben, sie seien auch eher notleidende Hartz4-ler als ausgebildetes Personal. Ob sie also in einer Gefahrensituation hilfreich gewesen wären, wer weiss?

Ich möchte an dieser Stelle mal anmerken, dass ich auch schon als „Sicherheitspersonal“ für Banken Überweisungsanlagen transportiert habe, zwar schick mit Hemd und quasi Uniform, dafür aber null ausgebildet oder auch nur irgendwie anders ausgestattet als der Rest der Menschheit – und nein, ein Führungszeugnis braucht man auch nicht bei jeder dieser Tätigkeiten…

Ich akzeptiere, dass es eine gewisse Infrastrukur für Sicherheit geben sollte. Aber muss ich als normaler Mensch deswegen auf eine ungestörte Bahnfahrt verzichten? Sicher, man kann diese Frage mit ja beantworten – man sollte sich aber klarmachen, dass Menschen wie ich erst deswegen zu einem Sicherheitsrisiko werden könnten…

7 Comments

Filed under Politik

7 Responses to Gefahr, Gefahr!

  1. Matthias

    Gegenfrage: Glaubst du, dass du als „2-Meter-Brecher“ die richtige Person bist, um über vermeintlich überzogene Sicherheitsmaßnahmen in öffentlichen Verkehrsmitteln herzuziehen?

    Zugegeben, vom Foto her würde ich dich als Bahnnutzer nicht als Bedrohung empfinden, auch wenn du mit nem Bier in der Ecke sitzt, vor allem, wenn du auf deinem Smartphone rumdrückst.

    Aber ich hab trotz 1,90 m schon genug Scheiße in öffentlichen Verkehrsmitteln erlebt, um
    a) mir sofort, als ich es mir leisten konnte, ein Auto zu kaufen und fast nur noch damit unterwegs zu sein, auch wenn es irre viel kostet (dafür bin ich immer 50-80% schneller und weiß genau, was ich daran hab, wenn ich alle halbe Jahre mal doch mit der S-Bahn zu einem Event im parkplatzlosesten Zentrum fahre)
    b) jede Art von Sicherheitsverbesserungen, auch wenn sie zu einem großen Teil nur „gefühlt“ sein mögen (vgl. dein Seitenhieb „Hartzer“ als Sicherheits“beamte“) zu begrüßen
    denn mir lieb gewonnene Menschen sind immer noch teilweise allein und zu später Stunde in Bus und Bahn unterwegs.

    Also, entspann dich. Immerhin warst DU ja nie besser in der Bahn geschützt als zu diesem Zeitpunkt, oder? Dein letzter Satz zeigt aber wiederum, dass sie mit ihrer Einschätzung scheinbar doch nicht so falsch lagen. Wer sich wegen der Anwesenheit von Sicherheitspersonal provoziert fühlt, hat in meiner Gedankenwelt irgendwo ein Problem.

  2. @Mattias:
    Mir geht es nicht darum, dass man ein paar Sicherheitsleute irgendwo abstellt. Das ist hier und da sinnvoll, ok. Und ja, natürlich ist es deren Aufgabe, zu schauen, wo es Probleme gibt.
    Dazu brauchen sie mir aber nicht über die Schulter zu schielen und mich einkreisen.
    Es ist bewundernswert, dass dich sowas nicht nerven würde, bzw. du bereit bist, das für gefühlte Sicherheit in Kauf zu nehmen. Aber es gibt eben auch noch andere. Ich bin sicher in vielen anderen Punkten eine Runde gelassener, insofern denke ich nicht, dass ich ein gesondertes Problem habe.

  3. Hallo Sash, ich kann deinen Ärger volll verstehen. Mich würde es auch reizen, wenn irgendwelche „Sicherheitsleute“ mich, wenn ich da harmlos sitze und mein Bier trinke, einigeln und mir über die Schulter sehen würden, was ich da so mache, welches Buch ich lese oder mit wem ich gerade per Handy telefoniere. Das ist einfach belästigend, so geht man nicht mit Menschen um…

    Sicherheitspersonal – da habe ich überhaupt ein gespaltenes Verhältnis zu. Befindet sich ein Typ im Wagen, der gefährlich aussieht, bin ich zwar froh, dass sie da sind, aber ansonsten…Eigentlich habe ich vor denen auch Angst.

