Monthly Archives: Juni 2015

Die Bundesjugendspieldebatte

Unglaublich, welchen Furor die Petition und der Blogeintrag von „Mama arbeitet“ alias Christine Finke gerade auslösen. Sie fordert als Mutter die Abschaffung der Bundesjugendspiele, weil sie unnötig demütigend und pädagogisch überholt seien. Neben viel Unterstützung bekommt Finke auch eine Menge Anfeindungen zu hören. Das ist erst einmal nicht so schlimm, schließlich kann man bei jedem Thema unterschiedlicher Meinung sein. Auf der anderen Seite sieht man dann doch recht deutlich, wie unterschiedlich die Argumente verteilt sind. Finke gegenüber werden viele pauschale Vorwürfe gemacht und nicht zuletzt wird sie auch persönlich angegriffen – während sie einfach nur die Negativaspekte der Bundesjugendspiele aufzählt und sie dadurch in Frage stellt. Und das ist doch erst einmal für sich ein wertvoller Diskussionsbeitrag.

Außerdem sehe ich sie durchaus im Recht. Es geht ihr ja auch ganz ausdrücklich nicht darum, dass Kinder keinen Sport machen sollen oder nicht auch mal verlieren lernen sollten. Und niemand hat gesagt, dass man Matheklausuren dann auch abschaffen sollte, weil Kinder dabei unterschiedlich abschneiden. Ebenso sind sportliche Wettkämpfe was tolles, um sich auszuprobieren, seine Fähigkeiten zu testen, etc. pp. Kann man alles machen, will niemand verbieten, ganz egal, was einem die eigenen Beißreflexe da einreden wollen.

Ich weiß recht wenig über die Bundesjugendspiele heute und meine Schulzeit liegt nun ja auch schon ein Weilchen zurück. Bei uns jedenfalls war es ungefähr so unsinnig wie möglich: Man musste in drei Disziplinen antreten: Rennen, Springen, Werfen. Fertig. Das wurde davor nicht gesondert trainiert, mit etwas Glück haben die Lehrer irgendwann in den letzten Wochen davor wirklich mal einen Tipp gegeben, wie man beim Weitsprung besser wird. Aber von der Sache her war das Glückspiel und Verlassen auf die körperliche Kondition. Ich hab während der ganzen Schulzeit z.B. nie die Chance bekommen, herauszufinden, wie viel Anlauf ich beim Weitsprung nehmen sollte. Da war ja eine Linie …

Nun ist es so: Mit schlechten Noten kenne ich mich aus. Hatte ich in allen Fächern schon. Ich hab jahrelange Erfahrung als Klassenschlechtester in Mathe und war zeitweilig sogar mit einem Lehrer gesegnet, der das gerne mal zynisch kommentiert hat. Aber die Bundesjugendspiele sind ein Spezialfall gewesen. Denn zum einen konnte ich mir selbst bei einer Matheklausur immer noch die Hoffnung machen, irgendwie auf die Lösung zu kommen. Und wenn nicht: Während des größten Stresses, der Klausur selbst, merkte das keiner.
Beim 100-Meter-Lauf hat jeder gesehen, wie langsam ich war. Nicht mal nur meine Klasse, auch der Deutschlehrer am Maßband beim Weitsprung, die Kumpels aus der Parallelklasse und nicht zuletzt die Süße aus der Elften, in die ich heimlich verknallt war. Zudem wusste ich das vorher. Ich musste extra zu einem Sportplatz am anderen Ende der Stadt fahren, obwohl mir vorher klar war, dass es nix bringt. Beim Laufen und Springen würde ich letzter bis vorletzter werden, und durch etwas mehr Kraft beim Werfen werde ich am Ende noch zwei andere hinter mir lassen. Das war in der vierten Klasse so und hat sich bis zur elften nicht geändert.

Das Ganze hat mir nix gebracht, wirklich. Obwohl ich bei aller Unsportlichkeit den Sportunterricht im Wesentlichen gemocht habe. Ich mochte Leichtathletik und Geräteturnen nicht, ok. Aber ich war ein guter Gewinner oder Verlierer bei Teamsportarten. Wo war da das pompöse Gedöns mit Unterschrift vom Bundespräsidenten? Und das Pendant dazu ist nicht eine Matheklausur, nein, wirklich nicht! Das Pendant ist ein Kurzgeschichten-Wettbewerb, verpflichtend für alle – inklusive Vorlesen der Geschichten in der Schulaula oder vielleicht auf dem Hof, eventuell sogar mit der Nachbarschule zusammen. Das dürfen sich die, die sich jetzt aufregen, weil sie Urkunden bei den Bundesjugendspielen gekriegt haben, mal überlegen.

