Monthly Archives: September 2015

Diese Spielzeuggeschichte

Wir müssen reden. Über Spielzeuge. Und zwar die von bei Ärzten.

Vielleicht bin ich da mit meinem inneren Monk alleine, aber in den letzten Jahren war ich vermehrt entsetzt über die Spielzeuge in Arztpraxen. Nicht unbedingt, weil es mir selbst an Unterhaltung gefehlt hätte und ich mich auf Lego-Starwars-Bausätze gefreut hatte, während ich mir im Wartezimmer langsam aber sicher die unterschiedlichen Grippeviren von drei Rentnern einverleibt habe – sondern viel mehr, weil das innere Kind in mir tobte und sich fragte, wer bitte auf die groteske Idee kommen könnte, ein derartiges Angebot würde eher erfreuen als erschrecken.

OK, mir ist schon klar, dass das kein Gebiet ist, auf dem man überkritisch sein sollte oder auch nur dürfte. Arztpraxen sind keine Kindergärten und das Spielzeug dort ist allenfalls eine nette Dreingabe und von der Sache her keine Kassenleistung. Einem geschenkten Gaul …

Das ist natürlich richtig. Aber wie kann es sein, dass das Spielzeug in Arztpraxen gefühlt immer nach völlig derangierter Resterampe aussieht? Ich will ja nicht zur Debatte stellen, dass Ärzte grundsätzlich immer das aktuellste Playmobil-Ritterburg-Set komplett bereithalten sollen. Bei meinem Zahnarzt zu Kindertagen war es aber immerhin eine Schublade voll mit Bauklötzen, aus denen man immerhin mal was bauen konnte. Heute dominieren zumindest bei meinen Ärzten völlig grotesk zusammengewürfelte Sortimente aus Dingen, die zusammen zu verwenden mich selbst im Alter von 4 Jahren etliche Überwindung gekostet hätten. Siehe hier bei meiner (sonst gern empfohlenen) Zahnärztin:

So schlecht, dass es schon wieder Kunst ist. Quelle: Sash

So schlecht, dass es schon wieder Kunst ist. Quelle: Sash

Mal abgesehen davon, dass ein Sound produzierendes Instrument im Wartezimmer vermutlich gegen mehrere Menschenrechte verstößt, sei insbesondere darauf hingewiesen, dass der Zug im Vergleich zum Feuerwehrauto unglaubwürdig anders designt ist und dass – auf dem Bild nicht zu erkennen – bei dem Holzpuzzle Teile beiliegen, die nicht dort hinein passen, sondern irgendwoanders herkommen.

Ich halte mich für einen halbwegs kreativen Menschen, aber der Anblick gruselt mich und als Kind hätte ich wohl vorschnell versucht, eines dieser Dinge mit der nächsten Fensterscheibe interagieren zu lassen, weil mir sonst nix sinnvolles eingefallen wäre.

Liebe Ärzte da draußen: Ich weiß, dass das nur der hunderttausendste Nebenaspekt eurer Arbeit ist. Aber ich habe den starken Verdacht, dass auch das traumaauslösend sein könnte. Also bitte ändert was daran!

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Das Leben, die Mondfinsternis und der ganze Rest …

Es gibt so Tage, da geht gar nix. Heute nacht zum Beispiel. Die Arbeit hat mich runtergezogen, obwohl eigentlich nix schlimmes passiert war. Ja, es war wenig los – aber das erklärt nicht, wieso mir jede Minute Warten so derart aufs Gemüt geschlagen hat. Ja, ich kränkel‘ noch leicht vor mich hin, fühle mich irgendwie gestresst, aber so wirklich der depressive Typ bin ich ja eigentlich auch nicht.

Trotzdem kam mir jede fucking Minute auf der Straße wie eine Stunde vor. Jede Ampel, jede Lenkbewegung eine ewige Qual! Kunden kamen mir ohnehin nicht viele in die Quere, aber die paar, die ich hatte, hab ich zwar gut behandelt, am Ende aber geradezu mit Freude wieder in die Freiheit entlassen. Obwohl sie allesamt ausgesprochen nett waren.

