Make good Art!

Manchmal passiert es mir, dass ich Dinge sehe, höre oder lese, die mich vor Erstaunen und Ehrfurcht erschaudern lassen. Wortwörtlich. Bilder, Musik, Sprache, ein paar Häppchen meist digitaler Darreichungsform, sorgen dann dafür, dass mich ein wohliger Schauder überkommt, sich meine Nackenhaare aufstellen und ich gefesselt bin vor Staunen. Manchmal sind es ausdrucksstarke Fotos oder innovative Songs, viel öfter allerdings ist es die Sprache. Im einfachsten Fall reicht ein Tweet von 140 Zeichen aus, um mich innerlich zu verneigen vor dem Verfasser, meist braucht es ein wenig mehr: Ein Buch, einen Blog, zumindest aber mal einen ganzen Text, und wenn es „nur“ ein Gedicht ist.

In dieser Aufzählung nicht vorgekommen ist bis jetzt immer die Rede. Reden sind zwar eigentlich dazu da, Menschen zu bewegen und die Geschichte ist reich an ihnen, mein persönlicher Kontakt zu dieser Kommunikations- und Kunstform beschränkte sich allerdings bislang eher auf die unschönen Beispiele uninspirierter Demo-Beiträge oder die kleinen Ansprachen zu Familien- oder Betriebsfeiern.

Auf meinen verschlungenen Pfaden durchs Internet bin ich dann neulich allerdings bei einer Rede gelandet, die gleichermaßen einen etwas seltsamen Anlass, dennoch einen Schnittpunkt mit dem Leben vieler Menschen hat: die inzwischen nicht zu Unrecht relativ bekannte Rede von Neil Gaiman vor den abgehenden Studenten der University of the Arts in diesem Frühjahr. Wer jetzt das große Fragezeichen auf der Stirn hat: Keine Panik! Ich kannte ihn vorher auch nicht. 😉

Auf jeden Fall hat der Autor eine Rede gehalten, die in Punkto Inspiration für Künstler alle Register zieht und die einfach nur das schwer zu übersetzende Prädikat „awesome“ verdient. Die Rede ist 20 Minuten lang und auf Englisch, aber ich kann sie jedem ans Herz legen. Auch ohne jedes einzelne Wort zu verstehen, ist sie einfach mitreißend. Wer also rudimentäre Englischkenntnisse hat und das Wort Kreativität nicht nur aus Buchstabierwettbewerben kennt, sollte sich die Zeit nehmen:

Eigentlich gäbe es genügend gute Ansatzpunkte, um sich mit dem Inhalt der Rede auseinanderzusetzen. In Anbetracht dessen, dass ich nach diesem zeitintensiven Video sicher nicht noch Millionen weit langweiligerer Zeichen nachzuschieben brauche, will ich nur kurz einen kleinen Nebenaspekt aufgreifen:

Gaiman sagt, dass sobald sich ein geringer Erfolg als Künstler einstellt, man das Gefühl hat, gerade mit irgendwas quasi unlauterem durchzukommen und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man entdeckt wird und der Traum damit aus ist. Dass diesen Gedanken auch andere haben, noch dazu wirklich erfolgreiche Menschen, hat mich in mich hineinkichernd hinterlassen, wohlwissend, dass das gleichermaßen ein reales Gefühl wie völliger Irrsinn ist.

Da sitzt man z.B. als Schreiberling da und hat einen Haufen halbwegs brauchbare Texte vor sich. In meinem Fall landet der Haufen dann recht schnell, höchstens ein bisschen verteilt, im Netz. Und mit der Zeit häufen sich die Komplimente für die Arbeit, für die Kreativität, für schöne Formulierungen und irgendwann kommen dann sogar Anfragen. Anfragen, ob man nicht im Radio was über sich erzählen will, ob man hier oder da mitarbeiten möchte. Ja, es kommen plötzlich sogar Leute an, die sich darüber freuen, wenn man sie auch nur in einem Nebensatz erwähnt.
Und was macht man in dem Moment als „Künstler“? Man sitzt da und denkt sich:

„WTF? Geile Scheiße! Aber irgendwann merken die, dass ich nix anderes mache, als an meinem Schreibtisch ein paar lustige Texte zu schreiben.“

Wer auch immer nur den leichtesten Draht zu irgendeiner Form von Kunst hat – ja, auch Blogger! Ja, auch Comiczeichner! Wir reden hier nicht ausschließlich von Nobelpreisliteratur, die man wahrscheinlich gar nicht am PC schreiben darf! – sollte sich die Rede von Gaiman einmal antun und sie auf sich wirken lassen! Ich bin mir sicher, dass viele danach ermutigt sind, genau das zu tun, was der Autor den Studenten in jeder noch so beschissenen Lebenslage empfiehlt:

Make good Art!

10 Comments

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10 Responses to Make good Art!

  1. Ja, die Rede ist großartig und motivierend. Und bestätigt mich in dem Punkt, den ich schon immer wusste: Wenn du etwas tust, mach es gut und habe Freude daran.

  2. @Der Maskierte:
    Ich finde es schön, wie er die Brücke schlägt zwischen den natürlich realen und ernsten Problemen, am Ende aber dabei bleibt, dass es das wert sei – siehe z.B. die Passage, als er übers Nur-fürs-Geld-Schreiben spricht.
    Ich weiß wirklich nicht, ob diese Rede in näherer Zeit überboten werden kann …

  3. Wie? Du schreibst einfach nur lsutige Texte am Schreibtisch? Das ist ja jetzt totaaaal enttäuschend! Ich habe dich und deine Machenschaften aufgedeckt, Sash!

  4. Anise

    Ich schätze Neil Gaiman als Autor, habe schon einiges von ihm gelesen.
    Die Rede höre ich mir nachher an, dazu brauche ich Ruhe.

  5. @ednong:
    Ich wusste, es würde passieren. Aber im Ernst, das Gefühl existiert 🙂

    @Anise:
    Dann nimm dir die Ruhe. Sie ist es wert!

  6. Okay. Das hat jetzt echt reingehaun. Ich muss dann auch mal schnell los. Ein paar Zeilen in mein Leergut einpfropfen.

  7. @Kontertanz:
    Ja, das haut rein. 🙂
    Aber „ein paar Zeilen in mein Leergut einpfropfen“? Das war mir neu 😀

  8. Also, wenn er davon spricht seine Flaschenpost ins Meer zu werfen, dann würde ich zumindest gern welche in knalligen Neonfarben benutzen. Die sind im Supermarktsortiment aber rar gesät, glaube ich. Da müssen es wohl ein paar schnöde Pullen Vitamindirektsaft auch tun.

  9. Ich glaube ernsthaft, ich muss mir dieses Video demnächst jeden Morgen reintun.

  10. @Kontertanz:
    Ich hab es die Tage auch einige Male gesehen, weil es einfach immer wieder flasht. Obwohl da nur dieser Typ steht und redet. Es ist echt Wahnsinn!

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