Ich will ehrlich sein: Mich hat das nicht umgebracht. Ich hatte sogar vergleichsweise wenig Angst vor dem Event, weil ich wirklich sehr nette Klassenkameraden hatte und teilweise selbst unter den richtig guten Sportlern Unterstützung fand. Ein guter Freund, 4 Klassen schneller als ich, ist sogar mal freiwillig mir mir mitgelaufen, um mich zu motivieren und anzuspornen.

Trotzdem war das rückblickend einfach nur dumm und unsinnig demütigend.

Und etlichen ist es noch schlimmer ergangen. Siehe Christine Finke, der damals sogar unsinnigerweise vermittelt wurde, sie sei unsportlich.

Vielleicht hätte ich ja auch mehr Sport gemacht ohne solche Erfahrungen. Ich will das nicht behaupten, aber die Theorie drängt sich irgendwie auf.

Ebenso drängt sich abschließend die Frage auf: Sind die Positiverfahrungen der sportlicheren Kinder ebenso umfangreich, so bestimmend für ihre Schulzeit, so erinnerungswürdig? Ich habe meine Zweifel.

Dementsprechend hab ich die Petition einfach mal mitgezeichnet. Muss natürlich nicht jeder so halten wie ich – aber persönliche Anfeindungen der Petitionserstellerin sind ungeachtet dessen einfach mal nur völlig daneben!

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Neues Projekt

Oops, I did it again …

Ja, ich hab mal wieder ein neues Projekt gestartet. Ungeachtet allen Ungemachs, das neue Websites so mit sich bringen, habe ich einen neuen Blog gestartet. Und ja, auch auf die Gefahr hin, dass ich hier noch weniger schreibe. Dass Nischenblogs besser sein können als privates Tralala, beweist GNIT ja nun seit fast 5 Jahren ganz gut …

Worum geht es?

Wie die meisten von Euch Lesern inzwischen wissen, interessiere ich mich ja beileibe nicht nur fürs Taxifahren oder meinen Haushalt, sondern auch für einige andere Dinge. Ein großes Steckenpferd war und wird wohl auch immer sein: Die Wissenschaft. Nicht nur, dass ich Wissenschaft an sich ein spannendes Thema finde, ich hab mich im Laufe der Jahre auch in viele Themen eingelesen. Und ebenso sehr haben mich in all den Wissenschaftsblogs die Themen Pseudowissenschaft und Esoterik gestreift. Ich hab mich auseinandergesetzt mit Theorien der „Alternativmedizin“ und Perpetuum-Mobile-Erfindern. Darüber hinaus aber auch mit Verschwörungstheorien von der „Mondlandungslüge“ bis hin zu „Reichsbürgern“ und „Chemtrails“. Ich habe etliche hundert Stunden (!) damit verbracht, irrationale Überzeugungen zu hinterfragen, zu analysieren und zu kritisieren. Nur halt kaum öffentlich. Aber dank argumentresistenten Impfgegnern schwappt derzeit eine Masernwelle durch Berlin und ich finde keine verdammte Apotheke, die nicht der Hilfsreligion Homöopathie verfallen ist.
Natürlich bin ich auf keinem der Gebiete ein Professioneller – aber ich bin im weitesten Sinne professionell darin geworden, Argumente zu analysieren. Das tun zwar freilich auch schon einige andere, aber viele machen das sehr trocken und ausschließlich möglichst seriös, weniger spielerisch erzählend und hier und da auch mal unterhaltsam.
Und genau in die Kerbe möchte ich schlagen.

Auf there-is-no-spoon.de versuche ich, in kleinen Häppchen, möglichst publikumsgerecht und auch mal kleinteilig, abstruse Theorien auseinanderzunehmen und – wenn angebracht – auch mal darüber zu spotten.

„There is no spoon“ bezieht sich als Name natürlich auf den Film „Matrix“. Er ist gewollt doppel-doppeldeutig. Natürlich ist die Kernaussage von Matrix, dass sich hinter der oberflächlichen Welt eine weitere verbirgt. Andererseits beschreibt die Löffel-Szene auch eine typische Esoteriker-Geschichte: Obwohl die Welt eigentlich komplex und von den meisten unverstanden ist, mühen sich allerlei Gurus ab, mit billigen oberflächlichen Erklärungen Lösungen zu finden für Probleme, die so oft gar nicht existieren. Warum sollte man sich seine Aura reparieren lassen, wenn es sowas nicht gibt? Warum über Begründungen für die Wirksamkeit der Homöopathie sinnieren, wo sie doch eigentlich nicht einmal diese Wirksamkeit zeigt?