Ich kenne das ja. Das passiert all Halbjahr mal, vermutlich eine kleine Nebenwirkung vom Dienstleisterspielen. Insgesamt nix schlimmes, nervt aber halt, wenn es gerade mal wieder akut ist.

Zu viel gekommen bin ich also nicht, mein Geldbeutel jammert extrem laut gerade. Aber Geld ist nicht alles, und so hab ich das Auto dann doch schnell abgestellt. Und dann war glücklicherweise Mondfinsternis.

Mein Faible für Astronomie kennt Ihr inzwischen alle, es sollte die wenigsten verwundern, dass ich sowas schön finde. Aber Mondfinsternisse sind zudem ja auch gelebte Entschleunigung. Während man bei einer Sonnenfinsternis für ein paar Minuten genau am richtigen Ort auf der Erde sein muss, kann man so eine Mondfinsternis von überall betrachten und sie dauert insgesamt locker ein paar Stunden. Hach.

Ein wenig gehetzt hab ich mich zwischenzeitlich, weil ich dachte, ich könne noch ein paar gute Bilder machen (hat leider nicht geklappt – wie zur Hölle hab ich damals dieses Bild geschossen?), aber am Ende hab ich mir einfach hier vor der Haustüre in Marzahn ein paar Minuten genommen, die freier als frei waren, und zugesehen, wie die letzte schmale Sichel gleißenden Sonnenlichtes von unserem Erdtrabanten verschwand und nur eine matt glutrot leuchtende Ahnung des derzeitigen Vollmondes am Himmel übrig blieb.

Da wo andere eine Auszeit vom Internet nehmen, in die Südsee fahren oder Zwiegespräche mit ihren imaginären Freunden (aka Götter) führen, hat mir einmal mehr ein Blick in den Himmel gereicht. Mir ist klar, dass eine Mondfinsternis nur ein eigentlich reichlich einfallsloses Schattenspiel des Universums ist, aber das hat heute nacht nichts daran geändert, dass ich es toll fand, es genau jetzt und hier anschauen zu können. Ich halte mich nicht unbedingt für einen Naturromantiker, aber neben all der Hektik des Alltags auch mal genießen zu können, was für beeindruckende Schauspiele diese Welt bereithält, möchte ich nie verlernen.

Ich habe das Glück, in einer Gesellschaft geboren zu sein, die mir bezüglich erreichter Ziele nur wenige Grenzen auferelegt. Ich könnte weit mehr Wohlstand ansammeln, als ich mir gerade vorstellen kann. Geld, Macht, alles nur eine Frage der Hartnäckigkeit, der Skrupellosigkeit, ja, natürlich auch des Glücks. Aber egal ob ich Taxifahrer bleibe, ein paar gute Bücher schreibe oder einfach was ganz anderes mache: Die Möglichkeiten, Mondfinsternisse zu beobachten, bewegen sich in einem sehr engen Rahmen. Und ich bin sehr froh, zumindest diese eine mitgenommen zu haben.

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Chance statt #Grenzkontrollen

Spätestens seit Deutschland nun die Grenzen zu Österreich wieder kontrolliert anstatt als humanitäre Sofortmaßnahme die Flüchtlinge aus Ungarn einfach einreisen zu lassen, wird auch wieder vermehrt genickt, wenn gesagt wird: „Naja, alle können wir ja auch nicht nehmen …“

Zwiespältige Sache. Denn dass auch die anderen europäischen Länder mal Menschlichkeit vor Angst setzen sollten, steht außer Frage. Und dass derzeit die chronisch unterfinanzierte staatliche Koordination von Asylanträgen ins Stocken gerät, ist natürlich auch wahr. Das sieht man ja tagtäglich, da muss man nur mal zu einer Erstaufnahmestelle fahren.

