Wehmütiger Rückblick / Grundsatzgedanken

Keine Sorge, irgendwann lasse ich euch in Ruhe mit dem Gerichtsmist…

Aber es ist tatsächlich ein seltsames Gefühl, wenn sich sowas so ewig hinzieht und dann plötzlich vorbei ist. Bei Ozie und mir sind Erinnerungen wachgeworden ans Abi, ich hab auch an die Taxiprüfung oder an den Führerschein denken müssen. Man strengt sich bei etwas bestimmten extra an, es dauert ewig, bestimmt regelmäßig einen Großteil der Gedanken und irgendwann findet man sich damit ab, dass es so wohl irgendwie immer weitergeht. Ein Schuljahr folgte aufs nächste, eine vergurkte Ortskundeprüfung auf die andere, ebenso wie die Briefe vom Gericht.

Und dann auf einmal heisst es: Das war es! Fertig! Erfolgreich!

Die wichtigsten Zwischenschritte im Leben erfolgen manchmal mit der kühlsten Emotionslosigkeit. Meine Führerscheinprüfung habe ich nach ewigem Zittern und zwei kapitalen Fehlern zu Beginn nach einer Dreiviertelstunde (ich bin der Einzige in meinem Bekanntenkreis, bei dem die die Zeit ausgenutzt haben) mit dem Abstellen des Wagens beendet und der Prüfer meinte lapidar:

„Unterschreiben sie bitte hier, dass sie ihren Führerschein erhalten haben.“

Bei der Ortskundeprüfung klang das ähnlich. Das Wort „bestanden“ fiel nie. Mein Abi war eine Ausnahme, da waren die letzten Worte eines Prüfers:

„Mir scheint, sie waren sich nicht bewusst, dass sie sich vor einem Prüfungsausschuss des Abiturs befunden haben!“

Aber sei es drum. Vor Gericht – auch wenn das Verfahren natürlich nicht wirklich so wichtig wie Abi oder Taxischein war – das Gleiche: Es wurde zu Protokoll gegeben, dass die Gegenseite die Klage anerkennt. Blablabla. Kein Wort von Recht, von Gerechtigkeit, von Sieg oder Niederlage. Ein paar Sätze, ein paar Zahlen, der nächste bitte!

Es dauert eine Weile, bis man begreift, dass es das wirklich war. Klar, ein bisschen was haben wir noch vor uns. Wir werden uns wahrscheinlich noch im Kostenfestsetzungsverfahren ein wenig kabbeln, wie viele meiner außergerichtlichen Auslagen Dieter tragen muss. Aber da geht es nachher um 100 € hin oder her, nicht ernstlich um Recht und Gerechtigkeit.

Aber sonst ist es vorbei. Ich bin auch gefasst genug, um heute schon wieder zu meckern über das Ergebnis. Denn wenn ich die Wahl gehabt hätte, dann hätte ich gerne ein Urteil mit Begründung gehabt, eines, bei dem den beiden mal der Kopf gewaschen wird und bei dem ihnen klar wird, dass sie wirklich im Unrecht sind. Ein wenig frustrierend ist es schon, dass sie als arme Opfer einer total fiesen destruktiven WG aus dem Gerichtssaal gewatschelt sind und ja bloß angenommen haben, um den Schaden zu begrenzen.

Der Prozess an sich war ja nicht nur ein Streit ums Geld. Klar, vorrangig, und wirklich unzufrieden bin ich nicht. Die nicht erfolgte Demütigung der beiden ist mit den vorläufig grob geschätzten 1800 €, die irgendwann ihren Weg zu uns finden werden, ganz gut zu ertragen. Aber das Weltbild der beiden… da sieht es wirklich nicht gut aus.

Jetzt standen wir am Ende da und haben uns unter anderem darüber unterhalten, dass eine Duschtüre beschädigt war und der Schaden mit 76,16 € zu beziffern ist. Schon dreist eigentlich, zu erwarten, dass ich das ernst nehme. Ich habe diese Dusche mit der kaputten Türe dreieinhalb Jahre in diesem Zustand benutzt. Wie hoch ist der Geldwert dafür, ein halbes Jahr lang mit einer Taschenlampe durchs Treppenhaus zu gehen, weil das Licht abgeschaltet ist?