Ja, TINS ist auch ein wenig plakativ angelegt, keine Frage. Aber entgegen aller Kritik, die ich fraglos in der nächsten Zeit deswegen einstecken werden muss, geht es mir nicht um Dogmatik. Ich möchte mit der Seite zwar durchaus eine Bresche für die wissenschaftliche Weltanschauung schlagen, aber ich will auch transparent sein und Fehler meiner Denkweise zugeben. So gesehen ist das Projekt für mich ähnlich spannend, wie es das hoffentlich für Euch Leser ist – und ich hoffe, dass einige von Euch die Seite besuchen oder ihr sogar via Twitter oder Facebook folgen werden.

Kleine Anmerkung: Aufgrund der heiklen Themen wird es dort in den Kommentaren anders laufen als hier. Ich werde viel raussortieren, egal ob pro oder contra meiner Meinung, ich bin dieses Mal so frei, dort keine ellenlangen Diskussionen zuzulassen. Es ist eben was anderes als ein privates Plaudern dort, versteht das bitte!

Nun aber: Bühne frei für TINS:

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„Wir würden uns freuen“

Ich wurde mal wieder gefragt, ob ich nicht heute Abend schon mit meinem Taxi an Filmaufnahmen mitwirken will. Einfach so. Mehr Infos habe ich im Grunde nicht bekommen. Ich habe geantwortet, dass es leider nicht geht, dass ich einfach ein Auto meines Chefs nehme und damit mal eben einen auf Schauspieler mache. Mir wurde folgende Antwort zuteil:

„Hallo Sascha,
wir haben mit anderen Taxifahrern gefilmt und keinem haben wir gesagt 
dass sie kostenfrei für uns fahren. […]“

Daraufhin habe ich nun folgendes geschrieben:

„Hallo XY,

inzwischen hat sich das Thema wohl erledigt und ich hoffe, Ihr habt einen Kollegen gefunden, der Euch helfen konnte. Das würde mich sehr freuen.
Ich möchte nur nochmal kurz einen Hinweis geben, warum ich der Mail keine Priorität eingeräumt habe:
Ich mache als Blogger „was mit Medien“ wie Ihr. Und auf der anderen Seite arbeite ich als angestellter Taxifahrer. Da ich über meine Arbeit schreibe, werde ich oft gefunden, wenn Leute aus welchem Grund auch immer nach Taxifahrern suchen. Das ist ok, das mag ich auch. Erschreckenderweise hab ich bisher aber von fast allen Medienschaffenden eines mitbekommen: Sie versuchen, was sie auch kriegen können, irgendwie umsonst rauszuschlagen – obwohl allen klar sein dürfte, dass Dienstleistungen ihren Preis haben.
Versteh das bitte nicht falsch, ich weiß, dass Ihr ebenso wie ich aufs Geld schauen müsst. Und das ist ok. Aber vom kleinen Regionalradio bis zu Sendungen mit Joko fragen mich Leute einfach mal an, ob ich nicht mitmachen will. Aber wirklich niemand sagt wenigstens mal „die Auslagen übernehmen wir“. Es geht nicht drum, dass ich erwarte, dass ich durch ein paar Fernsehauftritte reich werde, ich bin nicht bescheuert, ich weiß, dass das ein hartes Business ist. Aber JEDES EINZELNE MAL hab ich nachfragen müssen, ob ich wenigstens die Unkosten gedeckt bekomme. Und nicht selten (Ja, auch bei einem Herrn Joko Winterscheidt im Auto) wurde mir gesagt, dass „dafür“ „leider kein Budget“ eingeplant ist. Und deswegen bin ich skeptisch und manchmal vielleicht ein wenig gemeiner als ich es eigentlich sein will.
Ich kenne beide Seiten: Ich publiziere und ich gehe als Angestellter einer Arbeit nach. Und ich hab das Gefühl, dass im erstgenannten Bereich keiner sich auch nur die Mühe macht zu überlegen, was zweiteres vielleicht für die Beteiligten bedeuten könnte: Wir arbeiten nicht, um zufällig mal als Statisten entdeckt zu werden, sondern um unseren Lebensunterhalt zu verdienen.
Egal, ob wir unsere Arbeit für Spätheimkehrer oder Filmemacher leisten.
Gerade der Taxitarif ist öffentlich einsehbar und berechenbar. Wenn die teilnehmenden Fahrer bezahlt werden, warum wird das nicht kommuniziert? Immer wenn Kreative mich anfragen, muss ich als Bittsteller auftreten und meinen eigentlich wohlverdienten Lohn erbetteln. Und das ist unglaublich stressig!
Fragt Ihr auch Eure Kameramänner einfach nur an, ob sie Lust auf das Projekt hätten? So ganz ohne Hinweis auf Entlohnung oder wenigstens Spesenübernahme?
Ich mag naiv sein, aber ich schätze: Nein.
Ganz ehrlich: Ändert das! Ändert dieses Kommunikationsverhalten!
Ich hab schon bei einigen Projekten mitgemacht, obwohl klar war, dass die Entlohnung gering oder quasi inexistent sein würde. Das ist ok; ich weiß, dass ich nicht als einziger aufs Geld schauen muss.
Aber egal ob als Blogger oder Taxifahrer – ich werde jeden Tag gefragt, was ich nicht alles machen würde. Umsonst, vielleicht umsonst, vielleicht gegen eine Aufwandsentschädigung, vielleicht für ein paar Euro, vielleicht für ein gutes Honorar. Aber nie wird das kommuniziert. Deswegen ignoriere ich solche Anfragen inzwischen eigentlich immer. Und eigentlich finde ich das selber schade, weil ich mich der Kunst und der Kultur nicht weniger verbunden fühle als meinem Geldbeutel. Ich mag’s nur nicht, wenn man mich verarschen will.

