Freitag = Polizeitag (4)

Die wahrscheinlich haarsträubendste Polizeikontrollen-Geschichte meinerseits geht so:

Ich fahre mit dem Schwob ganz gemütlich von einer Behinderten-Tour zurück zum Headquarter unseres Arbeitgebers. Es ist Nachmittag, etwa 15 Uhr. Nach dieser Tour haben wir Mittagspause, und uns trennen noch rund 0,9 km vom Abstellplatz des Autos. Wir nähern uns langsam dem Olgaeck in Stuttgart und sind gut gelaunt.

Neben uns hält an der Ampel ein Polizeiwagen.

Nach ausreichenden Erfahrungen vorsichtig geworden, haben wir das registriert und haben uns so unauffällig wie möglich verhalten. Wahrscheinlich ging es in den Augen der Cops gar nicht, dass sich zwei Behindertenbusfahrer unter 25 – einer noch dazu mit langen Haaren – unauffällig verhalten. Die Ampel wurde grün, und da Stuttgart eine Vorliebe für stehenden Verkehr hat, standen wir keine 25 Meter weiter – nach dem Rechtsabbiegen – wieder vor einer roten Ampel.

Das Polizeifahrzeug ordnete sich hinter uns zum Linksabbiegen ein.

Der Schwob und ich begannen zu mutmaßen, dass sie uns anhalten würden, machten unsere Witze und freuten uns auf die Mittagspause. Ich bog vorbildlich links ab, hielt mich zu 100% an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Noch 600 Meter bis zur Mittagspause.

Wir passierten die Bushaltestelle am unteren Ende der Alexanderstraße und begannen den langen harten Weg den Berg hoch. Die Spannung im Auto war unerträglich. Mit Argusaugen beobachtete ich den Streifenwagen im Rückspiegel.

Wir lenkten in die sanfte Linkskurve ein, als die Spannung jäh zerrissen wurde:

„FAHRNSE RECHTS RAN!!!“

brüllte es in einer martialischen Lautstärke durch den gesamten Talkessel der Schwabenmetropole. Vögel stieben aus den Bäumen, Rentner drehten sich verwundert um, Anwohner drehten die Musik lauter und Sash fuhr rechts ran. Beide stiegen sie aus, einer steuerte auf meine Türe zu, der andere postierte sich beim Schwob auf der Beifahrerseite.

„Führerschein, Fahrzeugpapiere und Personalausweise.“

Ungeachtet des Fehlens mehrerer Satzbausteine schien es mir sinnig zu sein, nicht zu sagen

„Is vorhanden, schönen Tag noch!“

sondern kramte die Papiere – die ohnehin schon in Reichweite gebracht worden waren – hervor. Mit zackigen Schritten verschwand der Polizist zu seinem eigenen Fahrzeug, um die Dokumente zu überprüfen. Der andere versuchte sich inzwsichen recht erfolglos mit Smalltalk, was eine komische Komponente bekam, als der Schwob meinte:

„Das kann dauern, der kriegt jetzt sicher meine komplette Augsburg*-Akte durchgefunkt…“

Es ging um ein unglückliches Aufeinandertreffen des Schwobs mit ein paar Beamten während einer größeren Demonstration. Das Verfahren war zu diesem Zeitpunkt noch anhängig.

„Ach, hatten sie schon mal Kontakt zur Polizei?“

fragte der Grünbemützte scheinheilig interessiert.

„Ja…“

stöhnte der Schwob, den zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich lebhafte Erinnerungen an Fußtritte, Schlagstöcke und ein Seil plagten, bei dem die entsprechenden Beamten versucht haben, ihn sowohl darüber als auch darunter durchzuziehen.

„Drogen, oder?“

jubilierte der selbsternannte Profiler.

„Nee, hab ’nen Kollegen von ihnen angegriffen…“

resümmierte der Schwob trocken und ohne den Kopf zu heben. Der letzte witzige Part an dieser Kontrolle war der gesittete aber hektische Schritt des Polizisten zur Seite, um ausser Reichweite zu gelangen.

Dann ging es los.

„Aussteigen!“

Na gut.