Ob die geschätzten 2000 bis 3000 €, die meinen Ex-Vermietern jetzt auf dem Konto fehlen werden, nachdem sie alle Rechnungen bezahlt haben, sie wirklich treffen, weiss ich nicht. Sie besitzen 2 Häuser, etliche Autos, aber sind wahrscheinlich auch hoch verschuldet. Keine Ahnung, wie sich dieser Prozess da auswirkt. Auf unser WG-Konto jedoch… holla die Waldfee!
Natürlich hab ich in all der Zeit auch viel über unsere Verfehlungen in der ganzen Sache nachgedacht. Natürlich haben wir als WG dort eine Menge Schäden angerichtet. Manches fällt unter die Kategorie „Normaler Verschleiss“, andere Dinge hätten wir sicher pfleglicher behandeln können. Das ist die Seite, die unsere Vermieter sehen. Dem gegenüber stehen nach meiner Rechnung 55.670 €, die wir im Laufe der Jahre gezahlt haben. Davon sind runde 10.000 € Nebenkosten gewesen, bleiben etwa 45.000 € Miete und eine Reparatur der Haustüre. Mir ist klar, dass da Unsummen an Steuern und sonstigen Abgaben, Rückzahlungen etc. abgeht, die nicht bei den beiden verblieben sind.

Aber was an Geld davon in die Wohnung zurückgeflossen ist, würde ich mit maximal 500 € an Materialwert beziffern und vielleicht nochmal 500 € an Arbeitszeit. Wenn man Dieters Arbeit (wie er es bei der Rechnung für die kaputte Türe gemacht hat) wie die seines Vaters mit 25 € pro Stunde berechnet und die seiner Söhne mit 15 €. Das war es! Davon abgesehen, dass ein paar von uns als Mieter bei der Renovierung zu Beginn wochenlang mitgearbeitet haben, und so Kleinigkeiten wie den Anstrich, das Verlegen des Küchenbodens und das Abschleifen von Holzböden gegen eine Verminderung der Kaution (also de facto für umme) unter der Anleitung der Vermieter zumindest teilweise selbst übernommen haben.

Die Vermieter-Interessenvertretungen schimpfen oftmals (es gab z.B. vor einem Jahr einen miesen Artikel im Spiegel über Mietnomaden), dass die Gesetze zu mieterfreundlich, bzw. vermieterfeindlich wären. Wir hatten hier natürlich auch Glück bezüglich der Verjährungsfristen und hätten es auch bezüglich der Schönheitsreparaturen gehabt. Aber ist das ungerecht? Ich meine, wir mögen keine vorbildlichen Mieter gewesen sein. Auch bei uns kam die Miete mal verspätet und zu laut waren wir auch oft. Aber unsere Vermieter waren definitiv die mit den revolutionäreren Rechtsauslegungen. Was sind die Rechte und Pflichten im Mieter- und Vermieter-Rechtsverhältnis? Und wer leidet im Streitfall am meisten. In erster Linie muss man als Mieter zahlen und darf als Vermieter kassieren. Das kann man jetzt toll finden oder nicht, Tatsache ist aber, dass der Vermieter zunächst einmal Wohnraum zur Verfügung stellen muss, der eine Bezahlung rechtfertigt. Miete ist doch keine gottgegebene Einnahmequelle mit null Gegenwert. Und als Mieter bezahle ich meinen Vermieter doch nicht dafür, dass einer seiner Vorfahren im Mittelalter mal ein Haus gebaut hat – sondern dafür, dass das Haus in dem Moment, für den ich Miete zahle, bewohnbar ist. Dass der Vermieter dabei seinen Gewinn abschöpft, das können wir gegenwärtig mal völlig in Ordnung finden – aber ohne Gegenleistung ist das eben nicht drin.
Und was die Bevorteilung angeht: Als Mieter insbesondere mit begrenztem Budget hat man nicht immer die Freiheit, mal eben zu sagen: Dann nicht! Wo hätten wir in Stuttgart mit 5 Leuten eine Bude gekriegt, die pro Person nur rund 200 € kostet?

