Mein halber erster Mai…

Na super!
Jetzt hab ich hier im Blog großspurig angekündigt, über den ersten Mai in Berlin zu schreiben, und dann kann ich es eigentlich nicht. Das ist irgendwie schade. Ich wollte da niemanden verprellen, aber ich hab es mir auch nicht ganz ausgesucht.
Ich bin mit Ozie pünktlich um kurz nach 16 Uhr aus dem Haus gegangen, um auch ja nicht den – sicher pünktlichen (*g*) – Abmarsch der revolutionären Demo zu verpassen. Wir sind dann doch von der Warschauer Straße aus zum Kottbusser Tor gelaufen, da die U-Bahn etwas maximalfrequentiert war. Das gemütliche Schlendern durch Kreuzberg war aber eigentlich ok, zwischendurch habe ich fast schon angenommen, die Demo startet wo anders, weil am Görlitzer Bahnhof oder in der Oranienstraße (teils wegen des Myfests) tausende von Menschen auf der Straße waren. Am Kottbusser Tor angekommen, machte sich fast ein wenig Langeweile breit, weil auf der Versammlungsfläche dank Konzis so viel los war, dass wir – eigentlich nur auf die Demo wartend – nicht groß Lust verspürten, uns so mitten unters Volk zu mischen. Wir haben auf der Insel im Kreisverkehr unter der U-Bahn gewartet und die ersten zaghaften Versuchungen der Polizei, den Kreisel zu sperren, begutachtet. Dabei gab es hier und da einiges zu lachen, weil das Absperren mit einer Koordination einherging, die auch halbierte Grottenolme unter Narkose ähnlich zustandegebracht hätten.
Ich hab innerlich einen Gutteil der Zeit mit Feiern verbracht, weil es einfach zu schön ist, zu beobachten, was passiert, wenn sich irritierte Autofahrer von hinten einer Absperrung nähern, wie manche dabei gegen die Fahrtrichtung fahren und versuchen, unauffällig zu sein, und natürlich, wie Busfahrer bei der dritten Anfahrt aufs Kottbusser Tor eine Pause von einer halben Stunde einlegen müssen.
Weitere Vermutungen: Ich sehe immer noch aus wie ein Zivicop, orangene Roller sind extrem kontrollgefährdet, das Filmen von Passanten ist inzwischen legal und Polizisten können nur begrenzte Gebiete logisch erfassen.
Ozie ging es leider nicht so gut, ihr Magen hat sie nicht in Ruhe gelassen, was natürlich unsere Stimmung ein wenig getrübt hat. Mit lediglich einer Stunde Verspätung setzte sich die Demo in Bewegung, und das war dann der Zeitpunkt, an dem meine Kamera einmal mehr den Geist aufgegeben hat. Super Timing!
Die Demo war angemessen groß (keine Ahnung wie viele, aber es war beizeiten eng auf der Straße), aber leider auch nicht besonders lautstark. Lediglich der Lauti selbst hat mit guter Musik für ein wenig Stimmung – aber weniger kämpferische – gesorgt. Was ich ein wenig abartig fand, das war nach etwa 100 Metern Wegstrecke das, was ich irgendwie nur „Pressetermin“ nennen kann. Die Demo stand 10 Minuten mehr oder minder und hat sich von allen Seiten ablichten lassen. Öffentlichkeitsarbeit schön und gut, aber irgendwie wollte ja eigentlich eh niemand auf die Fotos, und es sollte allen klar gewesen sein, dass – wenn auch nur ein Kind einen Kieselstein wirft – niemand mehr Interesse an diesen Bildern haben wird, weil es dann „bessere“ gibt. Also wozu Fotoshootings?
Die Demo selbst war von der Route her meines Erachtens (hab ja keine Vergleichsmöglichkeiten) ok, die Stimmung aber irgendwie etwas verhalten. Theoretisch müssten wir noch in der Demo, bzw. in der Nähe gewesen sein, als der Polizeipräsident seine „Gucken wir mal nach den Jungs“-Nummer abbrechen musste, weil die Jungs nun nach ihm geguckt haben. Allerdings ging es Ozie mitlerweile so schlecht, dass wir beschlossen haben, zum Klinikum am Urban zu latschen, dass recht unweit des Kotti liegt.
Um den Weg auch sicher zu finden, haben wir eine Krankenwagenbesatzung nach dem Weg gefragt, die uns astrein in die Richtige Richtung gelotst haben. Sie fanden es vermutlich ein wenig seltsam, dass jemand nach der Klinik fragt, und dann selber läuft. Aber die werden noch ihre Einsätze gehabt haben, da bin ich mir sicher.
In der Klinik ging es nach der Anmeldung in den Wartebereich, und dort haben wir dann eine Stunde verbracht. Es war also etwa 23 Uhr, als Ozie dann in den sicheren Bereich durfte. Von nun an warteten wir getrennt und ich hatte so Gelegenheit, einige interessante Bilder aus dem Krankenhaus mitzunehmen. Nach einiger Zeit kamen nämlich einige Leute an, und da war alles dabei, was man so erwarten kann: Verletzte Linke von der Randale, verletzte Männer von ihren Sauftouren, verletzte Polizisten nach der Randale, Angehörige, die sich das Feiern auch in der Rettungsstelle nicht verbieten lassen, und zwischendurch der ein oder andere Mensch, der das Glück hatte, just an dem Tag krank zu werden, als Herrentag und erster Mai zusammenfielen und das Pech, dass niemand ihn in ein Krankenhaus außerhalb Kreuzbergs bringen konnte.
So wie Ozie.
Aber die Auswahl an Leuten war beeindruckend. Das Krankenhauspersonal war zwar am Rödeln, aber natürlich völlig überfordert. Es war fast halb zwei, als ich nach einer verschenkten (Schmerz-)Tablette, endlos viel Blut, Zusammenbrüchen und gewagten Sozialexperimenten in Form gemeinsamer Gespräche zu Ozie konnte, wo es dann – genau anders herum – etwas zu ruhig zuging.
Was ich alles an Kopfverletzungen gesehen habe an dem Abend reicht mir für einen Eindruck vom Ärger in der Stadt. Zu denken gegeben hat mir (als zugegeben etwas skeptischer Linker), dass nur ein einziger Polizist in dieses (immerhin nächste) Klinikum gebracht worden schien, dass er nicht warten musste, dass die Kollegen sofort zu ihm durften, dass sie das Ganze nach eigenen Aussagen „etwas beschleunigen“ wollen…
Ich denke, wir müssen hier schon von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft reden.
Aber wie dem auch sei: Ozie ging es bald etwas besser, was sicher auch an der üppigen Dosierung von Schmerzmitteln lag. Eine Gastritis also, warum nicht? Wahrscheinlich besser als Platzwunden.
Zur Heimfahrt haben wir uns dann ein Taxi genommen. War irgendwie komisch für mich. War das erste und wahrscheinlich einzige Mal, dass ich während der Ausbildung selber Gast in einem Taxi war. Der Fahrer war nett, hab mich mit ihm über die Prüfung unterhalten und was die Rechnung anging, war er vorblidlich, wie man es nur sein kann.
Gegenüber hab ich mich noch mit Döner und Zubehör (Lahmacun) ausgestattet, und so war das Essen immerhin ein würdiger Abschluss.

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