    Was mich bestürzt, ist, dass die schreibst, dass Sicherheitspersonal, egal ob bei Banken oder im Kontrolldienst bei U-und S-Bahn kein polizeiliches Führungszeugnis beibringen müssen. Das finde ich unglaublich.

    Lauert da nicht eine neue Gefahr, nämlich die, dass sich dann unter dem „Sicherheitspersonal“ irgendwelche kriminellen Schläger befinden? Schliesslich liest man auch häufig von Übergriffen seitens des „Sicherheitspersonals…

  4. @Sica:
    Um Gottes Willen, ich will nicht behaupten, dass man nirgends ein Führungszeugnis braucht! Aber man braucht eben nicht überall eines. Außerdem sorgt ein Führungszeugnis genauso wenig für totale Sicherheit wie dieses Personal.
    Ich weiss ja, dass ich hier als weißer Mann mit 2 Metern, 150 kg und Bart keine Angst haben muss und dass das ein Vorteil ist, den nicht viele haben. Ich möchte deswegen auch nicht die Sicherheitsbedenken vollständig in Misskredit bringen. Hauptsächlich geht es mir um den (wenn auch oft eher subtilen) „Machtmissbrauch“. Warum setzen die sich in einer leeren Bahn nicht einfach wohin, wo sie einen Überblick haben? Meinetwegen auch auf mich.
    Aber nein: Ich hab die Uniform und ich bin wichtig und ich darf alles!
    Leider stimmt das zum Teil – und ganz sicher bezüglich der Platzwahl, denn natürlich kann ich nicht verlangen, einen freien Sitzplatz irgendwo um mich rum zu haben. Aber es war in der Situation, in der leeren Bahn, einfach nur eine Machtdemonstration. Und ganz egal, ob ich jetzt gefährlich bin oder nicht, sonderlich nett (oder auch nur hilfreich) ist das einfach nicht.

  5. Daniel

    Dass dich diese spezielle Situation genervt hat: Vollstes Verständnis, wäre wohl jedem so gegangen.

    Ist doch begrüßenswert, wenn in den öffentlichen mehr Sicherheitspersonal mitfährt. Gerade in Berlin ist doch so viel passiert.
    Als Aussenstehender würde ich mich nach den ganzen Medienberichten gar nicht mehr trauen, da nachts mit den Öffentlichen zu fahren (Hei, ist ja eigentlich gut für dein Geschäft wenn ein paar mehr Leute auch so denken…).

    Deswegen bin ich für Videoüberwachung und mehr Personal. Gerade durch ersteres hat man doch bei den letzten Vorfällen die Täter erst gekriegt.

    Wie gesagt, beim Thema „Amtsmißbrauch“ stimmt ich dir zu. Aber bei der Allgemeinen Ansicht Freiheit / vs. Sicherheit nicht.

    Übrigens in der Hinsicht kannst du froh sein, nicht mehr in deiner alten Heimat zu leben. Hier hättest du um die Uhrzeit nichtmal mehr ein Bier an der Tanke gekriegt – Stichtwort nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol (und das ist ein Einschnitt in die Freiheit, der selbst mir zu weit geht…).

  6. @Daniel:
    Naja, dass wir da nicht einer Meinung sind, wissen wir ja 🙂
    Absolute Sicherheit geht nicht und deswegen zieht jeder seine eigene Grenze bei der Frage „Sicherheit oder Freiheit?“
    Das müssen wir wohl beide akzeptieren.

    Aber immerhin fahre ich Taxi. Es sind in den letzten zwei Jahren wahrscheinlich mehr Taxifahrer als BVG-Kunden bei Angriffen verletzt worden, obwohl es wesentlich mehr der letzteren gibt…

  7. Matthias

    Na ja, sie könnten sich natürlich irgendwo hinsetzen und dich als „verdächtige Person“ beobachten, bis du aussteigst, evtl. verfolgen… oder sie setzen sich kurz zu dir, schauen, ob du auf deinem Smartphone Kant liest oder die Bombenbauanleitung von Mullah Omar persönlich und wissen dann, was sie davon zu halten haben. Aber hinter die Stirn kann ihnen natürlich keiner gucken.

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