„Haben sie irgendwelche Drogen genommen?“

„Nein.“

„Sind sie mit einem Test einverstanden?“

„Nicht wirklich, aber ich nehme an, dass wir ihnen sonst auf die Wache folgen müssen.“

Nun ist die Problematik an Drogen-Tests ja folgende: Alkohol kann man mittels Blasen nachweisen. Aber da die Cops stets vermuteten, ich würde kiffen, kamen sie natürlich auf diese Idee gar nicht. Also müssten wir pinkeln. Etwa eine Minute dauerte es, bis die Cops einen „geeigneten“ Hinterhof fanden, in den sie uns nacheinander unter Aufsicht führten, damit wir dort in einen Becher pinkeln können. Man kann sagen, was man will: Das ist entwürdigend.

Ich hab den beiden aber nicht die Freude gemacht, unter Parurasie zu leiden und eine gewisse Komik kann man der Situation ja nicht einmal absprechen. Ihr glaubt gar nicht, was einem für vielfältige Dinge durch den Kopf gehen, wenn man von einem Polizisten bewacht in einem Hinterhof in einen Becher pinkeln muss. Der Bull Polizist hat natürlich registriert, dass das nicht wirklich eine heitere Situation ist und hat mir mitfühlend versichert:

„Wenn sich jemand beschwert, keine Sorge, wir sind ja da!“

Als ob ich in diesem Moment ernstlich befürchtet hätte, dass sich eine schwäbische Oma beschwert, dass ich in ihrem Hinterhof meine Blase zu entleeren versuche. Im Gegenteil. Das hätte die Situation merklich aufgewertet 🙂

Der Schwob, der erst nach mir pinkeln musste, hatte indes ganz andere Sorgen, weil der Kollege des Pinkel-Partners in seiner Tasche eine Tablette gefunden hat.

Drogen! Extasty! Weltuntergang! Verhaftung! Panik!“

Genau genommen handelte es sich um eine Tablette gegen Heuschnupfen, die sich aus der Verpackung gelöst hatte. Aber wenn die Staatsmacht erst einmal ein Vergehen wittert…

Nebst dem Urin zweier Fahrer im Behindertenfahrdienst wurde nach dem Einpacken sämtlicher Körperteile auch die Tablette einem Schnelltest unterzogen. Amphetamine! Der Test sagte, es seien Amphetamine darin.

Der Schwob hat gleich angeboten, den Cops noch etwas Nachschub zu besorgen, er kenne da eine Apotheke… die Beamten waren not amused und erstatteten Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das BTMG. Dass wir beide sauber waren und der Schwob bereitwillig die Adresse seines Dealers, sowie die düsteren Vertriebskanäle seiner „Drogen“ offenlegte (ich sag nur „rezeptfrei“ – ganz böse!), half wenig.

So war unsere Mittagspause also eine halbe Stunde kürzer und der Schwob um eine völlig absurde Anzeige reicher. Selbstverständlich ist der ganze Quatsch später eingestellt worden – aber man kann es ja mal versuchen…

* Stadt geändert

9 Comments

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9 Responses to Freitag = Polizeitag (4)

  1. der Schwob

    *ggg* Aber obwohl es eingestellt ist, bekomme ich das neben Augsburg* immernoch zu hören. Aber was will man machen, wehren kann man sich dagegen ja nicht, ist ja gelöscht…

  2. Matthias

    War’s SHA?

  3. Hehe,
    wenns gelöscht ist, dürfte es doch nirgends mehr auftauchen. Theoretisch zumindestens.

    Und ich glaub, ich wäre beim Pinkeln vor Lachen zusammengebrochen. Oh man.

  4. der Schwob

    Nein es war nicht SHA..da hat es mich nie erwischt..glaube ich!

    @ednong: naja, das ist immer das Problem. Gelöscht und gelöscht, ist leider immer etwas verschiedenes. Wenn du deine platte löschst, kann man die ja auch wieder herstellen. Bei Polizeiakten scheint das ähnlich zu sein! Aber das ist in der Regel das kleinste Problem, bei PK´s

  5. blafoo

    Es geht noch besser:
    Am einem Sonntag Sonntag auf einer Heimfahrt von einem Open-Air Musik Festival wurde ich von der Polizei angehalten. Der Alkoholtest kam gar nicht zur Sprache, den hätte ich gerade noch gemacht.