Warum aber diese aktuelle Situation herhalten muss, um künftige Horrorszenarien zu kultivieren, ist doch sehr fraglich.

Natürlich kostet das ganze Prozedere erst einmal Geld. Wow, welch Erkenntnis! Das tut aber alles, was irgendwo passiert. Von kleinsten Dingen wie der Tatsache, dass ich als Taxifahrer zu irgendeiner Halte fahre und dort den Einstiegspreis kassiere, bis hin zu gewaltigen Unternehmungen wie den Bewerbungen auf olympische Spiele oder der Rettung von Banken. Und ja, ebenso wie bei der Aufnahme von Flüchtlingen weiß man nicht, ob man am Ende auch ganz sicher im Plus landet oder ob das nur ein Wunschtraum war. Aber in Anbetracht der Tatache, dass es bei Refugees nicht nur um eine Prestigehandlung sondern zudem ums Retten von Menschenleben geht, sollte man vielleicht mal die Prioritätenliste wieder neu sortieren. Ich hab’s schon oft angesprochen, und es gilt auch hier: Wie viel besser als zur Unterstützung unterstützenswerter Menschen will ich meine Steuern bitte eingesetzt sehen?

Eigentlich war es das auch schon, aber natürlich sind da viele Vorbehalte von anderer Seite – und ich möchte an der Stelle mal klarmachen, dass die sich ALLE auf rassistische Annahmen stützen. Alle! Selbst wenn wir von der selbstgefälligen Unterteilung in Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge mal absehen:

Wie abwertend muss man auf eine Gruppe Menschen schauen, um ihnen im Ganzen oder zumindest überwiegend völlige Blödheit oder Boshaftigkeit vorzuwerfen?

Und darum geht es doch: Wenn davon schwadroniert wird, dass „die“ ja nur kommen, „um es hier besser zu haben“ (aka Wirtschaftsflüchtlinge), dann gehört schon eine Menge Böswilligkeit dazu, um dabei ernsthaft an ALG2 zu denken. Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert: Wer sich trotz potenzieller Lebensgefahr auf eine Reise von tausenden Kilometern macht, wird wohl kaum nach dem Googeln der Höhe des ALG-Satzes aufgehört haben, sich sein Land aus ca. 150 möglichen Zielen auszuwählen. Man würde von jedem Deutschen, der (jetzt mal faktenfrei fabuliert) nach Kasachstan auswandert, weil man dort für 20 € im Monat eine Wohnung mieten kann, erwarten, dass er auch die dortigen Gehälter kennt, um das in Relation zu setzen. Aber Flüchtlinge, die Deutschland erreichen, kennen natürlich nur das eine und haben leuchtende Euro-Zeichen in den Augen, oder wie?
Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass selbst die, die hier als Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert werden, überwiegend ganz handfeste Träume haben? Zum Beispiel eine Ausbildung zum Mechatroniker zu machen, ein Restaurant zu eröffnen, Lehrer für ihre Muttersprache zu werden, etc. pp.?

Und selbst all die, die wirklich um ihr Leben fürchten: Warum sollten die sich dafür entscheiden, hier freiwillig auf niedrigstem Level zu leben?

Wenn wir schon überhaupt einen Raum für diesen ekligen Sozialdarwinismus bieten müssen, dann sollten wir doch festhalten, dass ohne Verhütungsmittel vögelnde Deutsche ein weit größeres Problem sind, weil deren Blagen erst einmal zwei Jahrzehnte lang Kindergeld kriegen, bevor sie irgendwas für die Gesellschaft tun. Und ich wette, spätestens hier wird auch ein paar „besorgten Bürgern“ bewusst, wie eklig diese Herangehensweise an sich schon ist. Aber da liegt das Problem: Das ganze Denkkonstrukt klappt nur, wenn man den Flüchtlingen grundsätzlich eine geringere Intelligenz oder mehr Boshaftigkeit unterstellt, als man es Deutschen tut.