Wie gesagt: Ich hoffe, es haben sich interessierte Kollegen gefunden. Ich wünsche auch ganz ehrlich viel Glück mit dem Filmprojekt! Aber diese Gedanken musste ich einfach noch loswerden.“

Ich bin doch kein Depp, der 10.000 € dafür haben will, dass er einmal in eine Kamera grinst. Aber wie oft ich schon dieses „Komm einfach kurz mit deinem Taxi vorbei …“ gehört oder gelesen habe …

Im Übrigen trifft das auch auf Stellenanzeigen zu. „Lohn nach Vereinbarung“ … ja nee, is‘ klar!

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Blumen

„Blumen? Blumen sind bunt und sterben schnell. Damit wären sie hinreichend erklärt.“

– Ozie.

Wir sind wohl beide keine sonderlich überzeugten Blumenfreunde hier. Wobei ich anmerken möchte, dass ich Blumen deswegen nicht irgendwie schlimm finde – aber so unachtsam, wie ich meine gewohnte Umgebung betrachte, fallen mir Blumen im Haushalt meist erst nach dem Verwelken auf, was ihren Daseinszweck irgendwie einschränkt.

Nun aber hatte ich von einer Taxikundin eine schöne und reich dekorierte Schnittblume geschenkt bekommen. Irgendwas rosenartiges in rot und gelb. Ich sollte sie „meiner Freundin oder Frau“ schenken. Die Kundin selbst gab zu, sie im Laufe des Abends auch geschenkt bekommen zu haben („Ja, ich weiß, weiterverschenken … sowas macht man eigentlich nicht.“), nun aber wollte sie noch in eine weitere Kneipe, und da störe sie das Gestrüpp nur.

Ich tat wie mir geheißen, woraufhin sich das Gespräch entspann, aus dem obiges Zitat stammt. Noch viel wichtiger aber als dieses Zitat war ein dazugehöriger Gedanke von Ozie, den ich mal als Empfehlung weiterreichen möchte:

Schnittblumen sind kurzlebig in ihrer Schönheit und die Freude über sie ist im Normalfall zumindest begrenzt. Sind halt Blumen und keine Haushaltsroboter. Insofern ist es doch eigentlich eine tolle Idee, eine Blume während ihrer kurzen Restlebensdauer unter möglichst vielen Menschen hin- und herzureichen. So als Kettengeschenkblume oder so. Man könnte zumindest mal drüber nachdenken.

Vorzeitiges PS: Falls dieser Blogeintrag für das Aussterben des Floristenhandwerks gesorgt haben wird, werde ich mich rechtzeitig entschuldigt gehabt haben – versprochen!

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