    Ich wurde gleich (ohne Anfangsverdacht wie Fahrunsicherheiten o.ä.) aufgefordert einen Drogenschnelltest zu machen. Da mir die horrend hohen Fehlerraten der Geräte / Streifen bekannt sind und ein positiver Test automatisch eine MPU nach sich ziehen kann bei der dann die Beweislast umgekehrt wird (Verwaltungsrecht) und man haufenweise Kosten hat habe ich diesen verweigert. Mit genau dieser Begründung.

    Der Beamte war überrascht ob der Frechheit mit der jemand seine Grundrechte in Anspruch nahm und sich weigerte polizeilichen Anweisungen Folge zu leisten. Es folgten etliche Überredungsversuche, Vorführung beim Amtsarzt die an Hand von Finger-Finger und Finger-Nase Tests (die weder objektiv sind und von den meisten nicht mal nüchtern „bestanden“ werden) meine relative Fahrtüchtigkeit beurteilen wollte (was ich ebenfalls verweigerte). Natürlich wurde zwischenzeitlich auch noch mein Auto samt Gepäck von A-Z ergebnislos umgegraben.

    Dann kam nach einem letzten Versuch „an meine Vernunft zu apellieren“ vom Einsatzleiter die Anweisung zum obligatorische Aderlaß und dann die größte Frechheit: Mir wurde OHNE STICHHALTIGEN ANFANGSVERDACHT vom Einsatzleiter um 16h nachmittags die Weiterfahrt bis zum nächsten Morgen um 8h verboten mit der Begründung das meine Weigerung diesen Schnelltest zu machen seinen Verdacht bestärkt ich hätte illegale BTM konsumiert. Nur eine Teilnahme am Schnelltestroulette hätte meine Weiterfahrt ermöglicht. Ein Verdacht den er ansonsten natürlich wie üblich mit angeblichen „Pupillenreaktionsstörungen“ begründete (welcher Art die waren konnte er mir nicht keiner sagen) und mit meiner „Aufgekratztheit“. Wer sich in dieser Situation nicht aufregen würde weil er nun wegen polizeilicher Willkür Kundentermine verschieben musste hat vermutlich wirklich Drogen genommen. 3 Monate später kam dann das Einstellungsschreiben der StA.

    Wir fassen zusammen:
    – Amtsärzte wenden genau wie Streifenbeamte wissenschaftlich nicht abgesicherte bzw. inkonklusive Verfahren an um einen Anfangsverdacht zu konstruieren
    – Das Wissen um seine Rechte als Bürger und Kenntnisse der Problematiken der Fahrerlaubnisverordnung sowie deren aktueller Rechtssprechung sind verdächtig
    – Wer sich gar weigert einen fehlerbehafteten Test der ihm den FS kosten kann durchzuführen ist hochverdächtig
    – Etliche Polizisten sind so kompetent in der Augenheilkunde geschult das ein flüchtiger Blick in die Augen einer Person die bei strahlender Sonne gerade die Sonnenbrille abnimmt ausreicht um die Frage „Konsum ja/nein“ klar zu beantworten
    – Der ganze Spaß hat mehrere Stunden gedauert und entsprechend Arbeitskraft gebunden, die ich im Klappstuhl sitzend verbrachte und erfreut beobachtete wie die zielsicheren Beamten etliche Autos durchwinkten und Leute nach kurzem Blick für nüchtern befanden die ich noch vor einigen Stunden in Politox-Zuständen jenseits von Gut und Böse an der Tanzfläche sah.

    Die deutschen Straßen waren dank des selbstlosen Einsatzes der Ordnungshüter an dem Tag ein wenig sicherer. Die Staatsräson hatte mir gezeigt wo der Hammer hängt. Und die Blutprobe hat sicher so 200-300 Euro gekostet. Ich freu mich schon auf nächstes Jahr und hoffe rausgezogen zu werden. Meine neue Erklärung für die Testverweigerung wird einfacah nur noch sein „Ich verwehre mich jeder Maßnahme mit der Sie versuchen die Beweislast umzukehren und ausserdem sammle ich Einstellungsschreiben der StA“.

    Nur keine Kundentermine am Montag machen.