Wir haben Dieter Geld geschenkt. Und zwar nicht zu knapp. Die Miete bewegte sich trotz minimaler Gegenleistung in einem Bereich, der im deutschen Gesetz die Grenze zwischen Mietpreisüberhöhung und Mietwucher markiert. Das ist der Übergang zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat. Nicht zwischen „Noch ok“ und „Vielleicht nicht so nett“.

Alleine weil ich das hier schreibe, könnte jeder auf Verdacht Dieter verklagen! Vielleicht mit mäßiger Aussicht auf Erfolg, weil es wirklich grenzwertig war, aber ich hätte ihm diese Klage gleich noch mit an den Hals hängen können. Aus purer Lust an der Freude! Ein Gutachter in diesen Wohnungen? Ey, sowas hat man selbst bei RTL bisher in den Assi-Dokus nicht gesehen!

Und ich habe es nicht getan. Teils aus Faulheit, teils weil ich mich nicht über stillschweigende Vereinbarungen hinwegsetzen möchte. Wir hatten unseren Spaß in der WG, und ja, wir hatten ihn auch mit Dieter und all seinen Unzulänglichkeiten! Ich weiss nicht, welche der beiden Geschichten ich irgendwann meinen Kindern erzählen werde. Die vom netten Vermieter, der nichts auf den Plan gekriegt hat – oder die von dem Assi, der uns ausgezogen hat, und dann mit Falschaussagen vor Gericht auch noch unsere letzten paar Cent haben wollte. Das werden wohl die nächsten Jahre zeigen.

Einen Dank muss ich allerdings an meine Ex-Vermieter richten:

Ich habe sehr viel gelernt bei diesem Verfahren und es tut meinem Ego so richtig gut, mich gegen einen professionellen Juristen alleine (also natürlich mit rund 80% Beteiligung von Ozie) durchgesetzt zu haben. Das Wissen, dass auch die große Justiz nur mit Wasser kocht und man bisweilen tatsächlich Recht kriegt, nur weil das Gesetz es will und nicht, weil man den besseren Anwalt hat (obwohl Ozie hier definitiv besser als der Profi der Gegenseite war), das ist wahrscheinlich unersetzlich.

Im Gegenzug ist es aber auch bedenklich, wie viele Lügen vor  Gericht möglich sind, ohne dass das geahndet wird. Traurig, ehrlich! Und so gesehen auch eine Lehre. Na gut, viel Geschwurbel um nichts. Abschließendes Fazit?

„Ooooooch, mein aaaaaarmer Vermieter!“

😉

19 Comments

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19 Responses to Wehmütiger Rückblick / Grundsatzgedanken

  1. „Im Gegenzug ist es aber auch bedenklich, wie viele Lügen vor Gericht möglich sind, ohne dass das geahndet wird. Traurig, ehrlich!“

    Meine vollste Zustimmung.

  2. @ednong:
    Ich meine, klar: Sie haben die Klage anerkannt. Keine Ahnung, ob die Richterin noch was gesagt hätte, wenn Behauptungen unhaltbar geworden wären.
    Ich kann mich damit rühmen, kein einziges Mal die Unwahrheit gesagt oder geschrieben zu haben.

  3. Ich könnte dir da von anderen Dingen berichten. Meinem Vermieter bspw. Aber nein, ich werd mich darüber nicht mehr aufregen. Kostet zuviel Energie.

  4. Und wieso bist du um die Zeit noch zu Haus. D spielt doch erst morgen 😉

  5. @ednong:
    Die Schlagkräftigkeit der bakteriellen Erdbewohner. Ich bin inzwischen auch krank. Ein bisschen zumindest.

  6. Oooooooooooooooooooooh, aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarmer Sash 😉

  7. @ednong:
    Vielen Dank für das Mitgefühl 😀

  8. Ich denke auch diese Medaille hat zwei Seiten, und je nachdem auf welcher Seite man steht, wenn man abgezockt wird, wünscht man sich als Mieter oder als Vermieter schärfere Gesetze.
    Und die wären alle nicht nötig, wenn Mieter einsehen, dass sie die Wohnung nur gemietet haben und sie pfleglich behandeln sollten und Mieter nicht nur scharf aufs Geld sind sondern dafür einen Gegenwert anbieten.