Und jetzt mal zurück zu den Grenzkontrollen und dem Bedürfnis, Flüchtlinge abzuweisen:

Das ist nicht klug, ganz ehrlich. Da wäre schon der humanitäre Standpunkt: Deutschland als Land, das Milliarden in irgendwelche Banken stopfen kann, einfach um nicht ein paar Arbeitslose mehr zu haben, hat auch die Mittel, um (sehr sehr sehr) viele Flüchtlinge aufzunehmen. Selbst wenn das unseren Wohlstand schmälert – es wäre schon aus humanitären Gründen geboten. Wir haben im Gegensatz zu Refugees Luft nach unten. Selbst ich mit meinem Mindestlohnjob habe das. Es ist insgesamt aber sowieso mehr eine Frage der Verteilung, denn eine Frage der Gesamtmenge. Mal ganz abgesehen davon, dass Grenzkontrollen der deutschen Wirtschaft nicht sonderlich zuträglich sein werden auf Dauer.

Wenn man nicht blind rassistisch durch die Gegend rennt, sondern all den potenziellen Zuwanderern einfach mal die gleiche Cleverness wie uns unterstellt, dann liegt Deutschland zudem sicher nicht wegen des ALG2-Satzes auf der Wunschziel-Liste so weit oben, sondern weil es hier Sicherheit und damit Möglichkeiten gibt. Möglichkeiten, z.B. ein normales (hier gerne zu übersetzen mit „gutes deutsches“) Leben zu führen, gutes Geld für gute Arbeit zu kriegen, menschlich behandelt zu werden und frei von Angst zu sein, solange man selbst kein schlechter Mensch ist. Und wie bei uns ist es natürlich eine lustige Melange aus geschulten Facharbeitern, pädophilen Psychopathen, angehenden Lehrern, verblendeten Gläubigen, cleveren Strategen, harmlosen Spinnern, liebenswerten Künstlern, trauernden Witwen, wissbegierigen Schülern, randalierenden Säufern und aufopferungsvollen Müttern.

Menschen halt.

Da draußen existiert ein Haufen Menschen, der weit mehr Glauben in unseren Staat, unsere Demokratie, unser Verständnis der Welt setzt, als es ein Großteil von uns Deutschen selbst tut. Menschen, die für „unseren“ Way of Life ihr Leben riskieren und die mehr Opfer dafür gebracht haben, als jeder Heidenauer Patriot es je tun wird. Sie könnten verdammt wichtige Probleme unseres Landes (Pflegenotstand, Fachkräftemangel, anyone?) lösen, nebenbei endlich selbst ein menschenwertes Leben führen und uns, wenn wir nur zuhören wollen, zu ein bisschen mehr Internationalität verhelfen. Und sie kommen freiwillig, wir brauchen sie nicht anwerben, fürs Herkommen bezahlen oder sonstwie große Opfer bringen. Ja, wir müssen ein paar Euro in die Organisation und Verwaltung investieren. Das kommt uns derzeit absurd vor, weil wir ohnehin an dümmstmöglichen Stellen viel zu viel Geld in Organisation und Verwaltung gesteckt haben, ohne dass es nennenswert was gebracht hätte. Aber den Versuch sollte uns das wert sein.

Wie gesagt: Kann schon sein, dass das am Ende hier und da ein Minusgeschäft ist. Aber selbst wenn das so sein sollte, dann hätten wir doch wenigstens zigtausend Leuten geholfen. Und so ein ausnahmslos positives Fazit täte der jüngeren deutschen Vergangenheit ja auch mal gut – gerade, wenn man außer der Nationalität nicht viel hat, um sich gut zu fühlen.


Im Ernst: Überzeugten Rassisten kann ich nichts bieten, mein Niveau hat eine Untergrenze. Allen anderen würde ich empfehlen, mal ernsthaft darüber nachzudenken, inwiefern man diese „Krise“ nicht zu einer Cnance umwandeln könnte. Ich wette, das lohnt sich.

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