    BTW, von wegen Löschung. Es taucht nicht im Zentralen Strafregister auf und man ist ggf. als „nicht vorbestraft“ zu bezeichnen. Aber die Polizei hat ein eigenes Informationssystem in dem auch Dinge wie „BTM-Konsument“, „gewalttätig“ oder „Verfahren anhängig bzw eingestellt“ auftauchen können.

    Und das beste, auch eingeleitet, aber dann eingestellte Verfahren bleiben im Zentralen Strafverfahrensregister gespeichert. Das tut erstmal nicht so weh, aber wenn man in 10 Jahre einen neuen Job in einem „sicherheitskritischem“ Bereich anfangen möchte braucht muss man eine ZÜP bestehen. Das ist mit einem Eintrag vermutlich hinfällig. Ein banaler Segelfluglehrgang ist übrigens in diesem Staat mittlerweile auch sicherheitskritisch…

    Ja, ist schon eine tolle Sache mit unserem »Rechtsstaat«.

  6. @blafoo:
    Wow, ich hätte nicht gedacht, dass man tatsächlich um einen Test herumkommt. Wobei ich ja auch ganz explizit nicht vorhatte, Stunden damit zuzubringen, dumm in der Landschaft rumzustehen. Du hast schon Recht, man sollte es eigentlich tun, und das sollte auch niemand mit unnötiger Schikane gleichsetzen, sondern es ist nur das Bestehen auf die eigenen Rechte.

    Auf jeden Fall eine denkwürdige Story!

  7. blafoo

    Ich finde es halt bedenklich das der Staat immer mehr und mehr die Unschuldsvermutung verwirft und einen aktiven Unschuldsnachweis verlangt, seien das nun Massengentests, Entziehung vom Lappen per Verwaltungsrecht wenn Drogendelikte ohne Straßenverkehrszusammenhang vorliegen oder halt dieses entwürdigende Gepisse.

    Im Übrigen können alle Schnelltests abgelehnt werden, denn es herrscht immer noch der Grundsatz das man sich nicht selbst belasten muss. Höflich aber bestimmt bleiben. Wischtests sind aus der Mode gekommen, Urintest braucht aktive Mithilfe, Speicheltest auch. Ist natürlich so das es _dann_ erst richtig los geht… aber wer mal in so einer Situation ist, keinen Dreck am Stecken hat und am nächsten Tag nichts vor – tut es. Gibt dem Begriff Staatsmacht eine ganz neue Bedeutung.

    Wie lief das eigentlich bei Dir ab? Meist ist in der Blase ja mehr als in so ein Becherchen reingeht und man ist ja kein Hund, was läuft das läuft.

    Wurdet ihr von den Schergen genötigt dann den Hinterhof vollzupinkeln, ein Verhalten das in einigen Städten vom Ordnungsamt mit 30 Euro Verwarngebühr belohnt wird? Und was machen die dann mit dem halbvollen Becher? Wegschütten? Hygienisch bedenklich.

    Ich würde eine Selbstanzeige beim Ordnungsamt in Erwägung ziehen, mit dem Hinweis darauf das Du von den Beamten genötigt wurdest. Just for shits and giggles, you know.

  8. blafoo

    Und: natürlich wurde getestet…

    Ich schrieb: „Dann kam nach einem letzten Versuch “an meine Vernunft zu apellieren” vom Einsatzleiter die Anweisung zum obligatorische Aderlaß…“

    Das ist der einzige Test der zwar auch verweigert werden kann, aber dann im Zweifelsfall auch mit Gewalt durchgesetzt wird. Aber Bluttests sind halt akkurat und keine Kaffesatzleserei wie die Schnelltests.

  9. @blafoo:
    OK, das hatte ich irgendwie überlesen, bzw. falsch verstanden. Naja, darauf wäre es dann wohl auch rausgelaufen bei uns.
    Das mit dem Pinkeln ist eine interessante Frage. Ich hab es irgendwie an dem Tag – und frag mich nicht, wie! – tatsächlich geschafft, nur ein paar Tröpchen in den Becher abzugeben. Und jetzt, da ich hier sitze, würde ich auch sagen, das kann ich gar nicht.
    Ansonsten wäre die Anzeige natürlich witzig. Aber der Zug ist abgefahren. Das ist lange verjährt 🙂

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