  9. @Anise:
    Klar, bei gegenseitiger Rücksichtnahme passiert sowas gar nicht. Aber natürlich haben wir uns auch nicht um Bohrlöcher geschert, als wir in der Küche aufpassen mussten, nicht in Splitter des Bodens zu treten oder an stromführende Kabel zu fassen.
    Und wenn unsere Vermieter sich nicht vier Jahre davor gedrückt hätten, mal in die Wohnung zu kommen, dann hätten sie auch zeitig genug gewusst, was da wo im Argen liegt.

  10. In so einer WG hab ich auch mal ein Jahr gehaust, aber glücklicherweise waren wir nicht die eigentlichen Mieter, daher haben wir uns auch nicht weiter darum gekümmert, wer für Schäden aufkommt, wobei wir keine verursacht haben, das war der Hauptmieter, und der wohnte da gar nicht mehr. Der hat dann leider auch irgendwann die Miete einbehalten, und wir drohten rauszufliegen, obwohl wir jeden Monat gezahlt hatten.
    Ist das ewig her, ich werde nostalgisch.

  11. @Anise:
    Ich meine, man kann ja auch nicht immer nur einstecken. Wir haben in einer Bude gelebt, die für die meisten vernünftigen Menschen zu verratzt und für die meisten unvernünftigen Menschen zu teuer war.
    Da werde ich am Ende nicht noch die Kaution aufgeben, weil sie sich dazu auch noch zu fein sind.
    Aber die Verhältnisse in deiner WG klingen auch abenteuerlich. Bei uns war es glücklicherweise nur eine Pro-Forma-Verantwortlichkeit. Die finanziellen Probleme waren immer Gemeinschaftssache und im Großen und Ganzen hat das auch funktioniert.

  12. Verstehe dich völlig. Was mich betrifft, eigentlich war das ne ganz lustige Zeit, wir waren chronisch pleite, haben uns von Knäckebrot mit Margarine ernährt, aber es gab tolle Partys, und ich hatte witzige Jobs.

  13. @Anise:
    Die krassen Pleite-Zeiten waren für Spaghetti-mit-Tomatensoße bekannt. Nudeln 19 Cent, Tomaten 25 cent, ein paar Gewürze, fertig 🙂
    Als wir das satt hatten, haben wir Thunfischdosen mit in die Soße geschmissen. Ich kann es immer noch nicht wieder sehen.
    Aber das waren Extreme! Durch 4 bis 6 Bewohner war immer jemand da, der der WG mal was auslegen konnte. Und dadurch, dass ja jeder irgendwas eingebracht hat, waren wir eine ziemlich luxuriöse WG, wenn man davon absieht, dass die jeweiligen Sachen nicht die besten waren. Gemangelt hat es eigentlich immer nur am Geld, und gelegentlich an gutem Essen. Sei es drum, missen möchte ich das nicht!

  14. Ja, bestimmte Sachen kann ich seitdem auch nicht mehr sehen, dazu gehört definitiv Bohneneintopf aus der Dose. Würg.
    Wir waren zu dritt, Geld hatte niemand, aber irgendwie hat es nicht wirklich gestört.
    Ich hatte ein richtig cooles Hochbett, und in der WG wohnten 4 Katzen und ein Hund, die haben besser gefuttert als wir, aber das war ok.

  15. @Anise:
    Haustiere hatten wir eigentlich nie. Bis auf die Mäuse im letzten Jahr. War aber bezüglich Ordnung und Sauberkeit wahrscheinlich auch besser so 🙂
    Ach, ich muss gerade an den virtuellen Wohnungsrundgang denken,den wir für die erste WG-Page gemacht haben…
    Den kann ich vielleicht sogar mal aus der Versenkung holen… hmm.

  16. Hund und Katze sind mir zugelaufen, die haben definitiv mich ausgesucht. Die Mieze lebt leider nicht mehr, aber der Hund liegt gerade auf meinen Füßen. Ansonsten bin ich im Tierschutz, da strandet ab und an mal was bei mir. Mit zwei Hunden, vier Meerschweinchen, Farb- und Vielzitzenmäusen und drei Aquarien liege ich da noch im unteren Durchschnitt. 😀

  17. @Anise:
    Ui, für „normale“ Menschen ist das aber doch recht heftig 😀

  18. Wer sagt, dass ich normal bin? 😀

  19. @Anise:
    OK, gewonnen 🙂

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